20.07.2017

Ich war ein Kinderarbeiter

Kommentar von David Zaruk

Titelbild

Foto: USDA via Flickr

Vor der Erfindung des Glyphosats war Kinderarbeit in der Landwirtschaft weit verbreitet. Dennoch versuchen Bio-Lobby und NGOs, ein Verbot des Herbizids zu erwirken.

Haben Sie sich je gefragt, warum Grundschulen im Juli und August ihre Pforten schließen? Vor nicht allzu langer Zeit wurden Kinder in diesen Monaten gebraucht, um bei der Arbeit auf Bauernhöfen und Äckern zu helfen – vor allem jäteten sie Unkraut. Bevor Herbizide entwickelt wurden, lastete diese zermürbende Arbeit häufig auf den schmalsten Schultern. Ich selbst wuchs auf einer Obst- und Gemüsewirtschaft im südlichen Ontario auf und war somit einer dieser Kinderarbeiter.

Meine Kindheitsfreunde nannten mich „Zebra“. Nicht nur wegen meines Nachnamens, sondern wegen der Streifen an den Seiten meines Oberkörpers. Mein Rücken war stark gebräunt, während meine Brust blass blieb. Die Streifen kamen vom Unkraut zupfen; vornübergebeugt und ohne Hemd. Ich litt kaum unter Rückenschmerzen (auch wenn ich heute einen schlechten Rücken habe), aber ich erinnere mich an die Hitze in den Tomaten- und Zwiebelbeeten (oft über 40°C) und an den Schmutz in meinen Poren.

Das Jäten war eine wahre Sisyphusarbeit. Sobald ich mit einem Beet fertig war, geriet das Unkraut auf einem anderen schon wieder außer Kontrolle. Dauernd musste ich die Blasen an meiner rechten Hand verbinden, um die Infektionen in Schach zu halten.

„Bis heute habe ich Angst vor Schildkröten.“

Außerdem habe ich bis heute Angst vor Schildkröten. Sie kamen den Bach hinauf, um in unserem Obstgarten Eier zu legen. Aber da ich mit nach unten gebeugtem Kopf arbeitete, bemerkte ich sie meistens erst, als ich praktisch schon auf ihnen stand. Einmal versuchte mein Bruder, einen Schnapper mit einer Hacke zu bewegen – die Schildkröte brach den Stiel komplett entzwei. Man stelle sich nur vor, was das Tier mit dem Arm eines Zwölfjährigen angerichtet hätte.

Für mich bedeutet die Zeit als Kinderarbeiter keine verlorene Jugend; ich verspüre keine Verbitterung. Sie machte mich zu dem Menschen, der ich heute bin. Ich weiß, wie es sich anfühlt, den Acker bei Sonnenaufgang zu betreten und in der Abenddämmerung mit wohliger Erschöpfung zurückzukehren. Ich kenne den Geruch der Felder; das Gefühl der Erde. Dinge, von denen die Anti-Agrar-Aktivisten in Brüssel nichts verstehen (obwohl sie doch sonst eine Antwort auf alles haben). Für meine Kinder wünsche ich mir trotzdem nicht, dass sie ihre Sommer so verbringen müssen – schon gar nicht, bis sie 21 sind.

Jeder Landwirt strebt danach, seine Arbeit so bequem wie möglich zu gestalten. Unkrautjäten ist nichts Bequemes. Es ist eine lästige Pflicht. Unerlässlich, um eine gute Ernte zu gewährleisten, aber kostenaufwendig und zeitraubend.

„Die Einführung von Herbiziden machte die Landwirtschaft einfacher, günstiger und produktiver.“

In den 1960ern machte die Einführung von Herbiziden die Landwirtschaft einfacher, günstiger und produktiver. Landwirte konnten das Unkraut für wenig Geld unter Kontrolle halten, ihre Gewinne erhöhen und es sich so erlauben, ihre Kinder die Sommerferien genießen zu lassen. Anhand der folgenden Diagramme wird ersichtlich, wie stark die Erträge während dieser revolutionären Phase in der amerikanischen Landwirtschaft gestiegen sind.

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Abbildung 1: Maisertrag pro Morgen Land in den USA, 1866 bis 2010. Quelle: US-Landwirtschaftsministerium.

