27.10.2015

Jagd: Blei auf der Abschussliste

Analyse von Manfred Nolting

Das Verbot bleihaltiger Jagdmunition ist der neueste Schrei in einigen Landesjagdgesetzen, es wird auch bundesweit gefordert. Manfred Nolting deckt die Schwächen und Widersprüche dieser Regulierung auf. Es geht in Wirklichkeit darum, die Jagd insgesamt zu erschweren

Es gibt bekanntlich viele Wege nach Rom. Ein wahres Wort; es meint, dass man ein Ziel grundsätzlich aus vielen Richtungen, auf verschiedenen Wegen und mit vielerlei Methoden erreichen kann. Das gilt natürlich auch, wenn man sich zum Ziel gesetzt hat, die Jagd in Deutschland abzuschaffen bzw. unter Kontrolle zu bringen. In den letzten Jahren wird zunehmend aggressiv und öffentlich gegen die Jagd agitiert. Die Jagd, die Jäger stören gewisse Kreise, insbesondere das Geschäftsmodell des gewerbsmäßigen „Naturschutzes“. Wenn man ein Monopol anstrebt, ist es natürlich sehr hinderlich, einen Mitbewerber zu haben. Noch dazu, wenn der seine Leistung unentgeltlich erbringt. 1 Es sind viele Aktionen angelaufen, viele Diskussionen geführt worden, immer polemisch, oft unter lebhafter Mithilfe einiger Medien, von interessierter politischer Seite. Eine dieser Aktionen ist die bekannte Bleifrei-Debatte.

Es fing harmlos an – ein so hingebungsvoll drapierter toter Seeadler. Ein Mann im weißen Kittel raunte dazu mit düster-schwerer, betroffener Miene ahnungsvoll in die Kamera: „Bleivergiftung über Aufnahme von Geschossresten in aufgenommenem Aufbruch“ 2 (den Innereien von erlegten Tieren, die im Revier gelassen werden). Nun ist es so, dass das Blei in Jagdgeschossen zunächst einmal mit dem Tombak- oder Messingmantel des Geschosses fest verlötet ist. Geschoss-Restgewichte von 90 Prozent und mehr sind also die Regel. Dennoch können sich natürlich im Aufbruch Bleisplitter befinden. Allerdings, das haben wir im Chemie-Unterricht bereits in der Quinta gelernt, reagiert Blei nicht im Mindesten mit Salzsäure. Und die einzige Säure im Magen von Wirbeltieren ist nun mal Salzsäure. Beim Menschen, je nach augenblicklichem Ernährungszustand, liegt die Konzentration zwischen zwei und fünf Prozent, bei Seeadlern, nehme ich an, etwas höher; Seeadler nehmen gern Aas auf. Es befindet sich aber auch bei ihnen Salz- und keine Fluss- oder Phosphorsäure im Magensaft, festes Blei kann also nicht gelöst werden.

Was aber von jedem Organismus aufgenommen wird, sind organische Bleiverbindungen. Zum Beispiel Tetraethylblei, der Stoff, der jahrzehntelang zu Hunderttausenden von Tonnen als Antiklopfmittel dem Benzin beigemischt und in hohen Konzentrationen in die Umwelt geblasen wurde. Diese Verbindung ist in Mengen überall in unserer Umwelt vorhanden, sie steckt in den Böden, in Gewässern – und sie reichert sich in der Nahrungskette an, vor allem zunächst natürlich in Pflanzen. (Das ist übrigens auch der Grund dafür, dass gerade Vegetarier und Veganer grundsätzlich höhere Bleikonzentrationen im Körper vorzuweisen haben als Normalernährer). Seeadler aber stehen nun mal an der Spitze der Nahrungspyramide – und reichern das Zeug im Organismus an.

„Jede Sau ist so bleibelastet wie wir alle“

Nur: Die Dosis macht das Gift, wie schon Paracelsus wusste. Und bei den heutigen Nachweismöglichkeiten in molekularen Größenordnungen lässt sich überall alles nachweisen. Was früher als absolut unbelastet galt, kann sich durch eine neue Analyse-Methode in Verbindung mit völlig willkürlich festgesetzten neuen Grenzwerten von heute auf morgen in die berühmte „tickende Zeitbombe“ verwandeln. Was tausendfach auch schon so der Fall war. Jeder Fuchs, jede Sau, jeder Wolf ist also bleibelastet wie wir alle. Nur ist z.B. ein toter Fuchs natürlich bei Weitem nicht so öffentlichkeitswirksam wie ein toter Seeadler. Und nur der Seeadler wird untersucht. Füchse haben eben keine Lobby. Und über die absolute Bleibelastung haben sich die Alarmisten übrigens bis heute ausgeschwiegen.

