01.03.2009

Unser (Papier-)Geld und seine Produzenten

Kommentar von Malte Tobias Kähler

Um das Bankenwesen zu veranlassen, endlich wieder Kredite an Unternehmen zu vergeben, haben die Zentralbanken ungeheure Mengen an „Liquidität“ in den Markt gepumpt. Zudem werden milliardenschwere Konjunkturprogramme aufgelegt, die durch den Verkauf von Staatsanleihen, also durch neue Verschuldung, finanziert werden. Werden die Bürger die Zeche für all die bailouts und Konjunkturprogramme am Ende womöglich selbst, in Form einer heftigen Preisinflation, zahlen? Das könnte zumindest nach Ansicht einiger Ökonomen der Fall sein, denn die für die vermeintliche „Rettung“ genutzten Gelder wurden von niemandem gespart, sondern schlicht neu geschaffen. Eine Diskussion über unser Geld und seine Produzenten könnte für echten Fortschritt hilfreich sein.

Definiert man Geld über seine Funktionen „Wertaufbewahrung“, „dient als Recheneinheit bei Zahlungen“ und „allgemeines Tauschmittel“, so haben wir es bei unseren bunten Scheinen zweifellos mit Geld zu tun. Doch ist ein „Bobby-Car“ wirklich ein Auto, nur weil man damit fahren kann und es folglich ebenso die gleiche Funktion wie das Original erfüllt? Sicherlich nicht. Der Ökonom Ludwig von Mises betonte daher einst, das Wesen des Geldes liege nicht primär in seinen Funktionen, sondern in der Tatsache, dass es als Ware immer eine nicht monetäre Nachfrage erziele.1 Niemand bestimmt, was als Geld dient, es entsteht stattdessen durch „natürliche Auslese“ und völlig dezentral auf dem Markt aus bereits vorhandenen Gütern. Zu Geld – also einer Ware, die Geldfunktionen übernehmen konnte – wurde einfach diejenige Ware, die die gewünschten Eigenschaften wie breite Akzeptanz und lange Haltbarkeit am besten erfüllte, aber unbedingt auch bereits nachgefragt wurde. Andernfalls hätte nämlich niemand einschätzen können, was er bei jemand anderem zum Tausch dieses Gegenstandes bekommen würde.

Zu frühen Zeiten fungierten verschiedene Alltagsgüter, wie etwa Tiere oder Schmuck (und als solche auch Edelmetalle) als Geld. Die lateinische Vokabel für Geld, pecunia, erinnert noch gut daran, bedeutete sie ursprünglich doch bloß „Vieh“. Schließlich gewannen Gold und Silber die „natürliche Auslese“ und dienten bis 1914 sogar als Weltwährung – ohne dass es dazu politischer Währungsräume wie der Eurozone bedurfte. Trotz seiner hervorragenden Eignung als beliebig teilbares und haltbares Zahlungsmittel besaßen große Summen Edelmetall jedoch den Nachteil, dass sie mitunter ein immenses Gewicht annahmen und auch eines sicheren Aufbewahrungsortes bedurften. Aus diesem Grunde entstanden schon früh Lagerhäuser (Banken), die ihren Besitzern eine Urkunde über das hinterlegte Metall überließen und für den Service der Aufbewahrung und Kontoführung eine Gebühr erhoben. Die Lagerung der Gelder und der Tausch der Gutschriften anstatt des echten Metalls ermöglichte bequemeres Zahlen. Das vom großen Literaten Goethe so verteufelte „Papiergeld“ war geboren.2 In der Tat birgt das Geldsubstitut „Banknote“ denn auch eine diabolische Versuchung.

Das Gut „Geld“ unterscheidet sich von anderen Konsumgütern dadurch, dass es kaum selbst verbraucht wird, sondern zu einem späteren Zeitpunkt bloß weitergetauscht wird. Aus diesem Grunde wurden die Papierscheine immer seltener gegen echtes Geld eingelöst und zirkulierten stattdessen als Geldersatz. Die Banker, die neben dem Geschäft des Verwahrens von Geld auch die Vermittler von Ersparnissen waren und so Kredite an Investoren und Regierungen verliehen, sahen sich immer öfter der Versuchung ausgesetzt, einfach ein Mehrfaches an Krediten in Form von Geldnoten gegen Zins zu verleihen, als tatsächlich durch ihr Depot gedeckt war. Solange niemand die Geldnoten einlösen wollte, verdienten sie sich damit eine goldene Nase. Dies war die Geburtsstunde des „Teilreservesystems“ der Banken. Allerdings drohte den Bankiers stets die Gefahr des Kassensturms, denn es bedurfte bloß ein wenig Misstrauen seitens der Anleger, um den Schwindel auffliegen zu lassen, da ja stets nur ein Bruchteil der in Form von Banknoten zirkulierenden Forderungen durch echtes Geld gedeckt war. Solange der bankrun jedoch ausblieb, profitieren die Banken von der Teilreserve, denn sie erlaubte ihnen, Geld aus dem Nichts zu erschaffen und an den Zinsen gut zu verdienen.

