20.05.2015

Lasst Glyphosat in Ruhe!

Kommentar von Susanne Günther

Die REWE-Gruppe meldete in diesen Tagen, dass sie glyphosathaltige Produkte aus dem Handel nehmen will. Susanne Günther findet diese Entscheidung verantwortungslos. Das Herbizid ist hochwirksam, wenig giftig und umweltfreundlich. Bei den Alternativen sieht das anders aus


In der Presse kursiert derzeit die Forderung der Partei Bündnis 90/Die Grünen und nahestehenden NGOs wie Greenpeace, Nabu und BUND, den Wirkstoff Glyphosat zu verbieten bzw. dessen Nutzung einzuschränken. Grund sei eine neue Einordnung der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC), die zur Weltgesundheitsorganisation (WHO) gehört. Demnach sei Glyphosat „wahrscheinlich krebserregend“ (Kategorie 2A). Dazu ist zu sagen, dass die IACR lediglich eine Einordnung vorgenommen hat – und nicht etwa wissenschaftliche Tests durchführte, die eine solche Einordnung angestoßen hätten. Im Gegenteil: Es liegen auch von anderen Institutionen keine neuen Erkenntnisse vor, die die IACR dazu veranlasst haben könnten, eine solche Einordnung vorzunehmen.

So schreibt das Bundesamt für Risikobewertung (BfR) in seiner Stellungnahme dazu, dass es die Entscheidung der IACR nicht nachvollziehen kann. Alle Studien, auf die sich die IACR bezieht, sind auch vom BfR gesichtet worden: „Alle diese Befunde wurden ebenfalls in den Glyphosat-Bewertungen des BfR, der EU-Institutionen und dem für die Bewertung von Pestizidwirkstoffen zuständigen Joint Meeting on Pesticide Residues (JMPR) der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) und der WHO berücksichtigt. Diese Gremien sind zur Gesamtschlussfolgerung gekommen, dass Glyphosat nicht kanzerogen ist.“ [1]

Aufschlussreich ist auch ein Blick darauf, was die IACR in der höchsten Kategorie (Kategorie 1) als (definitiv) „krebserregend“ listet: alkoholische Getränke, Abgase von Diesel-Motoren, Emissionen von Kohleöfen, die im Haus betrieben werden, bestimmte östrogenbetonte Wechseljahres-Therapien, Sonneneinstrahlung, Holzstaub, Tabak und Tabakrauch, Sonnenbänke, Ruß und nach chinesischer Art gesalzener Fisch. [2]

„Glyphosat ist nach internationalen toxikologischen Standards weniger giftig als Kochsalz und Backpulver“

Warum wird nicht deutlicher kommuniziert, dass etwa Alkohol, Holzstaub und die Nutzung von Sonnenbänken von der WHO als krebserregend eingestuft werden? Bevor wir die zweithöchste Kategorie (2A) angehen, sollten wir erst einmal die nach IACR gefährlichsten Stoffe aus Kategorie 1 aus unserer Umwelt verbannen, oder? Warum haben Herr Hofreiter und Herr Ebner von den Grünen, die Glyphosat nicht einmal in Baumärkten tolerieren wollen [3], nicht schon längst einen Brief an alle Baumärkte geschrieben, in dem sie fordern, keine Kaminöfen mehr zu verkaufen? Schließlich kann man darin Kohlebriketts verbrennen und das ist definitiv (nicht nur wahrscheinlich) krebserregend. Holzbretter sind auch brandgefährlich: Bei Sägen und Hobeln entsteht krebserregender Holzstaub! Im Grunde müsste man außerdem nicht nur Sonnenbänke, sondern die Sonne selbst aufgrund ihrer definitiv krebserregenden Strahlung verbieten. Die Sonne hat nur Glück, dass sie auf natürliche Art krebserregend ist.

Glyphosat ist nach internationalen toxikologischen Standards (LD 50 oral, Ratte [4]) weniger giftig als Kochsalz und Backpulver [5]. Würde Glyphosat verboten werden, welche Alternativen stünden dann Landwirten und Hobbygärtnern zur Verfügung? Müssten die Anwender dann auf giftigere Substanzen zurückgreifen? Das wäre gut möglich.

Da wäre zum Beispiel der Wirkstoff Pelargonsäure, ein Kontaktherbizid natürlichen Ursprungs, das alle Voraussetzungen für den Biolandbau erfüllt, aber ätzend wirkt und Hautirritationen verursacht: Nach dem Kriterium „LD 50 Ratte“ lässt sich das Bio-Mittel nicht gut mit Glyphosat vergleichen, weil nur ungefähre Angaben vorliegen. Die Werte schwanken je nach Quelle zwischen „> 2000 mg/kg“ und „> 5000 mg/kg“ (Glyphosat: 4870 mg/kg).

