31.10.2024

Gestrichene und teurere Flüge

Von Niels Hipp

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Foto: hpgruesen via Pixabay / CC0

Mehrere Fluggesellschaften wollen seltener ab Deutschland fliegen. Zudem steigen durch deutsche und EU-Politik sukzessive die Preise. Werden sich immer weniger das Fliegen noch leisten können?

Leider wenig überraschend gab Ryanair kürzlich bekannt, ab dem Sommerflugplan 2025 keine Flüge mehr ab Dortmund, Dresden und Leipzig/Halle mehr anzubieten. in Hamburg und Berlin soll die Anzahl der Flüge deutlich gekürzt werde. Außerdem wollen Eurowings und Condor weniger ab Hamburg fliegen. Wie schon 2023 vorausgesagt: Fliegen wird nicht (primär) durch echte Verbote, sondern durch steigende Kosten unattraktiver. In der Folge sinkt nun die Zahl der Flüge ab Deutschland.

Welche Kosten gibt es? Der erste große Kostenblock ist die Luftverkehrssteuer, die für alle Abflüge ab Deutschland – nicht die Ankünfte – zu zahlen ist. Diese existiert auch in einigen anderen EU-Ländern wie Frankreich und den Niederlanden oder auch im Vereinigten Königreich, ist aber in Deutschland ziemlich hoch: Seit dem 1. Mai 2024 beträgt sie in Stufe 1 15,53 Euro. Diese gilt für Abflüge in den Rest Europas und die meisten Mittelmeeranrainerstaaten, wobei für innerdeutsche Flüge noch 19 Prozent Umsatzsteuer auf den Ticketpreis hinzukommen. Die zweite Stufe mit 39,34 Euro bezieht sich auf Flüge in die nördliche Hälfte Afrikas außer den Maghreb-Staaten und für Flüge nach Asien westlich von China und Indien. Die dritte Stufe mit 70,83 Euro ist für Abflüge in den Rest der Welt zu entrichten. Eingeführt wurde sie 2011 von – wen wundert es – der „Mutti aller Probleme“, der damaligen Bundeskanzlerin. Noch Anfang 2020 betrug die Luftverkehrssteuer – bei gleich definierten Stufen – 7,37 bzw. 23,01 bzw. 41,43 Euro bevor nach den massiven „Fridays for Future“-Demonstrationen 2019 eine erste Erhöhung stattfand – zum 01.04.2020, damals coronabedingt freilich weniger relevant. Nach dem Bundesverfassungsgerichtsurteil zum Haushalt Ende 2023 wurden die Sätze dann zum 01.05.2024 erneut erhöht.

Bei der Erhöhung der Luftverkehrssteuer bleibt es aber nicht: Zum 1. Januar 2025 steigt noch der maximale Gebührensatz für die Luftsicherheitskontrolle von 10 auf 15 Euro, wobei maximal eben bedeutet, dass nicht alle Flughäfen diesen Betrag erheben, die großen wie Frankfurt, München oder Düsseldorf in der Regel aber sehr wohl. An dieser Steigerung ist die Politik nicht nur durch die Anhebung des Satzes schuld, sondern auch durch die Einführung eines für allgemeinverbindlich erklärten Branchenmindestlohns für sogenannte Luftsicherheitskräfte, der mit 14,46 Euro brutto pro Stunde über dem allgemeinen Mindestlohn liegt. Dabei bedingt das eine das andere: Staatlich verursachte Personalkostensteigerungen bei den Luftsicherheitskräften führen zu staatlich verursachten höheren Kosten für die Fluggäste, da kein Fluggast ohne Kontrolle fliegen darf. Aber auch die Flugsicherungsgebühren sind deutlich gestiegen. All diese – durch die deutsche Politik verursachten – Kosten liegen momentan bei zusammen ca. 30 Euro für einen innereuropäischen Flug.

„Vielleicht liegt der Condor-Chef nicht falsch, wenn er mit einer Verdoppelung der Flugpreise in den nächsten 20 Jahren rechnet.“

Weitere Kostensteigerungen sind allerdings schon im Gang und kommen diesmal, wie so oft, von der EU. Seit 2024 wird die Anzahl der der Luftfahrt kostenfrei zugeteilten Emissionszertifikate seitens der EU reduziert, ab 2026 gibt es gar keine kostenlosen mehr, so dass diese bei einer Versteigerung zu erwerben sind. Mindestens genauso wichtig ist der Jahresanfang 2025: Ab dann muss dem Kerosin mindestens 2 Prozent sogenannter „Nachhaltiger Kraftstoff“ (SAF) beigemischt werden, wobei dieser Wert auf 20 Prozent im Jahr 2035 und sogar auf 70 Prozent im Jahr 2050 steigen soll. SAF ist mehrfach teurer als Kerosin; denn wenn SAF billiger wäre als Kerosin, dann hätte es sich längst am Markt durchgesetzt und seine Nutzung müsste nicht staatlich erzwungen werden.

