29.10.2018

Im Weltall warten Rohstoffe

Von Philip Metzger

Titelbild

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Asteroidenbergbau eröffnet viele Möglichkeiten: Raketentreibstoff lässt sich so gewinnen, Datenübertragung kann beschleunigt und Energieerzeugung verbessert werden.

Der Abbau von Asteroiden mag sich wie Science Fiction anhören, aber es gibt Unternehmen und einige Regierungen, die bereits daran arbeiten, genau das in die Tat umzusetzen. Das überrascht kaum, denn verglichen mit den teils atemberaubenden Brückenkonstruktionen auf der Erde ist Asteroidenbergbau eine simple Angelegenheit von überschaubarem Ausmaß, die nur geringe technologische Fortschritte voraussetzt. Wenn etwas fehlt, dann ist es das Vorstellungsvermögen, wie nahe diese Technologie bereits in Reichweite gerückt ist. Meine einzige Sorge ist, dass wir nicht damit rechtzeitig beginnen, um den aktuell dringenden Ressourcenproblemen auf der Erde begegnen zu können.

Als akademischer Forscher arbeite ich mit verschiedenen Unternehmen 1 zusammen, um das Thema voranzutreiben. Meine Arbeit wird von ihnen finanziert, sodass ich einige Betriebsgeheimnisse für mich behalten muss. Ich kann jedoch die Gründe darlegen, weshalb ich an die Wirtschaftlichkeit des Asteroidenbergbaus glaube und wie weit er unsere Zukunft beeinflussen wird.

Viele Menschen sehen Asteroidenbergbau skeptisch, weil sie glauben, es gehe darum, Platin zur Erde zu bringen und dort zu verkaufen. Immer wieder wird berichtet, dass das Platin in einem Asteroiden Billionen Dollar wert sei. Jedem, der ein wenig von Ökonomie versteht, wird aber sofort klar sein, dass eine plötzlich auf die Erde gebrachte riesige Menge Edelmetall dessen Marktpreis in den Abgrund reißen würde, was den Wert eines Asteroiden natürlich erheblich schmälert. Wäre es allerdings das Ziel, das Platin in nur kleinen Mengen auszubeuten, um seinen Marktwert zu erhalten (so wie es in der Diamantenindustrie geschieht) – wie könnten Asteroiden-Firmen mit erdgebundenen Bergbauunternehmen konkurrieren, die von einer ausgereiften und kostengünstigen Versorgungs- und Transportinfrastruktur profitieren? Aus genau diesem Grunde ist Platin nicht das Ziel des Asteroidenbergbaus. Tatsächlich wird das erste Produkt dieser Technologie etwas viel weniger kostbares sein: Wasser.

„Die Nutzung von im Weltall produziertem Treibstoff würde die Kosten jeglicher raumfahrerischer Aktivität deutlich senken.“


Für Raketenwissenschaftler ist Wasser das Ausgangsmaterial für Treibstoff. Wasser von der Erde in den Weltraum zu bringen verbraucht allerdings bereits eine Menge Treibstoff und ist somit ein eher kontraproduktiver Ansatz. Glücklicherweise ist Wasser im Weltall reichlich vorhanden und zudem auch weitaus kostengünstiger zu transportieren. Wasser kann leicht aus Tonmineralien extrahiert werden, die in den recht häufigen kohlenstoffhaltigen Asteroiden vorkommen. Ist das Wasser einmal von dem Mineral getrennt, kann es per Elektrolyse in Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt werden, den Hauptbestandteilen von Raketentreibstoff.

Die Nutzung von im Weltall produziertem Treibstoff würde die Kosten jeglicher raumfahrerischer Aktivität deutlich senken und könnte auf diese Weise den Nachfragezyklus für eine weltraumgestützte Versorgungs- und Transportkette in Gang setzen. Bevor das allerdings passieren kann, müssen wir zunächst Kunden finden, die den ganzen Prozess ins Rollen bringen.

Wer kauft Raketentreibstoff aus Asteroidenwasser? Ein möglicher Abnehmer könnte die Telekommunikationsindustrie sein, um Satelliten in den Orbit zu befördern. Noch vor einem Jahrzehnt wurden die meisten Satelliten mit einer zusätzlichen kleinen Raketenendstufe ausgestattet. Die eigentliche Rakete bringt den Satelliten zunächst in eine stark elliptische Umlaufbahn, deren Perigäum (der erdnächste Punkt) nur wenige hundert Kilometer über der Erde liegt, das Apogäum (der entfernteste Punkt) jedoch etwa 36.000 Kilometer höher. Sobald der Satellit das Apogäum erreicht, zündet die Endstufe und sorgt ab dort für eine kreisrunde Umlaufbahn, so dass der Satellit mit der Datenübertragung beginnen und Umsatz generieren kann. Die Kosten einer solchen Wegwerf-Endstufe sind allerdings sehr hoch.

