25.08.2025

Merz hat die falschen Freunde

Von Sabine Beppler-Spahl

Titelbild

Foto: Davidi Vardi via Wikicommons / CC BY 2.5

Keine Waffen mehr an Israel zu liefern, ist durch Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) offizielle Regierungspolitik geworden. Damit spielt er den Antisemiten in die Hände.

Mitten im Sommerloch kündigte Friedrich Merz an, Deutschland solle keine Waffen mehr an Israel liefern, sofern diese im Gazastreifen eingesetzt werden könnten. Nichts verdeutlicht den Schaden, den er damit angerichtet hat, besser als der Applaus, den er prompt von den radikalsten Pro-Hamas-Aktivisten erhielt.

So etwa beim Sommerfest der Neuköllner Linken, zu dem zahlreiche Hamas-Unterstützer eingeladen worden waren: Dort wurde Merz ausgerechnet vom Redner des „Palästinensischen Nationalkomitees“ gelobt – einer Organisation, die wegen Islamismus und Hamas-Nähe vom Verfassungsschutz (wenn auch viel zu zaghaft) beobachtet wird. Dort hieß es, Deutschland müsse endlich seine „Doppelmoral“ in der Israel-Politik aufgeben.

Natürlich will Merz nicht wirklich die Hamas unterstützen. Aber seine Ankündigung ist nichts anderes als eine Kapitulation vor jenen, die seit Jahren verlangen, Deutschland müsse endlich seinen „Israelknax“ loswerden. Lange galt Deutschland, neben den USA, als verlässlichster Partner des jüdischen Staates. Anti-israelischen Aktivisten war das stets ein Dorn im Auge. Denn die historische Verbindung zwischen Israel, der Shoah und dem Antisemitismus stört sie – sie wollen dieses Band kappen.

Paradoxerweise verbindet dieses Ziel linke Israelhasser mit der extremen Rechten, die ebenfalls den „Schuldkomplex“ bekämpfen will. „Free Palestine from German guilt“ (befreit Palästina von deutscher Schuld) wurde in der Szene zum Slogan. Plakate tauchten 2022 nach dem Antisemitismus-Skandal auf der Documenta in Kassel auf. Schon damals redeten die Kuratoren des ruangrupa-Kollektivs, eng verbunden mit der BDS-Bewegung, die Antisemitismusvorwürfe mit dem Hinweis klein, Deutschland sei eben zu „fixiert“ auf Schuld.

„Hamas bekennt sich offen zum Ziel, alle Juden zu vernichten – und Deutschland schwächt ausgerechnet den Staat, der sie schützt.“

Auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan blies ins gleiche Horn, als er nur wenige Wochen nach dem Hamas-Massaker im November 2023 in Berlin von einer „Psychologie der Schuld“ sprach. Olaf Scholz stand neben ihm wie versteinert und schwieg – ein Sinnbild für die Zerbrechlichkeit deutscher Solidarität mit Israel.

Im selben Herbst starteten internationale Kulturschaffende die Kampagne „Strike Germany“. Prominent unterstützt wurde sie von Nobelpreisträgerin Annie Ernaux und Judith Butler, die ankündigte, Deutschland wegen seiner „pro-israelischen Haltung“ zu boykottieren. Lächerlich? Ja. Aber sie wirkte auf die verunsicherten Teile des deutschen Establishments, die ohnehin schon wackelten, wenn es um Israel ging.

Noch im Herbst 2023 hatte Merz Olaf Scholz attackiert, weil der überhaupt einen Waffenstopp erwogen hatte: „Was sind Ihre Solidaritätsbekundungen für den Staat Israel wert, wenn Sie zugleich wesentliche Hilfe verweigern?“ fragte er damals. Nun macht er genau das, wovor er gewarnt hat. Dass sein Rückzug mit dem 100. Regierungstag zusammenfiel, ist wohl kein Zufall. Angesichts schwacher Umfragewerte und der desaströsen verpassten Richterwahl suchte Merz offenbar nach einem billigen Punktgewinn – und opferte dafür Prinzipien. Statt standhaft zu bleiben, wollte er den Koalitionspartner SPD beschwichtigen, der in Sachen Israel kaum besser dasteht als die Linkspartei.

Doch dieser Schulhofdeal hat Folgen: Deutschland lässt einen engen Verbündeten im Stich und stärkt damit indirekt die Hamas. Die Bilder der ausgemergelten Geiseln sprechen Bände: Evyatar David, gezwungen, sein eigenes Grab zu schaufeln. Rom Braslavski, ein deutsch-jüdischer Bürger, gefilmt, wie er vor Hunger gekrümmt auf dem Boden liegt. Hamas bekennt sich offen zum Ziel, alle Juden zu vernichten – und Deutschland schwächt ausgerechnet den Staat, der sie schützt.

„Wer wie Merz glaubt, mit taktischem Lavieren innenpolitisch punkten zu können, spielt in Wahrheit den Antisemiten in die Hände.“

Israel ist zum Glück nicht von Deutschland abhängig. Im Gegenteil: Deutsche Sicherheit hängt in vielen Bereichen von israelischer Expertise ab – ob bei der Luftabwehr oder im Kampf gegen islamistischen Terror. Volker Beck, der Vorsitzende der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG) nennt es „deutsche Hochnäsigkeit“. Doch praktische Fragen sind zweitrangig. Das zentrale Problem ist der moralische Bankrott. 80 Jahre lang hat Deutschland behauptet, aus seiner Geschichte gelernt zu haben: an der Seite Israels und gegen antisemitischen Terror. Angela Merkel machte 2008 die Sicherheit Israels sogar zur deutschen „Staatsräson“.

Merz hat dieses Bekenntnis nun nebenbei über Bord geworfen. Johannes Winkel von der CDU-Jugend fasste es bitter zusammen: „Israel macht ab heute die Drecksarbeit für uns – nur ohne deutsche Waffen.“ Deutschland trägt eine einzigartige Verantwortung. Wer wie Merz glaubt, mit taktischem Lavieren innenpolitisch punkten zu können, spielt in Wahrheit den Antisemiten in die Hände – von den Neuköllner Hamas-Apologeten bis hin zu Erdoğan.

Die Wahrheit ist hart: Mit seinem Kurs stärkt Merz die Hamas und schwächt die historische Lehre, die Deutschland sich selbst auferlegt hat. Wer den Antisemitismus als Gefahr versteht, darf nicht schweigen. Es geht um viel mehr als um parteipolitisches Taktieren.

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