Ob in Zukunft nennenswert sinkende SAF-Preise zu erwarten sind, sollte man angesichts der „Energiewende“ und den bereits gesammelten Erfahrungen mit Wasserstoff sehr bezweifeln. Aufhorchen lässt in diesem Kontext, dass die Lufthansa samt ihrer Tochtergesellschaften wie Eurowings, Austrian, Swiss und Brussels Airlines für alle Flüge ab EU-Flughäfen einen sogenannten Umweltzuschlag erheben wird und das vor allem mit SAF begründet. Wenn eine Betankungspflicht von nur 2 Prozent bereits eine Steigerung der Ticketpreise bedeutet, dann möchte man sich gar nicht vorstellen, wie teuer das Fliegen mit 70 Prozent Beimischung wird. Vielleicht liegt der Condor-Chef nicht falsch, wenn er mit einer Verdoppelung der Flugpreise in den nächsten 20 Jahren rechnet.

Die genannte Kombination aus Bundes- und EU-Vorgaben benachteiligt den Flugverkehr in Deutschland stärker als etwa in Italien oder Irland, wo ‚nur‘ die EU-Vorgaben gelten: So kostete ein innereuropäischer Flug (A320, 150 Passagiere) an staatlich verursachten Kosten ab Frankfurt zuletzt ca. 4400 Euro pro Flugzeug, ab Rom nur ca. 2200 Euro und in Dublin nicht einmal 300 Euro. Daher wurden im ersten Halbjahr 2024 nur 83 Prozent der Sitzplätze ab Deutschland verglichen mit dem ersten Halbjahr 2019 angeboten, was allerdings auch durch den dramatischen Rückgang der Inlandsflüge bedingt ist. Da die Gewinnmargen bei Billigfluggesellschaften nicht sehr hoch liegen und die Kundschaft zusätzlich noch preissensibel ist, die Ticketpreise also nicht beliebig zu erhöhen sind, weicht man dann auf andere EU-Flughäfen aus, die diese Kostennachteile nicht haben und wo Ryanair und Co. folglich (mehr) Geld verdienen können. So sind die von Ryanair & Co. beschlossenen Verlagerungen etwa nach Italien, Polen und Spanien zu erklären. Die Konsequenz ist, dass die Anzahl der Flüge reduziert wird und die Kundschaft teurere Flüge buchen oder häufiger umsteigen muss.

„Wir sind das Land mit den meisten Nachbarn in Europa. Daraus ergeben sich unterschiedlich gestaffelte Ausweichmöglichkeiten.“

Außerdem ist damit zu rechnen, dass bestimmte Verbindungen ab gewissen Flughäfen nur noch von einer Fluggesellschaft angeboten werden, was wiederum preistreibend wirkt. Die Reduzierung der Flüge ist dabei kein unbeabsichtigter Nebeneffekt, sondern politisch gewollt, wie sich auch aus dem Koalitionsvertrag der amtierenden Ampel-Regierung von 2021 ergibt, die Kurzstreckenflüge reduzieren will. Entsprechend begeistert haben etliche Mainstream-Medien auf die Streckenstreichungen reagiert, außerdem Bundesgesundheitsminister Lauterbach, der selbst an Inlandsflügen des Kanzlerflugzeugs zu Fußball-EM-Spielen in diesem Jahr teilgenommen hatte.

Einen wichtigen Punkt hat die Politik nicht bedacht: Sie kann zwar Fluggesellschaften wie Ryanair ins Ausland drängen, ob aber auch die Bewohner Deutschlands mitmachen oder ob sie selber dann die ausländischen Flughäfen nutzen, steht auf einem anderen Blatt. Dabei müsste die Politik, die das Ziel von weniger Flügen für die Bürger – nicht für sich selbst – verfolgt, zunächst einmal anerkennen, dass Deutschland nicht Australien ist: Wir sind das Land mit den meisten Nachbarn in Europa. Daraus ergeben sich unterschiedlich gestaffelte Ausweichmöglichkeiten, solange man die Grenzen nicht – wie zu Beginn der Corona-Politik 2020 – weitgehend schließt. Ausweichen lässt sich Länder, die nicht dieselbe politische Agenda in gleicher Intensität verfolgen. Das ist etwa bei Belgien oder Polen der Fall, da dort eine niedrigere (Belgien) oder gar keine (Polen) Luftverkehrssteuer erhoben wird und auch die sonstigen Gebühren niedriger liegen. Und es ist umso einfacher auszuweichen, je grenznäher man wohnt, von – sagen wir – Kassel aus lohnt sich das Ganze in der Regel nicht. Von Aachen aus z.B. würde sich der 140 Kilometer entfernte Flughafen Charleroi (Belgien) anbieten, von Frankfurt/Oder der 170 Kilometer entfernte Flughafen Posen (Polen). Diese Gedanken haben unsere Politiker bei den o.g. Steuer- und Gebührenerhöhungen womöglich nicht angestellt. Es handelt – wie bei der ganzen Klimapolitik – um gesinnungsethisches Vorgehen.

