29.09.2017

Was beim Bargeld auf dem Spiel steht

Von Stephan Gemke

Titelbild

Foto: AKuptsova via Pixabay / CC0

Bargeld bleibt notwendig. Seine Abschaffung brächte massive Nachteile für Bürger und Händler mit sich

Bislang war mein Eindruck von der gesellschaftlichen Entwicklung in den letzten Jahren, dass wir uns aus Korsetts befreien mochten, statt uns in eines hineinzuzwängen. Dass wir nach immer mehr Wahlmöglichkeiten strebten, statt nach Alternativlosigkeiten.

Doch so wahr dies in Bezug auf viele verschiedene Aspekte ist, so gegenteilig stellt sich die Situation mit unserem Geld dar – ausgerechnet beim Geld geben wir uns der propagierten Bequemlichkeit und Sicherheit (was beides schöner klingt als Alternativlosigkeit und dennoch auf dasselbe hinausläuft) hin, die schon nah an eine Entmündigung reicht, wenn man die manipulativen und restriktiven Folgen bedenkt, die sich aus einem rein elektronischen Zahlungsverkehr und dessen Daten ergeben. Und so stelle ich mir, als ein progressiv denkender Digital Native, die Frage, was wir durch eine Abschaffung des Bargeldes verlieren könnten, die weltweit in vielerlei Form und in Deutschland konkret durch den angestrebten Einzug des 500-Euro-Scheins und das geplante Verbot, Produkte und Dienstleistungen über 5000 Euro bar zu bezahlen, beginnt.

Die Wahlmöglichkeit

Jahrhundertelang gab es quasi nur eine Möglichkeit des Bezahlens: Das Bargeld. Mit den Schuldverschreibungen und dann viel später mit weiteren Formen unbaren Geldes, also z.B. dem Geldverkehr mittels Überweisungsträger oder Kredit- und EC-Karten, vermehrten sich unsere Möglichkeiten, wie wir bezahlen, woher wir unser Geld erhalten und wo wir es aufbewahren können, fortlaufend.

„Wo die Bargeldversorgung des Handels entfällt, entsteht eine andere Infrastruktur, die bezahlt werden muss.“

Diese Vielfalt war, ist und bleibt auch heute noch sinnvoll, da in manchen Situationen das Barzahlen am praktischsten ist, und in manchen Situationen eine Kontoüberweisung und in wieder anderen Situationen eine Kreditaufnahme (z.B. per Kreditkarte). Sich nun ganz dem elektronischen Geld preiszugeben (egal, in welcher Ausgestaltung, ob Mobile-Payment oder Online-Banking o.Ä.) beraubt uns dieser Vielfalt und wirft uns im wahrsten Sinne des Wortes um Jahrhunderte zurück, als es nur eine Bezahlform gab und die Abhängigkeit groß war. Forderungen, das Bargeld durch unbares Geld zu ersetzen, statt die beiderseitige Ergänzung beizubehalten, sind absurd, weil unbares Geld das Bargeld nicht eins zu eins und mit allen Vorteilen ersetzen kann.

Der ideelle Wert

Mit dem Attribut „jahrhundertealt“ kristallisieren sich zudem die historische Bedeutung des Bargeldes und seine schöpferische Wirkung auf unsere Kultur heraus. Sein ideeller und identitätsstiftender Wert zeigt sich unter anderem in den Prägungen und Motiven auf den Münzen und Scheinen oder in Redewendungen und Verhaltensweisen (etwa: „Wer den Pfennig nicht ehrt, ist des Talers nicht wert“). Mit der Bargeldabschaffung würde man sich für die Zukunft dieses Ursprungs entledigen.

Die Kostenvorteile

Die Kritiker des Bargeldes argumentieren gerne mit den hohen Kosten, die das Bargeld verursache. Abgesehen davon, dass „teuer“ ein rein subjektives Empfinden ist, lässt sich fragen, ob eine Gesellschaft sich diese Kosten nicht angesichts der Vorteile des Bargeldes aufbürden sollte, ja sogar müsste. Und überall dort, wo die Bargeldversorgung des Handels entfällt, entsteht eine andere Infrastruktur, die bezahlt werden muss. Statt der Kosten für die Bereitstellung des Bargeldes fallen dann Kosten für die Bereitstellung und Wartung der technischen Applikationen sowie Transaktionsgebühren an.

