13.01.2025

Hysterie wegen eines Gesprächs

Von Sabine Beppler-Spahl

Titelbild

Foto: Daniel Oberhaus via Flickr / CC BY 2.0

Die hysterischen Reaktionen auf das Gespräch zwischen Elon Musk und Alice Weidel sprechen für einen zensorischen Geist.

Als „perfekten Coup“ bezeichnete die ARD das Gespräch zwischen Elon Musk und Alice Weidel am vergangenen Donnerstag:

Alles scheint in diesen Tagen für die offizielle Kür von Alice Weidel zur Kanzlerkandidatin perfekt zusammenzufallen […]. Das Gespräch mit Elon Musk, platziert direkt vor dem Parteitag: Große Aufmerksamkeit genau in dem Moment, in dem auf einem AfD-Parteitag erstmals eine Kanzlerkandidatin gekürt wird.

Die Aufmerksamkeit war allerdings vor allem der Hysterie geschuldet, die den Parteitag von Anfang an begleitete. Schon im Vorfeld meldete die US-Zeitung Politico, dass bis zu 150 Experten aus Brüssel und Sevilla prüfen würden, ob Musks Livestream gegen Gesetze verstoße und den Rechtsextremismus in Deutschland stärke. Die Experten seien weniger am Inhalt interessiert, hieß es, als daran, wie die Algorithmen das Gespräch an die über 100 Millionen X-Nutzer in der EU „pushen“.

Kaum war das Gespräch beendet, teilte eine Kohorte von Faktencheckern der Öffentlichkeit mit, was an dem Gespräch alles nicht stimmte. Einen Tag später kündigten  60 deutsche Universitäten und Forschungseinrichtungen ihren X-Rückzug an. Ebenso die Gewerkschaften Verdi und GEW sowie der Bundesgerichtshof. Die einstige Plattform Twitter sei zu einem Forum für „Demokratiefeindlichkeit und Desinformation“ geworden, hieß es in einer Erklärung der Gewerkschaften. Der gescheiterte deutsche Wirtschaftsminister und Kanzlerkandidat der Grünen, Robert Habeck – der nach längerer Abstinenz zu Wahlkampfzwecken gerade wieder auf X zurückgekehrt ist – forderte seinerseits von Musk „die Offenlegung der Algorithmen“, da diese der AfD einen „geldwerten Vorteil“ im Wahlkampf verschaffen könnten.

Unter normalen Umständen hätte ein Gespräch mit der Vorsitzenden einer Partei, die laut Umfragen von mehr als 20 Prozent der Wähler gewählt werden könnte, niemals so viel Aufregung hervorrufen dürfen. Wären die Journalisten ihrer Aufgabe nachgekommen, wäre das Gespräch am Donnerstagabend nur eines von vielen gewesen, in denen sich die Öffentlichkeit ein Bild von der Politikerin machen konnte, die den Anspruch erhebt, Bundeskanzlerin zu werden. Doch seit Jahren verfolgt die mediale und politische Elite die Strategie, die AfD und ihre Spitzenpolitiker möglichst aus der Öffentlichkeit herauszuhalten. Die Devise des „no-platforming“, also des Ausschlusses der Partei von öffentlichen Plattformen, bestimmt den Umgang des Establishments mit der AfD. Und weil Musk nun das Tabu gebrochen hat, die AfD-Vorsitzende in einem reichweitenstarken Medium ausführlich zu Wort kommen zu lassen, ist der Ärger groß.

„Die Veranstaltung richtete sich offensichtlich nicht an deutsche Wähler, sondern eher an ein globales Publikum.“

Die Unterstellung Habecks, die Partei habe möglicherweise einen „geldwerten Vorteil“ erlangt, ist angesichts dieser Realität geradezu unverschämt. Seit Jahren stehen die öffentlich-rechtlichen Medien, die jährlich mit neun Milliarden Euro an Gebührengeldern finanziert werden, in der Kritik. Die Aufmerksamkeit, die die AfD dort erhält, steht in keinem Verhältnis zu ihrem tatsächlichen Stimmenanteil bei Wahlen. So waren allein in den Talkshows von ARD und ZDF im vergangenen Jahr die Vertreter von CDU und Grünen stärker vertreten als es ihrem Anteil im Bundestag entspricht. Bei der AfD hingegen war das Verhältnis 2,6 Prozent (Talkshowauftritte) zu 10,4 Prozent (Stimmenanteil im Bundestag). Bei den Interviews in den Nachrichtensendern dürfte diese Diskrepanz noch deutlicher ausfallen. Als Anfang letzten Jahres Demonstrationen gegen rechts stattfanden, fiel auf, dass immer wieder scheinbar parteilose Bürger interviewt wurden, die tatsächlich Mitglieder von Bündnis 90/Die Grünen waren. 