„Der Bau weltraumgestützter Antennen könnte den im Verlauf des Jahrhunderts exponentiell steigenden Bedarf nach Daten decken.“


Heutzutage sind Satelliten mit einer leichten elektrischen Schubdüse ausgerüstet. Solche Steuerraketen sind billiger und effizienter, aber auch viel schwächer. Es dauert sechs bis zwölf Monate, bis der Satellit auf diese Weise die endgültige Umlaufbahn erreicht. Da Zeit bekanntlich Geld ist, kostet diese Verzögerung die Satellitenbetreiber wiederum hunderte Millionen Dollar durch entgangenen Umsatz.

Mit dem Asteroidenbergbau käme eine dritte Option auf den Tisch: Eine Bergbaufirma verkauft Wasser an ein Raumtransportunternehmen, das damit ein in der Umlaufbahn „geparktes“ Schleppfahrzeug betankt. Der Schlepper dockt an den gerade gestarteten Satelliten an und befördert ihn unverzüglich in seinen endgültigen Orbit, und zwar innerhalb eines Tages. Unseren Berechnungen zufolge sind die Kosten für diesen Service inklusive Kapitalrückfluss, Finanzierungskosten, Versicherung und Gewinnmarge für alle Beteiligten geringer als der entgangene Umsatz bei der derzeit üblichen Methode. Es gibt also einen Business Case.

An dieser Stelle könnten die nationalen Raumfahrtagenturen, wie etwa die NASA, ins Spiel kommen. Wenn sie weltraumbasierte Treibstoffdepots entwickelten, um die Kosten für die Erforschung von Mond und Mars zu reduzieren, und dabei kommerzielle Anbieter einbänden, würden sie den Kapitalbedarf und das finanzielle Risiko für die Bergbaubetreiber verringern. Auf diese Weise könnten die staatlichen Weltraumagenturen die private Weltraumindustrie schneller zum Erfolg führen. Ein durchaus legitimes Ziel, da die Steuerzahler davon stark profitieren.

Eine Infrastruktur für den Asteroidenbergbau könnte helfen, ein unmittelbar drohendes Ressourcenproblem zu lösen. In ein oder zwei Jahrzehnten wird das aktuelle auf Satelliten und Fiberglasoptik basierende Informationssystem nicht mehr mit dem Bedarf nach drahtlosen und Internetdaten mithalten können. Ich kenne keine andere Lösung als den Bau weltraumgestützter Antennen, denn nichts wächst derzeit schnell genug, um den im Verlauf des Jahrhunderts exponentiell steigenden Bedarf nach Daten zu decken. Solche Antennen sind jedoch für den Transport in die Umlaufbahn zu groß. Aus Asteroiden gewonnenes Metall wird also nicht auf der Erde verkauft werden, sondern im Weltraum bleiben, wo es wertvolle Daten in die digitalen Märkte überträgt.

„Die Verlagerung weiter Teile des Energiesektors in den Weltraum würde den Planeten von den Umwelteinflüssen der Energieerzeugung entlasten.“


Ähnlich kann man argumentieren, dass die Erzeugung von Solarenergie im Weltraum irgendwann in diesem Jahrhundert billiger sein wird als jegliche Form der Energieerzeugung auf der Erde. Die Energie könnte dann vielleicht per Mikrowellenstrahlung auf die Erde transportiert werden. Die Verlagerung weiter Teile des Energiesektors in den Weltraum würde den Planeten von den Umwelteinflüssen der Energieerzeugung entlasten – zusammen mit der gesamten dahinter stehenden Versorgungskette. Auch der Flächenverbrauch von Wind- und Solarenergie ist ja keineswegs unerheblich.

Energiegewinnung außerhalb der Erde könnte Schätzungen zufolge bis zum Jahr 2100 die industrielle Präsenz der Menschheit auf dem Planeten um ein Viertel reduzieren. Der exponentiell wachsende und besonders umweltschädliche „energetische Fußabdruck“ aufgrund der Herstellung und des Betriebs von Computern ist dabei sogar noch unberücksichtigt.

Bei keiner dieser Ideen geht es darum, Asteroidenmaterial auf die Erde zu bringen. Der wahre Wert des Weltraumbergbaus liegt in der Schaffung einer weltraumgestützten Industrie, die uns allen Vorteile bringt. Der wesentliche Import aus dem Weltall wird aus masselosen Photonen bestehen, die Daten und Energie transportieren. Unsere Regierungen sollten verinnerlichen, dass die Investition in den Weltraumbergbau eine sichere Investition in unsere Zukunft ist, die sich rechnet. Für die NASA und andere Raumfahrtorganisationen bedeutet sie ein Plus an Wissenschaft und Forschung sowie den Ausbau ihrer geopolitischen Bedeutung – zu geringeren Kosten als bei ihrer aktuellen Strategie. Die Rettung des Planeten und eine verbesserte Lebensqualität sind vielleicht nur Nebenwirkungen, die wir kostenlos dazu bekommen.

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