Und während die Geldkassette eines Standbetreibers auf dem Flohmarkt keine Transaktionsgebühren nimmt, erfordern dies alle Mobile-Payment-Point-of-Sale-Verfahren, wie z.B. SumUp, Square oder iZettle. Es kann sich zwar für Taxifahrer, Gastronomen und Einzelhändler rechnen, wenn sie statt Geldkassette oder Kassensystemen lediglich die Smartphone- und Tablet-Apps der oben genannten Startups benutzen, aber das muss es nicht. Gleiches gilt auch für das Bezahlen mit Karte, denn auch hier fallen Transaktionskosten für den Händler oder den Gastronomen an. Diese Transaktionskosten sind auch der Grund, weswegen an Imbissbuden, beim Bäcker oder an Raststätten erst ab einem Mindestbetrag von z.B. 10 Euro elektronisch bezahlt werden kann. Sonst ginge unverhältnismäßig viel an Umsatz verloren. Für Kleinstbeträge gibt es offensichtlich keine bessere Bezahlweise als Kleingeld.

„Bargeld ist weder von Strom noch von einer Internetverbindung abhängig.“

Dort, wo man mit Bargeld gar nicht mehr bezahlen kann, also in der digitalen Welt, sieht man bereits ein fortschreitendes Übergreifen solcher transaktionsbasierten Geschäftsmodelle. Es ist durchaus üblich, dass Anbieter von Online-Shops nicht mehr nur einen Fixpreis oder eine monatliche Gebühr für die Nutzung der Software verlangen, sondern stattdessen lieber ein Stück von den getätigten Transaktionen abhaben wollen. Das wäre so, als wenn der Vermieter statt der (oder gar zuzüglich zur) Miete für die Geschäftsräume noch täglich in die Kasse länge. Will man das wirklich? Rechnet sich das wirklich für den Geschäftsmann? Offline hat man dank des Bargeldes und der Geldkassette wenigstens noch eine Möglichkeit, sich dem Griff in die Kasse sowie dem Gebührendickicht der Zahlungsanbieter zu entziehen. Wer sein Geschäft online und mobil betreibt, kann dies nicht.

Die Einfachheit

Manche Personen stören sich bereits am bloßen Gewicht der Münzen, ganz zu schweigen davon, dass ein dickes Portemonnaie die Handtasche der Frau erschwert oder dem Mann das Sitzen mit ausgebeulter Gesäßtasche nicht gerade erleichtert. Zudem können Münzen und Scheine vergleichsweise leicht verschwinden, verdrecken oder zerreißen. Ganz schlimm ist es natürlich, dass man einen Geldbetrag immer erst zusammensuchen muss, bevor man ihn bezahlen kann. Und wenn dann der Kassierer selbiges für das Wechselgeld machen muss, reißt so manchem direkt der Geduldsfaden. Apropos verdreckt: Forschungsergebnissen zufolge sind Geldscheine wahre Drecksschleudern und voll von Bakterien.

Doch sind diese Erschwernisse rein bargeldbezogen? Denn bezahlt man mit Karte, vollzieht sich die Transaktion auch nicht unmittelbar, sondern tritt mit einigen Sekunden Verspätung ein. Und Geduldsfäden reißen erst recht, wenn etwas mit der Karte nicht stimmt und man keinen Ersatz hat. Dann ist ein Stau an der Kasse vorprogrammiert. Und wehe, der Akku des Smartphones neigt sich dem Ende zu oder die Verbindung zum Bezahlterminal lässt sich nicht aufbauen...

Bargeld hingegen ist weder von Strom noch von einer Internetverbindung oder sonstiger für den elektronischen Zahlungsverkehr notwendiger Technik abhängig. Wie unangenehm das ist, wenn die Technik mal versagt, erlebten im letzten Jahr die Eidgenossen. Im Juni 2016 war der von der SIX gemanagte elektronische Zahlungsverkehr erheblich gestört und viele Schweizer konnten in Einkaufsläden und Restaurant plötzlich nicht mehr mit Karte zahlen.

„Die Bezahlung mit dem Handy scheitert vielfach an den Insellösungen.“

Bargeld jedoch behält immerzu seine Zahlungsfunktion und ermöglicht jedem einen unmittelbaren Überblick über seine Finanzen. Auch braucht es keine PINs oder sonstige Kennungen und Identitätsnachweise. Und was die Bakterien angeht: Die finden sich auf allem, was vom Menschen angefasst werden kann. Also auch auf den Handybildschirmen und auf den Tasten der Kartenterminals.

