15.12.2017

Gegen den Bitcoin-Hype

Von Tom Bailey

Titelbild

Foto: Marco Verch via Flickr / CC BY 2.0

Mit der Kryptowährung lässt sich schnell Geld verdienen. Ein Ersatz für herkömmliche Zahlungsmittel ist sie jedoch nicht.

Die Kryptowährung Bitcoin ist mal wieder in aller Munde. Auslöser des Medienrummels waren diesmal extreme Wertschwankungen. Vorletzte Woche stieg der Wert der digitalen Währung auf über 11.000 US-Dollar pro „Münze“ – nur um wenig später auf 9000 Dollar zu fallen und dann wieder auf 10.000 Dollar anzusteigen. Solche Schwankungen verdeutlichen die extreme Volatilität der Kryptowährung. Die Saga ist noch lange nicht zu Ende. Der Bitcoin-Wert ist weiter gestiegen, zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Textes erreichte er einen neuen Rekord von über 16.000 Dollar.

Die Börse Chicago Board Options Exchange hat vor wenigen Tagen Bitcoin-Termingeschäfte zugelassen. Am 18. Dezember wird die Chicago Mercantile Exchange folgen. Auch der Finanzdienstleister City Index erlaubt nun Bitcoin-Geschäfte. Vermögensverwalter werden von ihren Klienten gefragt, warum sie nicht in Bitcoin investieren. Der Wettlauf um institutionelle Anlagen hat begonnen.

Diese Entwicklungen verleihen der digitalen Währung eine neue Vertrauenswürdigkeit. Einst als Währung der Terroristen und Drogendealer verspottet, scheinen Bitcoins nun in der Mitte der Gesellschaft angekommen zu sein. Aber dieser Statusgewinn wäre nur bedeutsam, wenn der Zweck von Bitcoins wäre, als spekulative Finanzanlage zu dienen. Dies ist jedoch nicht der Fall.

„Beim gegenwärtigen Hype geht es nicht um das Potential von Bitcoin, als Alternativwährung zu fungieren.“

Die digitale Währung wurde als Alternative zur existierenden Form des Geldes geschaffen. Doch beim gegenwärtigen Hype geht es nicht um das Potential von Bitcoin, als praktische Alternativwährung zu fungieren. Wenn überhaupt hat das jüngste Interesse die Chancen geschmälert, dass der Bitcoin jemals eine echte Währung wird – der ursprüngliche Traum seines Schöpfers und früher Anhänger.

Der Bitcoin entstand 2009. Sein Erfinder, bekannt unter dem Pseudonym Satoshi Nakamoto (seine Identität bleibt bis heute unbekannt), schuf ihn als Alternative zu „Fiatwährungen“, die von Zentralbanken kontrolliert werden. In einem Essay erklärte er 2009 seine Motivation:

„Das Grundproblem herkömmlicher Währungen ist der Aspekt des Vertrauens. Die Menschen müssen darauf vertrauen, dass die Zentralbank die Währung nicht abwerten wird. Doch in der Geschichte des Fiatgeldes wurde dieses Vertrauen immer wieder gebrochen. Banken werden damit betraut, unser Geld aufzubewahren und elektronische Übermittlungen durchzuführen. Doch sie schaffen mit unserem Geld immer wieder Kreditblasen und behalten dabei kaum Sicherheiten zurück. Banken verwalten unsere persönlichen Daten. Wir müssen blind darauf vertrauen, dass sie unsere Konten vor Identitätsdiebstahl schützen. Die immensen Fixkosten der Banken machen jedoch kleinere Transaktionen unmöglich.“

„Eine verbreitete Nutzung von Bitcoins würde das Wirtschaftswachstum hemmen.“

Jedem, der sich ein wenig mit der rechtslibertären Szene in den USA auskennt – mit ihrem Beharren auf dem Goldstandard und ihrer Überzeugung, dass Fiatgeld die Wirtschaft zu Grunde richten wird – wird diese Haltung bekannt vorkommen. Satoshi und andere Kryptowährungsfans fürchten eine Abwertung ungedeckter Währungen durch das Mindestreserve-System oder die lockere Geldpolitik. Inflation ist für sie eine Verschwörung von Zentralbanken, um dem Volk sein Vermögen zu nehmen.

Um dem entgegenzuwirken, ist die Menge der Bitcoins auf 21 Millionen beschränkt. Diese algorithmische Knappheit imitiert die natürliche Knappheit des Goldes. Des Weiteren verbergen sich die Bitcoin-Nutzer hinter Pseudonymen. So wird die staatliche Verfolgung von Transaktionen erschwert. Überweisungen werden mittels der sogenannten Blockchain-Technologie getätigt. Die Blockchain ist ein Peer-to-Peer System, in dem „Miners“ (für gewöhnlich Nerds mit enorm leistungsfähigen Rechnern) darum wetteifern, die meisten Transaktionen zu registrieren. Dies bedeutet, dass keine Regierung dazu in der Lage ist, in Bitcoin angelegtes Vermögen zu beschlagnahmen. Natürlich ist Bitcoin nicht dasselbe wie eine goldgedeckte Währung. Trotzdem hat er sich als eine Art digitaler Rohstoff etabliert.

Das Problem bei dem Ganzen sind die deflationären Tendenzen. Eine verbreitete Nutzung von Bitcoins würde das Wirtschaftswachstum hemmen. Wenn der relative Wert einer Währung konstant steigt, sinkt der Anreiz, das Geld auszugeben. Wenn du dir nächste Woche mehr von deinem Geld kaufen könntest, warum nicht den Kauf hinauszögern? Außerdem erstickt eine deflationäre Währung den Kapitalfluss für Investitionen. Wenn der Wert des Vermögens allein schon dadurch steigt, dass es auf der Bank liegt (oder im Bitcoin Wallet), gibt es wenig Grund, Investitionen zu tätigen.

„Die hohen Transaktionskosten machen kleine Zahlungen mittlerweile unrentabel.“

Zum Glück ist es sehr unwahrscheinlich, dass sich Bitcoin als Währung durchsetzt. In Zukunft wird er wohl wenig mehr als eine spekulative Anlage bleiben. Das liegt vor allem daran, dass die Transaktionen nicht mehr günstig sind, wie es ursprünglich gedacht war. Bitcoin-Miner priorisieren Transaktionen nach der damit verbundenen Gebühr. Je populärer Bitcoin wurde, desto mehr wurden kleinere Überweisungen ignoriert oder verzögert (die hohen Transaktionskosten machen kleine Zahlungen mittlerweile unrentabel).

Hinzu kommt, dass die dezentrale Struktur der Kryptowährung anfällig für Abspaltungen ist. Bitcoin hat keine zentrale Autorität, die Entscheidungen trifft – Bitcoin-Miner besitzen kein Stimmrecht. Streitigkeiten können zur Entstehung komplett neuer Währungen führen. Die bekannteste unter den bisherigen Abspaltungen war Bitcoin Cash; dieses Prinzip wird sich immer wieder wiederholen.

Die Leute werden auf absehbare Zeit weiter in Bitcoin investieren. Nicht weil sie glauben, dass Bitcoin das Zeug zur Währung hat, sondern weil sie so ein bisschen Geld verdienen können – innerhalb des Finanzsystems wohlgemerkt, das Satoshi und Co zerstören wollten.

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