Studiert man einen Bericht der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) aus dem Jahr 2013 [6], findet man unter dem Punkt „Kanzerogenität“ den Hinweis „Vorliegende Daten von begrenzter Validität“, sprich: Es liegen zur Frage, ob die Substanz krebserregend ist, keine brauchbaren Daten vor. Allerdings schädige der Wirkstoff Nützlinge wie Regenwürmer. Generell wird bemängelt, dass zu wenig Daten vorliegen, um die Umweltrisiken einschätzen zu können: „Für Pelargonsäure wurden Datenlücken für die folgenden Aspekte der ökotoxikologischen Risikoeinschätzung identifiziert: Wasserorganismen, Bienen, Populationen von Gliederfüßern im Feld, die nicht geschädigt werden sollten, Erdwürmer, Boden-Mikroorganismen, Pflanzen, die nicht geschädigt werden sollten (Keimung). Es wurde ein geringes Risiko für Vögel, Säugetiere und Organismen in der Abwasseraufbereitung festgestellt. Für Erdwürmer und Populationen von Gliederfüßern im Feld, die nicht geschädigt werden sollten, besteht ein Risiko.“ [7] Die EFSA weist auf „Datenlücken“ hin – also fehlende Informationen. Ginge es hier um eine neu zuzulassende gentechnisch verbesserte Maissorte, wäre der Aufschrei groß, aber die Quasi-Bioalternative zum verhassten Glyphosat darf unbekannte Langzeitfolgen haben.

„Die Quasi-Bioalternative zum verhassten Glyphosat darf unbekannte Langzeitfolgen haben“

Viele Hersteller für den Hobbygartenbereich verkaufen Spritzmittel gegen Unkraut auf Basis von Pelargonsäure mit dem Zusatz „Bio“ im Namen. Dieser Hinweis kann Hobbygärtner erst recht dazu verleiten, das Produkt besonders sorglos einzusetzen. Außerdem wirkt die Säure nicht so gut wie Glyphosat, der Anwender muss also höher dosieren.

Der US-amerikanische Pflanzenphysiologe Stephan O. Duke hat Glyphosat einmal als „Jahrhundert-Herbizid“ [8] bezeichnet: hochwirksam und dabei wenig giftig und für die Umwelt unproblematisch, weil es im Boden abgebaut wird. Der Wirkmechanismus greift in den Stoffwechsel der Pflanze ein: Glyphosat blockiert ein Enzym, das Pflanzen zur Herstellung bestimmter Aminosäuren benötigen. Die Wirkung, das Absterben der Pflanzen, sieht gewaltig aus, der chemische Eingriff ist jedoch nur winzig klein. Das vom Glyphosat blockierte Enzym kommt in menschlichen und tierischen Organismen nicht vor. Das erklärt die geringe Giftigkeit für Mensch und Tier.

Glyphosat wird seit mehr als 40 Jahren eingesetzt, ist gut erforscht und gilt als sicher. Es gibt in der Landwirtschaft moderne, die Bodenstruktur erhaltene Aussaatverfahren (Stichwort „Strip Till“), die ohne diesen Wirkstoff nicht in dieser Form möglich sind. Auch die Winterbegrünung zum Erosionsschutz wird schwieriger ohne Glyphosat. Der Wirkstoff ist aufgrund seiner erwiesenen Unschädlichkeit ein wichtiges Instrument und unverzichtbar. Und: Es ist nichts gewonnen, wenn stattdessen auf schlechter erforschte Wirkstoffe wie Pelargonsäure zurückgegriffen werden muss.

Wenn Grüne und Co. etwas für die Gesundheit der Hobbygärtner tun wollten, dann sollten sie vielmehr Pyrethrine für den Hausgebrauch aus dem Verkehr ziehen. Diese Insektizide wirken neurotoxisch und weisen nach GESTIS LD 50-Werte von 130 bis > 600 mg/kg auf. Menschliche Todesfälle durch Pyrethrine sind dokumentiert. Doch diese aus Chrysanthemen gewonnen Gifte sind ja natürlich und gehören zu den wenigen Waffen, die dem Bio-Landwirt zu Verfügung stehen. Und ähnlich wie bei den Kupferpräparaten, die nach und nach das Bodenleben zerstören, wird an denen nicht gerüttelt, damit der Ökolandbau nicht völlig zum Erliegen kommt.

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