Wenig verwunderlich, ja geradezu selbstverständlich, dass die Verbraucher die Nutzung von Bargeld als einfach (im Sinne von nicht erklärungsbedürftig oder einer Einarbeitung bedürfend) empfinden, ganz im Gegensatz zu den Verfahrensweisen bargeld- und kontaktlosen Bezahlens. Dies hängt auch mit der geringen Verbreitung von einheitlichen Mobile-Payment-Verfahren und Bezahlmöglichkeiten im Alltag zusammen. Der Ein- bzw. Umstieg auf die Bezahlung mit dem Handy scheitert vielfach an den Insellösungen. Statt eines einheitlichen Systems kocht jeder sein eigenes Süppchen mit unterschiedlichen Apps.

Passend dazu fasst der Branchenverband Bitkomdie Ergebnisse einer Studie aus 2016 mit der Überschrift „Bezahlen mit dem Smartphone funktioniert, aber kaum jemand weiß wie“ zusammen. Zwar erleichtert der elektronische Zahlungsverkehr eine Vielzahl von Transaktionen in dünnbesiedelten Ländern, wo die nächsten Bankomaten und Bankfilialen weit entfernt sind. Skandinavische und afrikanische Länder gehören dazu.

„Insbesondere Senioren sowie Kleinunternehmen und Einzelhändler sehen sich dem Eigeninteresse der Banken hilflos ausgeliefert.“

Bekanntes Beispiel ist Schweden. Dieses erste europäische Land, das Banknoten einführte, ist heutzutage zu einem Großteil bargeldlos geworden. Im Einzelhandel, der Gastronomie, den Banken und auch in den Kirchen finden sich dort die berüchtigten vier Wörter „Vi hanterar ej kontanter“ (dt: „Wir akzeptieren kein Bargeld“). Aus Schweden, das auf IT-bezogenen Feldern immer schon eine Vorreiterrolle hatte, kommen mit iZettle und Swish zudem zwei der frühesten und größten FinTech-Startups Europas. Sowohl auf diese Unternehmen als auch auf den schwedischen Markt insgesamt beziehen sich deutschsprachige und andere Startups, die dieselbe Mobile-Payment-Revolution im Rest von Europa etablieren wollen.

In Schweden äußert sich nun nach Jahren des fortschreitenden Mobilbezahlens entsprechender Unmut. Insbesondere Senioren sowie Kleinunternehmen und Einzelhändler fühlen sich durch die Abmontierung und Stilllegung mehrerer tausend Bankautomaten benachteiligt und sehen sich dem Eigeninteresse der schwedischen Banken hilflos ausgeliefert. Obwohl weiterhin nur das Bargeld gesetzliches Zahlungsmittel in Schweden ist, kann man damit immer weniger bezahlen. Die älteren Bürger und jene, die nicht sonderlich technikbewandert sind, werden somit ausgegrenzt oder müssen bei der Abhebung und Einzahlung hohe Gebühren für ihre Bargeldnutzung zahlen. Dies trifft auch die Einzelhändler und Handwerksbetriebe, die das verbliebene Bargeld annehmen müssen, um es dann gegen hohe Gebühren auf ihr Konto einzuzahlen.

Währenddessen, etwas weiter südlich, plant die dänische Regierung, den Annahmezwang von Bargeld aufzuweichen und ihn nur noch für große Supermärkte, Krankenhäuser und Pflegeheime sowie Ärzte und Apotheker zu belassen. Und das, obwohl auch dort nur Bargeld gesetzliches Zahlungsmittel ist.

Anonymität und Sicherheit

Gerne argumentieren Befürworter digitaler Zahlungssysteme mit dem Kampf gegen Kriminalität (z.B. Bankraub, Geldwäsche, Steuerhinterziehung, Schwarzarbeit, manipulierte Kassen etc.). Doch das Bargeld allein ist daran nicht schuld – schon gar nicht seine Anonymitätsfunktion, weil die auch für legale Handlungen (z.B. dem Bordellbesuch) oder für mitunter sehr wichtige und höchst individuelle Handlungen (z.B. Abtreibungen in Ländern, in denen dies verboten ist) nützlich ist. Lediglich in Verbindung mit der kriminellen Energie seiner Nutzer bei einer gleichzeitig unzureichenden Gesetzgebung und Handhabung der Strafverfolgungsbehörden kann Bargeld kriminelle Handlungen begünstigen.