Wie weit hier die organisierte Tollerei geht, sieht man, ein anderes Beispiel, auch bei der Jagd auf Truppenübungsplätzen. Hier wird bekanntlich auch mit scharfer Munition (Artillerie, Panzergranaten etc.) der Ernstfall geprobt. Dennoch sind diese Truppenübungsplätze ein Wildparadies. Das hängt u.a. damit zusammen, dass die Landschaft hier nicht künstlich in einem als schön erkannten Zustand gehalten wird; hier schlagen Granaten tiefe Löcher in die Böden, metertiefe Gräben werden von Panzerketten gepflügt. Die Natur ist offensichtlich tief dankbar dafür, denn es grünt und blüht allerwegen. Und auch das Wild nimmt Radau und Risiko und regelmäßige Todesfälle in Kauf – und bleibt freiwillig da. Was aber in die Landschaft gepumpt wird, und zwar bei jeder Übung in Größenordnungen von Zentnern, ist – Blei! (Von abgereichertem Uran in manchen Panzergranaten sprechen wir lieber gar nicht.) Um dem Irrsinn aber jetzt die Krone aufzusetzen: Bei den regelmäßigen Herbstjagden ist es den Jägern bei Strafe untersagt, bleihaltige Munition zu verschießen. Aus Gründen des Umweltschutzes. Sancta simplicitas.

Jetzt fragt man sich, warum überhaupt die Debatte über Blei? Es gibt doch z.B. schon Geschosse aus reinem Kupfer, nehmen wir die. Dazu aber ist einiges zu sagen:

  • Jäger sind gesetzlich (und moralisch) verpflichtet, Wild so schnell und so sicher wie nur irgend möglich zu töten. Und da haben bleihaltige Geschosse, die nebenbei bemerkt teurer sind als Kupfergeschosse (zumindest die guten), den Kupfergeschossen einiges voraus, wie Praxisversuchsreihen gezeigt haben. Das liegt zum einen an der besseren Verformbarkeit im Zielmedium, also im Wildkörper. Das Geschoss ist im Aufbau elastischer, verformbarer, es pilzt auf und gibt damit deutlich mehr Energie im Wildkörper ab.
  • Kupfergeschosse sind im Abprallverhalten, z.B. beim Auftreffen auf harten Gegenständen wie Steinen, weit unberechenbarer und gefährlicher als bleihaltige Geschosse. Das liegt ganz einfach an der größeren Härte und Sprödigkeit.
  • Blei ist spezifisch deutlich schwerer als Kupfer. So ist die Impulserhaltung (und damit Tötungswirkung) zumindest auf mittlere bis größere Entfernung deutlich größer als bei Kupfergeschossen. Das ist einfach ein physikalisches Gesetz.
  • Last, but not least: Kupfer ist, in größeren Konzentrationen aufgenommen, mindestens ebenso toxisch wie Blei.

„Die Jagd an sich ist das Ziel“

Bleibt die Frage: Warum dieses unsinnige Festhalten am Bleiverbot um jeden Preis? Klare Antwort: Weil es dem Jäger das Leben schwer macht – und teuer. Wenn man berechnet, was Jäger unentgeltlich jedes Jahr für den Staat und damit den Steuerzahler an Leistungen erbringen, kommt man ohne weiteres auf sieben bis zehn Milliarden Euro per annum – aus bereits versteuertem Einkommen. (Diese Zahlen sind im Übrigen von allen Umweltverbänden und den Grünen bisher unwidersprochen). Nun gilt aber die Politik der Nadelstiche: Jeder Jäger ist mit dieser Verordnung gezwungen, seine Büchsen auf die neue Munition einzuschießen. So ein Einschießen auf dem Schießstand erfordert üblicherweise zwischen 10 und 15 Schuss pro Waffe. Wenn man weiß, dass Büchsenmunition heute pro Stück zwischen drei und fünf Euro kostet, lässt sich erahnen, was allein das Einschießen bei sagen wir drei Waffen den Jäger kostet. Nicht mit gerechnet ist dabei der Verlust der ja nun „illegalen“ Altmunition.

Sinnigerweise hat man gleichzeitig dafür gesorgt, dass die allermeisten Schießstände in Deutschland eben aufgrund des unberechenbaren Abprallverhaltens von Kupfergeschossen für das Schießen mit bleifreier Munition gar nicht zugelassen sind. Dass das so bleibt, dafür sorgen schon die maßgeblich von den Grünen verschärften „Sicherheitsverordnungen“. Damit stehen viele Jäger bei dem fälligen „Umschießen“ im Regen bzw. haben nicht selten Wege von 200 Kilometern und mehr bis zu einem zertifizierten Schießstand.

Wenn man diese und ähnliche Debatten einmal genauso sorgfältig seziert wie manche Leute Seeadler, kann man eigentlich nur zu einem Schluss kommen: Die Jagd an sich ist das Ziel. Es ist die Politik der Nadelstiche, die Martin Woike, Abteilungsleiter des Landesumweltministers in Nordrhein-Westfalen, Johannes Remmel (Grüne), vor Zeugen so in Worte gefasst haben soll: Wir müssen die landesjagdgesetzlichen Bestimmungen so stark verändern, dass die bisher geübte Bejagung nicht mehr zulässig ist. Außerdem wird und muss ein Flickenteppich entstehen, damit die Bejagung in den bisherigen Jagdrevieren uninteressant wird. […] Die Jäger haben ohnehin keine Lobby mehr. Sie halten sich doch nur noch an ihrer Waffe fest.“ 3 So sehen klare strategische Ziele aus. Man fragt sich nur: Cui bono?

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