29.03.2018

Lasst Graf Dankula frei

Von Andrew Doyle

Titelbild

Graf Dankula und der Mops seiner Freundin / Foto: Youtube

Kein Witz: In Schottland wurde ein Youtuber verhaftet, weil er seinem Mops den Hitlergruß beigebracht hatte.

Es ist amtlich: Man kann wegen eines Witzes im Gefängnis landen. Markus Meechan – auf YouTube als Graf Dankula bekannt – wurde vor einem schottischen Gericht der Hassrede und des Verstoßes gegen das Gesetz über digitale Kommunikation für schuldig befunden. Seine Verhaftung folgte auf die Veröffentlichung eines Online-Videos, in dem Meechan den Mops seiner Freundin dazu bringt, den Hitlergruß zu machen und begeistert auf den Satz „Vergast die Juden“ zu reagieren. Das Urteil wird am 23. April am Airdrie-Sheriff-Court in Schottland verkündet.

Die Intention hinter dem Video ist eindeutig komödiantischer Natur, die gesamte Nazi-Mops- Aktion ist nur schwer anders zu interpretieren. Das hat Sheriff Derek O’Carroll, den zuständigen vorsitzenden Richter, aber nicht davon abgehalten, Meechan mit dem Argument für schuldig zu befinden, „dass die Beschreibung des Videos als humoristisch keine Ausrede ist“. Ohne in Klischees verfallen zu wollen, dürfte wohl niemand weniger geeignet sein, den Wert von Humor zu beurteilen als die schottische Justiz.

Die Behauptung, die Meinungsfreiheit in Großbritannien sei nicht gefährdet, lässt sich nicht mehr halten. Meechan mag nicht der Erste sein, der hier wegen anstößiger Witze verfolgt wird, aber er droht zu einem besonders gefährlichen Präzedenzfall zu werden, durch den sogar professionelle Komiker für ihr Programm kriminalisiert werden könnten. Diese Art von schleichendem Autoritarismus konnte man schon in Kanada beobachten, wo der Komiker Mike Ward vom Quebec Human Rights Tribunal zu einer Geldstrafe von 42.000 Dollar verurteilt wurde, weil er einen Witz über einen behinderten Jungen erzählt hatte. In der anscheinend unaufhaltsamen wachsenden Kultur des Beleidigtseins, die vor allem von den sozialen Medien vorangetrieben wird, dürfte sich Großbritannien in eine ähnliche Richtung entwickeln.

„Der Richter musste das Video absichtlich falsch verstehen, um die Verurteilung überhaupt zu rechtfertigen.“

Dass Meechans Fall es überhaupt vor Gericht geschafft hat, lässt bereits ernsthaft die Frage nach der Redlichkeit der schottischen Staatsanwaltschaft aufkommen. Der Vorfall scheint auf der Annahme zu beruhen, Meechans Video sei ein Versuch, religiösen Hass zu schüren. Während des Prozesses wurde es als „eine abscheuliche, als Witz getarnte kriminelle Handlung“ beschrieben. Auch wenn Sie das Video selbst nicht für lustig halten, so ist doch allein die Annahme, Antisemitismus mit Hilfe von Möpsen verbreiten zu wollen, einfach nur lächerlich.

Einen wichtigen Aspekt in der Strategie der Staatsanwaltschaft hat Meechan selbst in einer Erklärung nach dem Urteil dargelegt. Um das Nazi-Mops-Video als gleichermaßen gefährlich wie beleidigend hinzustellen, musste der Richter die Absicht und den Entstehungskontext des Videos willentlich fehlinterpretieren. Mit anderen Worten: Man musste den Witz absichtlich falsch verstehen, um die Verurteilung überhaupt zu rechtfertigen. Dementsprechend beschrieb der Staatsanwalt die „Einbeziehung des Hundes“ als „Versuch, die wahre Intention des Videos zu verschleiern, um es unbehelligt produzieren und veröffentlichen zu können. [Meechan] selbst kenne zwar den Kontext des Videos, aber vor einem schottischen Strafgericht entscheidet nicht der Urheber über den Kontext, sondern allein das Gericht.“ Es ist erstaunlich, dass ein so absurder Prozess derart sinistere Äußerungen hervorbringen kann.

Was die Absicht des Angeklagten betrifft, bedarf es schon einer besonders akuten Form von Dummheit, um dessen Versuch, lustig sein zu wollen, leugnen zu können. Er erklärt den Witz sogar seinem Publikum am Anfang des Videos: „Meine Freundin schwärmt immer davon, wie süß und niedlich ihr kleiner Hund ist“, sagt er. „Also dachte ich mir, ich könnte ihn in das am wenigsten Niedliche verwandeln, was mir einfällt: einen Nazi“. Wie David Baddiel betont, verstieß Meechan mit der Erklärung des Witzes gegen eine der wichtigsten Comedy-Grundregeln, aber selbst mit dieser Hilfestellung hatte die Anklage extreme Schwierigkeiten, den Witz zu verstehen.

„Dieser Vorgang muss Gegenwehr aus allen politischen Lagern hervorrufen.“

In Anbetracht der Umstände könnte man zu dem Schluss gelangen, dass die beteiligten Staatsanwälte und Polizisten zusammen über die intellektuellen Fähigkeiten eines Toastbrots verfügen müssen. In Wahrheit besteht mehr Anlass zur Sorge. Da die Staatsanwaltschaft offensichtlich nicht ernsthaft der Überzeugung sein kann, dass Meechan religiösen Hass schüren wollte, bleibt uns nur eine vernünftige Schlussfolgerung: Der Wunsch des Staates, die Menschen vor Beleidigungen zu schützen, hat jetzt Vorrang vor seiner Pflicht, das demokratische Grundprinzip der Meinungsfreiheit aufrechtzuerhalten.

Meechans Schuldspruch zieht eine absurde Konsequenz aus einem von Anfang an ebensolchen Fall. In den zwei Jahren, seit das Video hochgeladen wurde, hat dieser Prozess wenig mediale Aufmerksamkeit erregt. Er erfuhr nur wenig öffentliche Unterstützung, möglicherweise aus Angst, mit einigen der prominenten rechten Persönlichkeiten, die Meechans Recht auf freie Meinungsäußerung verteidigt haben, in Verbindung gebracht zu werden. Dieser Vorgang muss jedoch Gegenwehr aus allen politischen Lagern hervorrufen. Selbst diejenigen, die das Video als unlustig und anstößig empfinden, sollten dessen Urheber verteidigen. Denn wenn wir dem Staat erlauben, seine Macht auf diese Weise zu missbrauchen und zu bestimmen, worüber wir scherzen dürfen oder nicht, können wir nicht mehr behaupten, in einer freien Gesellschaft zu leben.

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