Nach und nach wurde dieses anfangs noch als Betrug erkannte Verhalten durch den Staat legalisiert, wie der Ökonom Jörg Guido Hülsmann in seinem Buch Die Ethik der Geldproduktion beschrieb.3 Es gelang dem Berufsstand der Bankiers, für ihre Banknoten den Status als „gesetzliches Zahlungsmittel“ zu ergattern, obwohl diese doch kein Geld, sondern nur ein vages Versprechen auf Geld waren. Nach und nach wurde echtes Geld verdrängt. Schließlich wurde sogar in praktisch allen Ländern der Welt eine politische Institution durchgesetzt, deren Hauptaufgabe darin bestand, in Bedrängnis geratene Banken stets mit frischen Geldvorräten zu versorgen, wenn das Vertrauen ausblieb. Die so gegründeten Zentralbanken fahren bis heute mit ihrer Politik der bailouts fort und versorgen in Not geratene Banken mit „Liquidität“. Natürlich bedeutet das stete Versprechen, jede Menge Geld aus dem Nichts zu erschaffen, ein gewaltiges moral hazard für die Banken, was sie dann auch dazu verleitet, bei ihrer Kreditvergabe extrem sorglos vorzugehen. Dieses Wissen, die Zentralbank werde es schon richten, wenn es mal brennt, war maßgeblich für die Spekulationsblasen und die immensen Fehlinvestitionen verantwortlich, welche die derzeitige Wirtschaftskrise verursachten.4

Es bleibt die Frage, warum die Banken so erfolgreich im Ausbau ihrer Privilegien waren. Doch für die Antwort bedarf es keiner Verschwörungstheorie, sondern allein einer Analyse von sich gegenseitig bedingenden Interessen, die über die Jahrhunderte hinweg konstant gegeben waren. Neben den Bankiers profitierte nämlich vor allem die Gruppe der Staatsmänner vom Papiergeldwesen: So wie früher die Könige und Fürsten ihre Kriege und prunkvollen Paläste finanzieren wollten, gieren die modernen Demokraten auch heute noch danach, für ihre Wiederwahl ein möglichst umfassendes Budget auf wohltätige Weise zu verteilen. Immer sieht das Schema wie folgt aus: Der Staat sieht in der Schuldenfinanzierung ein geeignetes Mittel, um populäre Wahlgeschenke oder Prestigeobjekte zu finanzieren, ohne dafür jedoch unpopuläre Steuern und Abgaben einsammeln zu müssen. So bediente sich die Politik am System der Teilreservebanken, das Kredite förmlich aus dem Nichts erschaffen kann und die Kaufkraft von den Bürgern hin zum Staate und seiner favorisierten Interessengruppen lenkt, etwa zur Automobil- oder Umweltbranche. Die „Erstempfänger“ der neuen Gelder, wie z.B. der Staat oder bestimmte Investoren, kaufen dabei zu alten Preisen, die sie selbst jedoch durch die konstant injizierte Menge an Umlaufmitteln stetig erhöhen. Die „Letztempfänger“ des langsam durch die Volkswirtschaft sickernden Geldes zahlen die Zeche in Form sich stetig erhöhender Preise oder „Inflation“. Der Ökonom Murray Rothbard verglich die Bekundung der Notenbanker, sie würden die Inflation unter Kontrolle zu halten versuchen, mit dem Schrei eines Räubers, der nach seinem Einbruch „Haltet den Dieb“ ruft, um von seiner Tat abzulenken.5 Rothbard wies zu Recht darauf hin, dass die Zentralbank (zusammen mit dem System der Teilreservebanken) die einzige Institution ist, die eine allgemeine Teuerung durch eine stetig vermehrende Menge des gesetzlichen Zahlungsmittels überhaupt verursachen kann – und niemand sonst!