Abbildung 1 zeigt die starke Zunahme beim Mais. Ähnliche Steigerungen traten bei einer Vielzahl von Feldfrüchten auf (siehe Abbildung 2, die die Entwicklung im Bundesstaat Wisconsin zeigt).

 

Abbildung 2: Dollarwert der Weizen-, Sojabohnen-, Hafer- und Maisernten im US-Bundesstaat Wisconsin, 1950-1999.

Herbizide machten den Ackerbauch einfacher und kinderfreundlicher. Obendrein wurde es möglich, mit viel weniger Land viel mehr zu produzieren. Doch bis heute wird die Rolle der Herbizide bei der Verbesserung der Lebensqualität, wirtschaftlichen Dynamik und Ernährungssicherheit immens unterschätzt.

„Nützliche Pestizide mit extrem geringer Toxizität sollen verboten werden – ohne jegliches Verständnis für die Konsequenzen.“

Als in den 1970er-Jahren Glyphosat – ein Herbizid mit besonders geringer Toxizität und hoher Effektivität – entwickelt wurde, hatten die Kinder bereits vergessen, warum die Sommerferien im Juli und August angesetzt waren. Herbizide waren so effektiv, dass Kalifornien die Benutzung kurzstieliger Hacken 1972 verbot – wegen der entsetzlichen Schmerzen und Leiden, die sie den Farmern bereitet hatten. Dank stetig verbesserter Technologien und der Einführung glyphosat-resistenter Samen gingen kalifornische Aufsichtsbehörden 2004 sogar so weit, das Jäten von Hand aufgrund der schweren Gesundheitsfolgen komplett zu untersagen. Lediglich die Bio-Landwirte wurden von der Regelung ausgenommen, da sie keine Herbizide verwendeten. Erfolgreich erstritten diese einflussreichen, aber recht unethischen Farmer das Recht, Kinder weiterhin Unkraut jäten zu lassen.

Seitdem verfolgt die Bio-Branche ein neues Ziel: das Verbot von Glyphosat – und letztlich auch aller anderen Herbizide. Das wäre allerdings nicht nur eine Katastrophe für die Umwelt, sondern auch ein soziales Desaster. Leonard Gianessi berechnete, dass man 55 Millionen Jugendliche zum Jäten anstellen müsste, um die heutigen US-Ernteerträge ohne Herbizide aufrechtzuerhalten. Aus eigener Erfahrung kann ich das leicht glauben 1. Das Problem daran ist: Es gibt in Amerika keine 55 Millionen Jugendlichen, sodass sich die Landwirte wohl noch jüngeres Personal suchen müssten. Nützliche Pestizide mit extrem geringer Toxizität sollen verboten werden – ohne jegliches Verständnis für die Konsequenzen.

Jedes Jahr findet im März die internationale Aktionswoche gegen Pestizide statt. Ich möchte den Förderern dieser Kampagne eine Frage stellen: Liebe Geschäftsführer von HEAL, PAN Europe und der Greenpeace EU Unit, würden Sie Ihre zwölfjährigen Kinder einen Sommer lang auf die Felder Südeuropas schicken, um Unkraut zu jäten?

„Würden Sie Ihre zwölfjährigen Kinder einen Sommer lang auf die Felder Südeuropas schicken, um Unkraut zu jäten?“

Meine Eltern trafen diese Entscheidung, weil sie keine andere Wahl hatten. Sie als NGO-Leiter haben jedoch die Wahl.

Es gibt drei mögliche Antworten auf meine Frage. Sie können…

  1. auf Worte Taten folgen lassen und Ihre Kinder für einen ungewöhnlichen Sommerurlaub anmelden;
  2. Ihre entsetzliche Kampagne gegen die moderne Landwirtschaft aufgeben und sich bei den Landwirten entschuldigen; oder
  3. zugeben, dass Sie Heuchler sind.

Ihre Antworten auf diesen Artikel werde ich gerne im vollem Umfang veröffentlichen. Irgendetwas sagt mir aber, dass Sie stillhalten und unsichtbar bleiben werden, wie die Schnappschildkröten auf der Farm meiner Eltern.

Update vom 12.04.2016: Die Köpfe von PAN, HEAL und Greenpeace EU Unit haben nicht geantwortet oder ihre Kinder für landwirtschaftliche Schwerstarbeit angeboten. Ich schätze, sie waren zu sehr mit ihrer idiotischen Anti-Glyphosat-Kampagne beschäftigt. Wer hätte das gedacht?

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