Die Berichterstattung spiegelt die Vorlieben der Journalisten wider. Im Jahr 2020 erregte eine Umfrage unter ARD-Volontären Aufsehen. Von den Nachwuchsjournalisten gaben 92 Prozent an, bei einer anstehenden Wahl entweder die Grünen (57 Prozent), die Linke (23 Prozent) oder die SPD (12 Prozent) zu wählen. Wie wenig sich daran geändert hat, zeigt eine Langzeitstudie der TU Dortmund, deren Ergebnisse im Herbst letzten Jahres veröffentlicht wurden. Danach gaben 41 Prozent aller Journalisten an, den Grünen nahe zu stehen, während die AfD nicht einmal aufgeführt wurde.

Statt von einem Angriff auf die Demokratie zu sprechen, wäre es also richtiger, in Musks Gespräch mit Weidel eine Art Ausgleich für die oben beschriebenen Missverhältnisse zu sehen. Ein echter Ausgleich war das Gespräch, das zudem auf Englisch stattfand, allerdings nicht. Zum einen ist X hierzulande nicht besonders gut verankert. (Nach einer Schätzung sollen ca. elf Millionen Deutsche X nutzen). Zum anderen ging es Musk nicht darum, Weidel unter Druck zu setzen und die deutsche Öffentlichkeit zu informieren, wie es ein guter, professioneller Journalist getan hätte. Die Veranstaltung richtete sich offensichtlich nicht an deutsche Wähler, sondern eher an ein globales Publikum.

„Die Rufe nach einer stärkeren Kontrolle von Elon Musks X werden immer lauter. Dahinter steckt die Angst vor den Wählern.“

Wer das Gespräch verfolgte und sich neue Erkenntnisse für die bevorstehende Bundestagswahl erhoffte, wurde sicherlich enttäuscht: Weidel, die ohnehin keine besonders gute Rednerin ist, fiel durch häufiges Lachen, ausholende Antworten mit leeren Phrasen und kruden Aussagen auf. Auf die Frage von Musk, was sie zu dem Vorwurf sage, die AfD sei rechts oder faschistisch, antwortete sie, sie sei „liberal-konservativ“ und wolle den Staat weitgehend aus der Wirtschaft heraushalten, während Hitler Sozialist und Kommunist gewesen sei. Zum Thema Bildung meinte sie, in deutschen Schulen lernten die Kinder nur noch „Gender Studies“. Und als Musk sie fragte, ob sie das Existenzrecht Israels verteidigen würde, bejahte sie das, hatte aber ansonsten nichts zum Nahostkonflikt zu sagen. Zur Ukraine äußerte sie die Hoffnung, dass Trump den Krieg so schnell wie möglich beenden werde. „AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel scheitert im Gespräch mit dem X-Besitzer“, war das passende Urteil eines Kommentators der Berliner Zeitung.

Im Kern offenbarte das Gespräch die gravierenden analytischen Schwächen der AfD, deren Stärke nach wie vor die Unzulänglichkeiten der etablierten Parteien ist. Auch aus dem Umfeld der Partei selbst kam Kritik an dem Gespräch. Erik Ahrens, der die TikTok-Strategie der AfD mit aufgebaut hat, veröffentlichte ein Video mit dem Titel: „Weidel blamiert Deutschland“. Besonders kritisiert wurde die Charakterisierung der AfD als „libertär-konservativ“, die zwar Musk gefallen haben dürfte, aber nicht allen AfD-Mitgliedern. Weidel habe sich im Musk-Talk ein neues Schild umgehängt, schrieb der Focus. Für viele AfD-Unterstützer sei der Begriff „libertär“ gleichbedeutend mit „global-elitär“, wie der Focus-Kommentator Ulrich Reitz erklärt.

All das kümmert diejenigen, die in dem Gespräch einen weiteren Beweis für die Gefahr sehen, die Musk für die Demokratie darstelle, nicht. Dass es angeblich von 150 EU-Experten beobachtet wurde, sollte als ernste Warnung verstanden werden. Die Rufe nach einer stärkeren Kontrolle von Elon Musks X werden immer lauter. Dahinter steckt die Angst vor den Wählern, deren Möglichkeiten, sich umfassend zu informieren, immer weiter eingeschränkt werden sollen.

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