Doch solange die Notenbanken der Welt untereinander noch mit einem Goldstandard arbeiteten, blieb den Expansionsgelüsten zumindest ein kleiner Riegel vorgeschoben. Dieser musste daher alsbald verschwinden, wie sogar der ehemalige Chef der Federal Reserve, Alan Greenspan, einmal treffend einräumte: „Eine große Menge neuer Staatsanleihen kann der Öffentlichkeit nur zu ständig steigenden Zinssätzen verkauft werden. Deshalb ist die mögliche staatliche Schuldenaufnahme unter einem Goldstandard sehr begrenzt. Die Abschaffung des Goldstandards ermöglichte es …, das Banksystem für eine unbegrenzte Kreditausweitung zu missbrauchen.“6 Mit dem Verlassen des Goldstandards in den 70er-Jahren begann eine weltweite Flutung der Wirtschaft mit aus dem Nichts geschaffenen Krediten. Die langsame und stetige Vermehrung der ungedeckten Kredite bedeutete zwar nicht sofort eine Hyperinflation, aber immerhin eine Reihe von Finanz- und Wirtschaftskrisen, die durch eine Politik des billigen Geldes verursacht wurden. Die so geschaffenen Probleme der wiederkehrenden Spekulationsblasen auf Aktien- und Immobilienmärkten können aber nicht ewig durch weiteres Papiergeld „überklebt“ werden.

Tragischerweise gestehen die Politiker und die „Inflationisten“ unter den Ökonomen ihre Hybris indes nicht ein, sondern halten den Erreger der Krankheit – das Öffnen des Papiergeldhahns – offenbar für die angebrachte Medizin. Sie beharren weiter darauf, man könne Probleme, die durch Überschuldung entstanden sind, durch Neuverschuldung lösen. Zumal das neu „geliehene“ Geld von niemandem erarbeitet und gespart, sondern just aus dem Nichts geschaffen wird – weshalb es übrigens die Bezeichnung fiat money trägt („Es werde Geld“). Dabei kann die Bilanz der Federal Reserve schon Sorge bereiten, hat sie ihre Geldbasis doch in kürzester Zeit verdoppelt (also die Menge an Zentralbankgeld, auf die die Geschäftsbanken durch ihre fehlende Reservepflicht pyramidenartig sogar noch ein Vielfaches an Krediten schichten können). Dieser Versuch, das bankrotte System des Papiergeldzaubers durch immer neue Dosen frisch gedruckter Banknoten am Leben zu halten, erinnert nur allzu sehr an das Schneeballsystem à la Madoff (Bernhard Madoff hinterging Kunden an der Wallstreet mit einem Pyramidenspiel und erleichterte sie um viele Milliarden Dollar), nur dass diesmal alle Halter von „gesetzlichem Zahlungsmittel“ unfreiwillig mitspielen und am Ende die Zeche zahlen könnten. Spätestens dann, wenn die Käufer der Staatsanleihen (wo sich derzeit eine weitere Blase abzeichnet) befürchten, dass die Regierungen ihre immer gewaltiger werdenden Schuldenberge nicht abbezahlen werden, sondern die Staatsschuld direkt mit der Notenpresse entwerten werden („monetisieren“), droht eine Flucht aus den Papierwährungen und den in diesem „Scheingeld“ notierten Staatsanleihen. Platzt diese Blase überbewerteter Staatsanleihen, könnte durch die Flucht in Realwerte und echtes Geld (z.B. Gold) eine massive Teuerung realer Güter einsetzen. Dies wäre die „versteckte Steuer“, die alle Bürger dann für den Irrtum der Konjunkturprogramme zahlen werden.

Der berühmte Investor Jim Rogers äußerte bereits im Herbst 2008 in einem Interview mit dem Sender CNBC die Befürchtung, die Politiker würden durch das Öffnen der geldpolitischen Schleusen eine weitere Inflationsspirale hervorrufen.7 Man sollte also nicht schon wieder behaupten, das Problem treffe uns alle plötzlich und unvorhergesehen. Auch wenn es nicht so schlimm kommen muss, so ist es dennoch an der Zeit, eine Debatte über unser Geld und über seine Produzenten zu führen. Es mutet seltsam an, dass ein Monopol für das in einer Volkswirtschaft so wichtige Gut „Geld“ so unhinterfragt in der Hand der Regierungen liegt, obwohl man doch um deren Versuchungen weiß: kurzfristig einen Boom zu provozieren, dessen langfristige Folgen bezahlt werden, wenn man längst nicht mehr im Amt ist. Solange die Regierungen und Zentralbanken das Geldmonopol besitzen, können wir nicht von Freiheit sprechen. Vielleicht bewog diese Erkenntnis den Unternehmer Henry Ford zu seiner – ihm nachgesagten – Aussage: „Wenn die Menschen jemals unser Geldsystem verstehen würden, so glaube ich, gäbe es eine Revolution noch vor morgen früh.“

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