„Wer kriminell sein will, der geht mit der Digitalisierung goldenen Zeiten entgegen.“

Um diese viele milliardenschwere Kriminalität zu bekämpfen, die es ja zweifellos gibt, empfehlen sich zunächst einmal schärfere Gesetze (z.B. zum Vermögensnachweis oder die verpflichtende Bestellung von Geldwäschebeauftragten im Handel und in der Beratung bei Luxus-Gütern) sowie ein intensiverer Datenaustausch zwischen und mit den in- und ausländischen Behörden. Und sobald dies erfolgt ist, empfiehlt sich die schlichte Akzeptanz, dass kriminelle Energie immer einen Weg findet, unentdeckt zu bleiben. Da hilft auch kein Bargeldverbot.

Schließlich ist Anonymität ebenso ein gängiges Merkmal digitaler Währungen, wie z.B. Bitcoin. Hierzu stellte Jörg Ziercke, damaliger Präsident des Bundeskriminalamtes, fest: „Die relative Anonymität dieser Währung vereinfacht Geldwäsche und verringert gleichzeitig das Entdeckungsrisiko.“ Aufgrund dieser Anonymität fordern Hacker in ihren regelmäßigen Lösegelderpressungen die geschädigten Webseitenbetreiber und Computernutzer auf, mit Bitcoins zu bezahlen. Nicht unerwähnt möchte ich die Tatsache lassen, dass zudem so ziemlich jede große Bank der Welt in Geldwäscheskandale verwickelt war. In einer unbaren Welt, die den Banken nahezu unendliche Macht verleiht, kann man es für äußerst unwahrscheinlich halten, dass diese sich nicht weiter als Helfer für Kriminelle anbieten.

Und wer kriminell sein will, der geht mit der Digitalisierung gar goldenen Zeiten entgegen. Davon zeugen die seit einigen Jahren stark ansteigende Fallzahlen bei Cyberkriminalität und die Berichterstattung darüber. Allein in 2016 gab es bislang zwei Vorfälle von herausragender Bedeutung: Einmal beim Zahlungssystem Swift und dem Millionendollar-Raub in der Zentralbank Bangladeschs, ein anderes Mal beim Raub von 50 Millionen US-Dollar beim Blockchain-Startup DAO. Ebenso ist das weltweite Betrugsvolumen bei Kreditkarten pro Jahr, trotz verbesserter Sicherheitsmechanismen, weiterhin hoch zehn- bis elfstellig. Allein im europäischen SEPA-Verbund gab es 2013 Betrüge in Höhe von 1,44 Milliarden Euro, und für Deutschland weist die Kriminalitätsstatistik in 2014 26.000 Fälle aus.

„Digitale Bezahlformen die mit Abstand gefährdetsten und gefährlichsten Verfahren.“

In diesem Lichte erscheint der Schaden, der durch Falschgeld oder durch die Erbeutung von Bargeld entsteht, wesentlich kleiner, seltener und – glücklicherweise – schwieriger. Dies mag an der Eigenverantwortlichkeit liegen, da man ja selbst Träger seines Portemonnaies ist und entsprechend achtsam agiert. Zudem braucht es deutlich mehr Aufwand und Versuche, um ein Portemonnaie zu stehlen, als mit einigen Klicks und dank umfangreicher Datensätze das Guthaben auf Online-Konten. Vor allem aber ist es die Zweiteilung, die uns vor größeren Schäden bewahrt: Den einen Teil unseres Geldes haben wir im Portemonnaie, den anderen auf dem Konto und Diebe haben nie den Zugriff auf beides.

Wenig verwunderlich, dass die Skepsis gegenüber rein bargeld- und kontaktlosen Bezahlformen hinsichtlich Datenmissbrauch, Identitätsdiebstahl und weiteren Arten von Cyberkriminalität in Deutschland groß ist. Es ist doch ein Wahnsinn, eine erhöhte Nutzung digitaler Bezahlformen zu fordern, wenn dies die mit Abstand gefährdetsten und gefährlichsten Verfahren sind.

Unabhängigkeit von Banken und positive Zinssätze

Von einer bargeldlosen Welt profitiert am meisten die Finanzwirtschaft. Sämtliche Unternehmen des Finanzsektors, ganz gleich ob die Banken und Sparkassen, Kreditkartenunternehmen, Kreditvergabeplattformen, Zahlungsabwickler und angeschlossene Unternehmen der Peripherie (z.B. Prüfungsunternehmen, Gerätehersteller, etc.), profitieren enorm durch den digitalisierten Zahlungsverkehr.

