23.04.2025
Mehr Meinungsfreiheit durch weniger Meinungsfreiheit?
Auch die kommende Bundesregierung möchte gegen „Hass und Hetze vorgehen“. Sie will beschränken, was gesagt werden darf. Sogenannte Faktenchecker sind damit bisher auf die Nase gefallen.
Die neue Bundesregierung will die Meinungsfreiheit schützen – indem sie sie einschränkt. Was nach einem schlechten Scherz klingt, könnte direkt aus George Orwells vielzitiertem „1984“ stammen: Zensur als Demokratieverteidigung, Einschränkung als Freiheitsgarantie.
Im Koalitionsvertrag heißt es unter der Rubrik „Medienvielfalt stärken – Meinungsfreiheit sichern“ zum Umgang mit Desinformation:
Gezielte Einflussnahme auf Wahlen sowie inzwischen alltägliche Desinformation und Fake News sind ernste Bedrohungen für unsere Demokratie, ihre Institutionen und den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Die bewusste Verbreitung falscher Tatsachenbehauptungen ist durch die Meinungsfreiheit nicht gedeckt. Deshalb muss die staatsferne Medienaufsicht unter Wahrung der Meinungsfreiheit auf der Basis klarer gesetzlicher Vorgaben gegen Informationsmanipulation sowie Hass und Hetze vorgehen können.
Die Details bleiben vage, doch der innere Widerspruch springt ins Auge: Man will „Meinungsfreiheit sichern“, indem man definiert, welche Meinungen gesagt werden dürfen. Dass nun eine weitere Verschärfung des staatlichen Kampfes gegen Fake News angekündigt wird, liegt nicht daran, dass dieser Kampf erfolgreich war – sondern daran, dass er es eben nicht war. Trotz jahrelanger Bemühungen von „Faktencheckern“, jede unbequeme Aussage zu widerlegen, gedeiht die widerständige Rede ungebrochen.
„Die Farce der Fake-News-Bekämpfung zeigt sich auch im Umgang mit Corona.“
Dabei zeigen gerade die Faktenchecker selbst, wie relativ „Fakten“ oft sind. Beispiel: Das berüchtigte Meme, das die damalige Innenministerin Nancy Faeser mit einem Schild zeigt, auf dem steht: „Ich hasse die Meinungsfreiheit!“ – zweifellos ein Fake. Der Chefredakteur des AfD-nahen Deutschlandkuriers wurde deswegen zu sieben Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Die Frage aber bleibt: Ist das Meme vielleicht deshalb so provokant, weil es eine unbequeme Wahrheit andeutet?
Denn Faeser ist überzeugte Verfechterin des §188 StGB – dem Paragraphen gegen Beleidigungen von Politikern. Ein Paragraph, der nicht gerade als Liebeserklärung an den freien Diskurs gilt und der in den letzten Monaten gegen Hunderte von Bürgern zur Anwendung kam. Der deutsch-türkische Journalist Deniz Yücel brachte es im Fall des Memes pointiert auf X auf den Punkt: Wenn sich Faeser nicht explizit von dem Urteil distanziere, „muss man fast vermuten, dass sie die Meinungsfreiheit tatsächlich hasst“.
Die Farce der Fake-News-Bekämpfung zeigt sich auch im Umgang mit Corona. Der renommierte Hamburger Physiker Roland Wiesendanger wurde von Faktencheckern der ARD und des Deutschlandfunks und vielen anderen diffamiert, weil er früh die These vertrat, das Coronavirus sei wohl aus einem Labor in Wuhan entwichen. Heute gilt diese Vermutung längst als seriös, ja, sogar der BND kam laut Berichten bereits 2020 zum selben Schluss und informierte das Kanzleramt. Eine Entschuldigung der „Faktenprüfer“ bleibt bis heute wohl aus.
„Der Begriff ‚Faktencheck‘ ist oft nur ein Deckmantel für Meinungskontrolle.“
Es offenbart sich: Der Begriff „Faktencheck“ ist oft nur ein Deckmantel für Meinungskontrolle. In vielen Fällen geht es nicht um objektive Wahrheiten, sondern um das Unterdrücken unliebsamer Sichtweisen. Besonders deutlich wurde dies im Fall von Tichys Einblick, als Facebooks offizieller Faktenchecker „Correctiv“ einem Artikel ein „teils falsch“ verpasste – obwohl es sich um die dokumentierte Wiedergabe eines offenen Briefes handelte, in dem 500 Wissenschaftler den „Klimanotstand“ bezweifelten. Tichy klagte – und gewann. Das Gericht urteilte: „Im Wettbewerb der Meinungen fehlt ein objektiver Maßstab für die Einteilung in ‚richtig‘ und ‚falsch‘, ‚gut‘ oder ‚schlecht‘; Meinungsbildungen und Wertungen sind subjektive Vorgänge.“
Tichys Anwalt, Joachim Steinhöfel, fasste treffend zusammen: „Die Frage, was wahr, falsch, richtig oder unrichtig ist, sollte nach diesem Urteil auch auf Facebook dem politischen Diskurs überlassen bleiben.“
Der Koalitionsvertrag offenbart jedoch das Gegenteil: Die Regierenden haben den offenen politischen Diskurs längst als Risiko identifiziert. Wenn sich die Bürger nicht von wohlmeinenden Faktenwächtern erziehen lassen, dann soll nun eben die Gesetzgebung ran. Mit staatlich sanktionierter Wahrheit gegen den Kontrollverlust. Doch Zensur, selbst wenn sie sich im Gewand der Demokratieverteidigung kleidet, wird das Vertrauen in Regierung und Institutionen nicht stärken – sondern weiter untergraben.