Interessant ist noch, dass Interkontinentalverbindungen kaum gestrichen werden, was sicherlich daran liegt, dass dabei die Luftverkehrssteuer – die zwar deutlich höher liegt –gegenüber den sonstigen Kosten, gerade denjenigen des Kerosins, weniger ins Gesicht fällt und außerdem die Kundschaft weniger preissensibel sein dürfte. Daher – so meine langjährige Beobachtung – sind Interkontinentalflüge ab Amsterdam, Paris oder Brüssel in der Regel nicht oder nur minimal günstiger als solche von Frankfurt, München oder Düsseldorf, so dass sich ein Ausweichen in aller Regel nicht lohnt. Natürlich kann es im Einzelfall interessante Flüge ab dem nahen europäischen Ausland geben, etwa Direktflüge von Brüssel nach Westafrika, aber das zählt ja nicht als Ersatz für Verbindungen, die man ansonsten von Deutschland aus angetreten hätte.

„Wird Fliegen – wie früher – wieder zum teuren Statussymbol?“

Wer jetzt Kurz- oder Mittelstrecke fliegen will und grenznah wohnt – etwa im Raum Aachen –, der wird bemerken, dass das Ausweichen einen Nachteil mit sich bringt. Wenn man ein Auto hat, dann muss man neben den Kosten für Kraftstoff noch den Parkplatz in Flughafennähe bezahlen. Wenn man keins hat bzw. es zur Fahrt zum ausländischen Flughafen nicht nutzen will, dann wäre für den öffentlichen Personenverkehr Rail&Fly von Nutzen. Mit Rail&Fly kann man – gegen einen nicht so hohen Aufpreis zum Flugticket – mit allen DB-Verkehrsmitteln, also auch dem ICE, und zwar ohne Zugbindung, von jedem deutschen Bahnhof zu deutschen (und im Einzelfall auch ausländischen) Flughäfen fahren, wobei Rail&Fly nicht innerhalb von Verkehrsverbünden gilt, was spätestens seit dem Deutschland-Ticket ohnehin unsinnig ist. Man kauft es nicht bei der DB, sondern bei der Fluggesellschaft bzw. dem Reiseveranstalter. Allerdings stellt man schnell fest, dass es meistens – etwa bei Lufthansa oder Condor – kein Rail&Fly zu nichtdeutschen Flughäfen (außer teilweise nach Basel oder Salzburg) gibt, Ausnahmen wären etwa Amsterdam Schiphol z.B. bei der Fluggesellschaft SunExpress, nicht aber bei KLM, oder Zürich etwa beim Reiseveranstalter Schauinsland Reisen, nicht aber bei Swiss.

Warum gibt es Rail&Fly nur punktuell in andere Länder, so dass man etwa von NRW zu den Flughäfen in Brüssel oder gar Paris fahren könnten, wohingegen es Bahnkooperationen zwischen DB und SNCB (Belgien) oder SNCF (Frankreich) schon lange gibt und sie momentan noch ausgebaut werden. Ich befürchte, dass das Ganze zumindest auch folgenden Grund hat: Viele Regierungen, die deutsche insbesondere, wollen Fliegen erschweren. Wenn man dann günstig mit Rail&Fly nach Paris oder Brüssel fahren könnte, dann würde dies konterkariert. Man kann das Ausweichverhalten zwar nicht verhindern, man will auch Rail&Fly nicht verbieten, man möchte es allerdings auch nicht grenzüberschreitend fördern.

Wird Fliegen – wie früher – wieder zum teuren Statussymbol? Was sagen eigentlich Lobbyorganisationen wie der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft dazu, dass die Mobilität für die breite Bevölkerung weniger erschwinglich wird? Diese nennen zwar durchaus richtige Kritikpunkte wie die hohe Belastung durch Steuern und Abgaben, sind aber – ähnlich wie die Automobilindustrie – zu mutlos, den entscheidenden Punkt zu nennen: Sie müssten fordern, dass das ideologische Projekt der „Klimaneutralität“ umgehend einzustellen ist.
 

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