22.04.2022

Die hysterische Wut auf Elon Musk

Von Tom Slater

Titelbild

Foto: Daniel Oberhaus via Flickr / CC BY 2.0

Der Versuch des Multimilliardärs, Twitter zu übernehmen, zeigt, wie sehr die linksliberalen Eliten die Meinungsfreiheit fürchten.

„Wir stehen am Rande der Tyrannei... Elon Musk will Twitter kaufen.“ So in etwa lautete die Reaktion vieler Kommentatoren in den letzten Tagen, als der reichste Mann der Welt einen Übernahmeversuch des Social-Media-Riesen startete und als Hauptmotiv seine Besorgnis über dessen zensorische Politik angab.

Musk gab vorletzte Woche bekannt, dass er mit einem Anteil von 9,2 Prozent der größte Aktionär von Twitter geworden ist. Jetzt hat er angeboten, das gesamte Unternehmen für schlappe 43 Milliarden Dollar zu kaufen – ein schöner Aufschlag auf den tatsächlichen aktuellen Wert. Im Moment wehrt sich der Twitter-Vorstand dagegen, und Amerikas Gute und Erhabene drehen durch.

Max Boot von der Washington Post war schnell bei der Hand. „Ich bin erschrocken über die Auswirkungen auf Gesellschaft und Politik, wenn Elon Musk Twitter übernimmt“, twitterte der Journalist. „[Musk] scheint zu glauben, dass in den sozialen Medien alles erlaubt sein sollte. Damit die Demokratie überleben kann, brauchen wir mehr Inhaltsmoderation, nicht weniger.“

Ein noch debileres Beispiel: Robert Reich, ein Veteran der Clinton- und Obama-Regierungen, argumentierte im Wesentlichen, dass der Kauf von Twitter durch Musk uns auf die Überholspur zum Faschismus bringen würde. Musks Vision eines „unkontrollierten“ Internets sei „der Traum eines jeden Diktators, Machthabers, Demagogen und modernen Raubritters“.

„Inmitten all der überschäumenden Wut sehen wir, dass Zensur zu einem Kernbestandteil der Ideologie der linksliberalen Eliten geworden ist.“

Reich ist nicht als einziger ergriffen von der interessanten Idee, dass Diktatoren die freie Meinungsäußerung lieben und dass mehr davon im Internet das Dritte Reich zurückbringen wird. Jeff Jarvis, Journalismusprofessor an der New York University, formulierte folgende poetische Antwort auf Musks Kaufangebot: „Der heutige Tag auf Twitter fühlt sich an wie der letzte Abend in einem Berliner Nachtclub am Vorabend der Machtergreifung.“

Natürlich gibt es viele gute Gründe, dagegen zu sein, dass der reichste Mann der Welt einen Teil des zeitgenössischen öffentlichen Raums in Besitz nimmt. Wie Batya Ungar-Sargon vorletzte Woche auf Spiked argumentierte, sollten selbst echte Liberale sich unwohl fühlen, wenn das Schicksal der freien Meinungsäußerung im Internet allein davon abhängt, welcher Milliardär das Sagen hat. Es gibt auch Grund zur Annahme, dass Musk nicht der „Meinungsfreiheits-Absolutist“ ist, der er zu sein vorgibt.

Aber das ist es nicht, worüber Musks Kritiker besorgt sind. Sie haben im Gegenteil Angst, dass er es wirklich ernst meint – dass dies tatsächlich eine Art ethisches Unterfangen seinerseits ist, um Twitter von der Zensur zu befreien. Musk selbst drückte das letzte Woche auf einer TED-Konferenz in Vancouver so aus: „Twitter ist de facto zu einer Art zentralem Dorfplatz geworden, daher ist es wirklich wichtig, dass die Menschen sowohl die reale Möglichkeit als auch den Eindruck haben, dass sie im Rahmen des Gesetzes frei sprechen können.“ Das ist es, was seinen Kritikern das Blut in den Adern gefrieren lässt.

Inmitten all der überschäumenden Wut sehen wir, dass Zensur zu einem Kernbestandteil der Ideologie der linksliberalen Eliten geworden ist. Politiker, Think-Tanker und Kommentatoren haben sich in den Kopf gesetzt, dass die Bedrohung der Demokratie nicht von der Zensur ausgeht, sondern von einem Übermaß an Meinungsfreiheit – und dass der Staat, Big Tech und die Medienkonzerne alle ihren Teil zur Zensur und damit zum Schutz der Zivilisation beitragen müssen.

„Die größte Bedrohung für die Demokratie geht heute nicht von denen aus, die für die Meinungsfreiheit kämpfen, sondern von denen, die versuchen, die Zensur zu institutionalisieren.“

Dass dies das genaue Gegenteil von dem ist, wofür liberale Denker einst standen, scheint sie nicht zu stören. Sie verwenden Euphemismen wie „Inhaltsmoderation“ und „Bekämpfung von Fehlinformationen“, um die Unterdrückung ihrer politischen Gegner zu rechtfertigen. Diese Leute waren so verunsichert durch die Trump-Revolte – die sie auf Social-Media-Algorithmen und russische Bots schoben –, dass sie nun glauben, dass Zensur alles ist, was zwischen der amerikanischen Demokratie und dem Faschismus steht.

Das ist der Grund, warum vermeintliche Liberale und sogar Linke in den letzten Jahren bemerkenswert entspannt damit umgehen, dass Big Tech-Konzerne ihre beispiellose Macht zur Zensur nutzen – was in der dauerhaften Sperrung eines amtierenden amerikanischen Präsidenten und der Säuberung Tausender seiner Anhänger gipfelte. Es ist in der Tat bemerkenswert, dass so viele dieser Leute plötzlich entsetzt darüber sind, dass Milliardäre die sozialen Medien kontrollieren, jetzt, wo der betreffende Milliardär nicht mehr ganz so käuflich ist und sagt, dass er die Meinungsfreiheit unterstützt.

Die Vorstellung, dass freie Meinungsäußerung irgendwie im Widerspruch zur Demokratie steht, ist pervers. Beide gehen Hand in Hand. Und die größte Bedrohung für die Demokratie geht heute nicht von denen aus, die für die Meinungsfreiheit kämpfen, sondern von denen, die versuchen, die Zensur zu institutionalisieren. Der Laptop-Skandal um Hunter Biden ist ein Paradebeispiel dafür. Im Oktober 2020 unterdrückte Big Tech eine News Story, die den Demokraten im laufenden Wahlkampf schadete – eine Meldung der New York Post, die Twitter und Facebook damals als „Fehlinformation“ markierten, die aber inzwischen von anderen Medien bestätigt wurde. „Inhaltsmoderation“ bedeutet oft lediglich, dass Big Tech  in seinem Sinne die Gewichte verschiebt.

Elon Musk wird die Meinungsfreiheit im Netz nicht retten. Selbst wenn seine Absichten tatsächlich gut sind, geht das Ausmaß des Problems über eine einzelne Plattform hinaus. Und die freie Meinungsäußerung im Internet ist zu wichtig, um sich auf das Wohlwollen von Milliardären zu verlassen. Aber mit seinem Versuch, Twitter zu übernehmen, hat uns Elon Musk bereits einen großen Dienst erwiesen, indem er aufgezeigt hat, wie wichtig Zensur für Amerikas dauerhysterische Eliten geworden ist.

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