Da ihnen durch das Verschwinden des Bargeldes der schärfste Konkurrent fehlen würde, müssten sie in Krisenzeiten keine Banken-Runs mehr fürchten und könnten beliebig die Preise für z.B. die Kontobereitstellung, Überweisungen und anderen Service erhöhen. Oligarchie- oder monopolartige Marktstrukturen wären die Folge. Nebst Preissteigerungen wären dann auch flächendeckend eingeführte negative Zinssätze ein probates Mittel, um alle Sparer zu schröpfen: Unternehmen wie Privatpersonen und unabhängig von ihren finanziellen Verhältnissen. Statt das ersparte Kapital mit Zins- und Zinseszinsen zu vermehren, würde es sich in Folge der Negativzinsen verringern (was teilweise in Deutschland schon passiert). Es alternativ zu horten, ginge nicht mehr, da ja alles elektronisch wäre. Die sogenannte Nullzinsgrenze wäre passé und An- bzw. Einleger wären aufgrund der durch die negativen Zinsen beginnenden Enteignung veranlasst, Geld nicht mehr zu sparen, sondern immerzu auszugeben.

„Bargeld ist das einzige Geld, das die Banken nicht verleihen können.“

Der Einwand, dass sich durch diese Alternativlosigkeit die Einlagen der Banken erhöhen und so für mehr Stabilität im Finanzwesen sorgen, ist töricht. Viel wahrscheinlicher, und das lehrt uns die mehrere jahrhundertalte Vergangenheit des Finanzsystems, ist eine erhöhte Kreditvergabe, da sich mittels Giralgeld Geld aus dem Nichts schöpfen lässt. Man wird geradezu eingeladen, immer und immer mehr Schulden zu machen. Und dieses produziert Blasenbildung, Übertreibungen und Zusammenbrüche. Der renommierte Wirtschaftshistoriker und Volkswirt Moritz Schularick belegt in seiner Studie, dass es vor allem die Kreditvergabe sei, die Finanzkrisen induziere, und dass selbst hohe Eigenkapitalquoten von Banken dies nicht verhindern könnten. Ebenso wusste schon John Maynard Keynes, dass Banken theoretisch unendlich viel Geld erschaffen könnten, wenn es kein Bargeld mehr gäbe. Denn Bargeld ist das einzige Geld, das die Banken nicht verleihen können. Unbares Geld hingegen schon.

Negative Zinsen würden in diesem Szenario natürlich nur auf der Einlagenseite erhoben werden. So bliebe das Kerngeschäft der Banken, die Zinsdifferenz aus Einlagenzins und Kreditzins, stets gewahrt und nur der Bürger würde zur Kasse gebeten. Was auch immer er kreditfinanziert hätte (Haus, Firma, Maschine etc.), er müsste diese Schulden inklusive Zinsen an das Kreditinstitut zurückzahlen, das ihm gleichzeitig noch Zinszahlungen auf seine Ersparnisse in Rechnung stellte.

Insbesondere das Geld sogenannter kleiner Leute, deren Einkommen und Vermögen wenig diversifiziert sind (z.B. durch Kapitaleinkünfte oder Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung bzw. angelegt in Aktien, Anleihen, Gold, Kunst, Rohstoffe, etc.), und die sich primär auf ihre Arbeit, ihre Rente/Pensionen oder ihre Ersparnisse stützen, wären davon betroffen. 1

Der mit Abstand wichtigste Aspekt ist aber der rechtliche Status von Bargeld. Bargeld ist bislang das einzige gesetzliche und somit staatlich garantiertes Zahlungsmittel. Andere Formen des Geldes erfüllen diese Eigenschaft nicht. „Die von der Europäischen Zentralbank und den nationalen Zentralbanken ausgegebenen Banknoten sind die einzigen Banknoten, die in der Union als gesetzliches Zahlungsmittel gelten.“ 2 Buchgeld – und das beinhaltet sämtliche Formen elektronischen Geldes – stellt nur einen Anspruch auf die Auszahlung von Bargeld dar.

