14.04.2021
Und plötzlich steigt der Meeresspiegel noch langsamer
Von Thilo Spahl
Eine genauere Simulation bekräftigt, dass der Meeresspiegelanstieg ein beherrschbares Problem ist.
Die Schmelzgeschwindigkeit des antarktischen Eisschildes wird hauptsächlich durch den Anstieg der Ozeantemperaturen um die Antarktis herum gesteuert. Mit einer neuen, höher aufgelösten Klimamodell-Simulation fanden Wissenschaftler der Universität Utrecht einen viel langsameren Anstieg der Ozeantemperatur im Vergleich zu den bisherigen Simulationen. Infolgedessen ist der prognostizierte Anstieg des Meeresspiegels in 100 Jahren um etwa 25 Prozent geringer als in den aktuellen Simulationen erwartet. Diese Ergebnisse wurden jüngst in der Zeitschrift Science Advances veröffentlicht.
Die Schätzungen für den zukünftigen Meeresspiegelanstieg basieren auf einem großen Ensemble von Klimamodell-Simulationen. Die Ergebnisse dieser Simulationen helfen, den zukünftigen Klimawandel und seine Auswirkungen auf den Meeresspiegel zu verstehen. Klimaforscher arbeiten kontinuierlich daran, diese Modelle zu verbessern. Das neue hochauflösende Modell berücksichtigt Ozeanwirbelprozesse, die zum Transport von Wärme und Salz beitragen. Die Einbeziehung von Ozeanwirbeln in die Simulation führt zu einer realistischeren Darstellung der die Antarktis umgebenden Ozeantemperaturen, was für die Bestimmung des Massenverlustes des antarktischen Eisschildes entscheidend ist.
Die aktuellen Klimamodell-Simulationen, die keine Ozeanwirbel berücksichtigen, gehen davon aus, dass die Ozeantemperaturen um die Antarktis durch den Klimawandel steigen. Die neue hochauflösende Simulation zeigt ein ganz anderes Verhalten und einige Regionen in der Nähe der Antarktis kühlen sich sogar ab. So ergibt sich ein geringerer Massenverlust: nur ein Drittel im Vergleich zu aktuellen Klimamodellen. Das reduziert den prognostizierten globalen Meeresspiegelanstieg um 25 Prozent in den kommenden 100 Jahren.
Die neuen Erkenntnisse zeigen, dass die Wissenschaft sich weiter entwickelt und oft auch zu Ergebnissen kommt, die die allgemeine Panikstimmung keineswegs unterstützen. Sie bekräftigen damit eine Tatsache, die schon heute bekannt ist, dass nämlich der Meeresspiegelanstieg alles andere als eine Katastrophe ist. Er ist nicht dramatisch und gut beherrschbar.
Statt acht Meter steigt das Wasser also nur sechs Meter.
Nein, das war ein Scherz. Während der globale Meeresspiegel seit 1900 um etwa 19 Zentimeter gestiegen ist, schätzt der IPCC bisher, dass der Meeresspiegel bis 2100 in seinem mittleren Szenario um 66 Zentimeter (und in seinem extrem unwahrscheinlichen Maximalszenario um 83 Zentimeter) steigen wird. Nach den neuen Erkenntnissen könnten wir demnach wohl sogar unter einem halben Meter bleiben.
„Der Meeresspiegelanstieg alles andere als eine Katastrophe. Er ist nicht dramatisch und gut beherrschbar."
Wie Björn Lomborg in einer im Juli letzten Jahres erschienenen Arbeit beschreibt, gibt es keinen Grund anzunehmen, dass wir mit einem solchen Anstieg nicht relativ leicht zurechtkommen werden. Wir werden Deiche bauen bzw. erhöhen und andere Schutzmaßnahmen durchführen. Durch geeignete Anpassungsmaßnahmen reduzieren sich die durch Überflutungen verursachten Kosten im Worst Case Szenario für das Jahr 2100 von hypothetischen 5,3 Prozent des BIP auf vernachlässigbare 0,008 Prozent.
Abb. 1: Überflutungen, Quelle
Ein Blick in unser Nachbarland lehrt uns, dass man mit einem steigenden Meeresspiegel relativ unkompliziert zurechtkommen kann. Mehr als ein Viertel der Niederlande liegt schon heute unter dem Meeresspiegel. Und zwar nicht nur ein paar Zentimeter, sondern bis zu sieben Meter. Offenbar hat man die Sache ganz gut im Griff. Das Meer ist nach wie vor eine Bedrohung. Aber wir können zuversichtlich sein, dass die Holländer angesichts eines weiteren Anstiegs um derzeit durchschnittlich 3,3 Zentimeter pro Jahrzehnt auch in Zukunft nicht kapitulieren und ihr Land dem Meer überlassen werden.