21.12.2017

„Ja heißt ja“ heißt nein zur Unschuldsvermutung

Von Monika Frommel

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Foto: Morgan4uall via Pixabay / CC0

Sex ohne eindeutige vorherige Zustimmung soll in Schweden demnächst strafbar sein. Dieser Vorstoß des Bevormundungsfeminismus bedroht den Rechtsstaat.

In Schweden soll künftig jeder Sex ohne vorherige ausdrückliche Erlaubnis als Vergewaltigung gelten. Denn Opferschutzkampagnen leben von der permanenten Empörungsbereitschaft und sind nicht zu befriedigen. Sie geben sich nicht mit nur einer Änderung des Sexualstrafrechts zufrieden, etwa dem „Nein heißt nein“, sondern benötigen stets neue Vorstöße. Auch das schwedische Sexkauf-Verbot wurde nicht nur zivilrechtlich genutzt, sondern führte bei einem entsprechenden „Verdacht“ zu willkürlichen und sehr frühen polizeilichen Zugriffen. Eine Falschanzeige reicht dann.

Offenbar braucht eine mittlerweile ziemlich inhaltsleere Frauenpolitik immer wieder neue Anlässe, um die empörungsbereite Öffentlichkeit zu mobilisieren. Unnötig zu betonen, dass solche Konzepte nicht zum Gedanken passen, dass das Strafrecht nur als Ultima ratio anzusehen sei. Man will Tatbestände so erweitern, dass die Aburteilung mehr oder weniger schematisch der Anzeige folgen kann. Keineswegs soll das Strafrecht begrenzt werden. Dabei geht es den bevormundenden Feministen gar nicht mehr um mittlere oder schwere Straftaten, sondern im Wesentlichen um Verstöße gegen ihre maternalistische Moral. Sie schaffen Bagatelldelikte, die dann in der Öffentlichkeit massenhaft skandalisiert werden können (siehe z.B. die „Shitty-Men-Liste“).

„Der Grundsatz der Unschuldsvermutung wird in sein Gegenteil verkehrt.“

Tathandlung soll nach dem schwedischen Gesetzentwurf jede sexuelle Handlung sein, bei der nicht explizit zuvor eine Zustimmung eingeholt worden ist, die der Beschuldigte auch beweisen kann. Wie aber soll ein als „Täter“ Verdächtigter plausibel erklären, dass das vom Gesetz geforderte Einverständnis tatsächlich vorgelegen hat? Eigentlich geht das nur, wenn man den Grundsatz der Unschuldsvermutung nicht nur nicht mehr beachtet, sondern in sein Gegenteil verkehrt. Dieses Denken stammt aus einer Subkultur, die ohnehin jede sexuelle Handlung als tendenziellen Übergriff deutet. Hat aber ein derartig Beschuldigter Pech und die schwedische Gesellschaft nimmt diesen neuen Akt der Volkspädagogik ernst, dann ist sein Ruf bereits durch ein der Öffentlichkeit bekannt gewordenes Ermittlungsverfahren ruiniert.

Was will dieser Gesetzesentwurf eigentlich schützen? Das sexuelle Selbstbestimmungsrecht wird ja durch das Verbot spontaner sexueller Annäherung erheblich eingeschränkt, und zwar auch das von Frauen. Nach schwedischen Vorstellungen wird jeder spontane Sexualakt als „verdächtig“ gebrandmarkt. Gefestigt werden sollen offenbar harte Geschlechts-Stereotype: Frauen werden in die Rolle der beschuldigenden Zeugin und des Opfers gedrängt, Männer gelten als tendenziell „übergriffig“.

Schwedische Frauen sollen sich offenbar damit abfinden, dass sie sich in einer strukturellen, ihre Identität dauerhaft prägenden Situation befinden, die nur Staatsfeministen mildern können. Staatlicher Schutz vor spontaner Sexualität wird zur dauerhaften Notwendigkeit erklärt. Strafrecht dient bei dieser absurden Änderung nur der symbolischen Bekräftigung einer für „richtig“ gehaltenen sozialen Norm, wie einseitig diese Norm auch sei.

„Jede Person, der ein sexuelles Verhalten missfallen hat, kann nun hemmungslos falsch beschuldigen.“

Für Maternalisten ist der Sozialstaat verpflichtet, „für kollektive moralische Prinzipien“ einzustehen und Entscheidungen zu treffen, welche sogenannten „feministischen” Werte folgen. Feministische Werte, das sind die jeweiligen Präferenzen der aktuellen Gleichstellungspolitik. Dabei wird ein liberales Gesellschaftsmodell verlassen, nach dessen Verständnis der Staat eben nicht regeln darf, welche Lebensentwürfe erstrebenswert sind und welche nicht.

Nach Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) hat jede Person ein Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens. Wie wir unser Sexualleben gestalten, ist danach staatlicher Fürsorge und strafrechtlicher Repression entzogen. Beim „Nein heißt nein“ kann man noch – mit Mühe – zugestehen, dass dem Beschuldigten zumindest nachgewiesen werden muss, dass er den „erkennbaren“ entgegen stehenden Willen konkret kannte und bewusst übergehen wollte. Bedingter Vorsatz nach dem Motto, er hätte es ja erkennen können, reicht nicht. Denn eine solche Doktrin würde gegen das Schuldprinzip verstoßen. Sexuelle Handlungen sind grundsätzlich erlaubt, man muss sich also nicht nach besonderen Regeln pflichtgemäß erkundigen und haftet auch nicht für Sorglosigkeit. Nur wenn ein Kind entsteht, muss der Erzeuger Unterhalt bezahlen, aber bestraft werden darf er deswegen nicht.

Mit der „Ja heißt ja“-Lösung werden demgegenüber alle Grenzen überschritten. Strafverfahren münden in reine Verdachtsstrafen, die Beweislast wird dem Beschuldigten aufgebürdet, und jede Person, der ein nicht gewaltförmiges sexuelles Verhalten missfallen hat, kann hemmungslos falsch beschuldigen. Interessant, dass nicht nur Polen, sondern nun auch Schweden die EMRK und das Rechtsstaats-Prinzip missachtet.

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