Verhandlungsmacht, Privatsphäre und Datenschutz

Durch die Speicherung unseres Vermögens in digitaler Form liefern wir uns nicht nur dem Goodwill des Finanzsektors einerseits und der großen Gefahr eines Diebstahls unseres Geldes andererseits aus, sondern liefern uns darüber hinaus der Überwachung durch den Staat, der Werbeindustrie und sämtlichen Institutionen und Unternehmen aus, von denen wir etwas haben wollen, z.B. Sicherheit oder diverse Produkte. Wir geben dann so viele Daten über uns preis, dass z.B. Online-Shops unsere Zahlungsbereitschaft sehr exakt abschätzen, und so für jeden von uns den maximalen Kaufpreis verlangen können. Begrifflich anders, vom Mechanismus her aber gleich, wäre es bei Versicherungen. Ersetzen Sie Zahlungsbereitschaft durch Risiko und den Kaufpreis durch die Versicherungsprämie. Unter dem Schlagwort der Individualisierung werden dann nachgefragte Produkte, Dienstleistungen und Policen so sehr mit den Userdaten gefüttert und kombiniert, dass sämtliche Ausfallwahrscheinlichkeiten minimiert und die Konsumentenrente maximal ausgeschöpft werden.

„Wenn Staaten die Möglichkeit besitzen, ihre Bürger auszuspionieren, zu zensieren und zu beeinflussen, tun sie dies auch.“

Denkbar sind zudem Konsumsperren und Freiheitseinschränkungen. Wenn wir nicht als passend für was auch immer erachtet werden, wird uns einfach die jeweilige Nutzungsmöglichkeit (z.B. Wareneinkauf, Grenzübergang etc.) entzogen. Darüber können auch keine Beschönigungen und hehren Ziele wie die Verbesserung des Kundenerlebnisses, des Services usw. hinwegtäuschen. Die Datengenerierung seitens der Unternehmen hatte immer – und dies wird auch zukünftig so bleiben – nur das Ziel, mehr Geld zu verdienen. Zudem zeigt sich, dass Staaten, sofern sie die Möglichkeit besitzen, ihre Bürger auszuspionieren, zu zensieren und zu beeinflussen, dies auch tun.

Im Zusammenspiel der Aggregation von Daten aus verschiedenen Quellen, die ein Einzelner nicht mehr selbst überblicken, geschweige denn eindämmen kann, ergibt sich so ein gläserner Bürger, dessen Entscheidungsverhalten bereits im Vorfeld von Händlern, aber auch von Kreditgebern, Vermietern, Arbeitgebern und nicht zuletzt von staatlichen Behörden antizipiert und beeinflusst werden kann.

Fazit

Ein Opportunist fragt immer, ob der mögliche Zugewinn von etwas den Verlust von etwas anderem rechtfertigt. Im Falle des Verlustes von Bargeld lässt sich dies mit einem klaren Nein beantworten. Einerseits, weil kein Zugewinn durch den unbaren Zahlungsverkehr entsteht (z.B. was die Anonymisierung und die Bequemlichkeit angeht). Dies ist so kontextabhängig, dass eine sich gegenseitig ergänzende statt ersetzende Rolle am sinnvollsten erscheint.

„Mobiles Bezahlen und Online-Banking kann man nur praktizieren, solange es mit dem Bargeld eine Alternative gibt.“

Bei anderen Aspekten (z.B. der Sicherheit) bringen online und mobile Bezahlfunktionen momentan glasklare Verschlechterungen mit sich. Die dem unbaren Zahlungsverkehr zugeschriebenen Wirkungen, wie Kriminalitätsbekämpfung und Konjunkturbelebung, sind zudem nicht belegt. Erlebbar und damit auch bewiesen sind hingegen seine als technisch komplex wahrgenommene Nutzung, seine Anfälligkeit für Betrug und die unübersichtliche Marktsituation hinsichtlich Technik, Anbieter und der jeweiligen Verbreitung im Handel und innerhalb der Verbraucherschaft. Schwer wiegt außerdem, dass elektronisches Geld kein gesetzliches Zahlungsmittel ist.

So sehr aus Sicht von Vertretern der Finanzindustrie eine unbare Gesellschaft wünschenswert wäre, so gegenteilig ist dies der Fall aus Bürger- und Verbrauchersicht. Innovationen innerhalb des unbaren Geldverkehrs, um diesen sicherer und einfacher zu machen, sind allesamt positiv zu bewerten. Jedoch nicht mit dem vorrangigen Ziel der Bargeldabschaffung. Jeder, der Mobiles Bezahlen und Online-Banking schätzt, kann dies nur praktizieren, solange es mit dem Bargeld eine Alternative gibt.

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