17.04.2024

Es gibt kein Menschenrecht auf ein stabiles Klima

Von Judith Curry

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Foto: Hadi via Wikicommons / CC0 1.0 Deed

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat nach einer Klage von Schweizer „Klimaseniorinnen" ein Art Menschenrecht auf Klimaschutz anerkannt. Das ist abstrus.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat letzte Woche entschieden, dass die Länder ihre Bevölkerung besser vor den Folgen des Klimawandels schützen müssen. In einem bahnbrechenden Urteil, das Auswirkungen auf den ganzen Kontinent haben könnte, gab das Gericht einer Gruppe älterer Schweizerinnen gegen ihre Regierung Recht. Der EGMR entschied, dass die Schweiz „ihren Pflichten nicht nachgekommen ist", den Klimawandel zu bekämpfen und die Emissionsziele zu erreichen. Das sei ein Verstoß gegen die Rechte der Klägerinnen, denn die Europäische Menschenrechtskonvention garantiere den Menschen „einen wirksamen Schutz durch die staatlichen Behörden vor den schwerwiegenden nachteiligen Auswirkungen des Klimawandels auf ihr Leben, ihre Gesundheit, ihr Wohlbefinden und ihre Lebensqualität."

Der Verein „KlimaSeniorinnen" von Frauen, deren Durchschnittsalter bei 74 Jahren liegt, hatte mit Unterstützung von Greenpeace argumentiert, dass sie besonders betroffen seien, weil ältere Frauen am stärksten vulnerabel in Hinblick auf häufiger auftretenden extremen Hitze seien. „Das Gericht hat unser Grundrecht auf ein gesundes Klima anerkannt und darauf, dass unser Land das tut, was es bisher versäumt hat: nämlich ehrgeizige Maßnahmen zum Schutz unserer Gesundheit und zum Schutz der Zukunft aller zu ergreifen", sagte Anne Mahrer, ein Mitglied der Gruppe.

Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (AEMR) von 1948, in der 30 Menschenrechte aufgezählt werden, findet international breite Zustimmung. Das Wort „Klima" oder das Wort „Umwelt" wird in der AEMR nicht erwähnt. Dies gilt auch für die Europäische Menschenrechtskonvention.

In Europa gibt es Bestrebungen, ein neues Menschenrecht auf ein sicheres, stabiles Klima zu schaffen. Einem Beschluss des UN-Menschenrechtsausschusses (UNHRC) zufolge „[... ] gehören Umweltzerstörung, Klimawandel und nicht-nachhaltige Entwicklung zu den dringendsten und ernsthaftesten Bedrohungen für die Fähigkeit gegenwärtiger und zukünftiger Generationen, das Recht auf Leben zu genießen." In einem Bericht des UN-Sonderberichterstatters für Menschenrechte aus dem Jahr 2019 heißt es: „Es besteht inzwischen weltweit Einigkeit darüber, dass Menschenrechtsnormen für das gesamte Spektrum von Umweltfragen gelten, einschließlich des Klimawandels."

„Speziell im Hinblick auf das Recht auf Leben muss zur Kenntnis genommen werden, dass die weltweite Sterblichkeit durch extreme Wetter- und Klimaereignisse seit 1920 um 99 Prozent zurückgegangen ist.“

Ableitungen, die auf einem Beschluss des UNHRC und einem Bericht des UN-Sonderberichterstatters für Menschenrechte basieren, schaffen aber kein neues „Menschenrecht" auf Schutz vor den gefährlichen Auswirkungen des Klimawandels. Die Uno hat keinen Versuch unternommen, internationale Unterstützung für ein neues Menschenrecht auf Schutz vor dem Klimawandel zu etablieren.  Ein solches Recht ist im UNFCCC-Abkommen von Paris weder implizit noch explizit enthalten.

Speziell im Hinblick auf das Recht auf Leben muss zur Kenntnis genommen werden, dass die weltweite Sterblichkeit (pro 100.000 Menschen) durch extreme Wetter- und Klimaereignisse seit 1920 um 99 Prozent zurückgegangen ist. Zwischen 1980 und 2016 ist die weltweite Sterblichkeit (pro 100.000 Menschen) durch extreme Wetter- und Klimaereignisse um das 6,5-fache gesunken. In den  Sterblichkeitsstatistiken seit 1980 zeigt sich ein eindeutiger negativer Zusammenhang zwischen Verwundbarkeit und Wohlstand. Ein Anstieg des Wohlstands bietet also einen weitaus größeren und sichereren Schutz vor klimabedingten Risiken als eine Reduzierung der Emissionen.

Der Trend in der Sterblichkeitsstatistik bedeutet nicht, dass Wetter- und Klimakatastrophen seltener oder weniger intensiv geworden sind.  Der Trend bedeutet, dass die Welt heute viel besser in der Lage ist, Todesfälle durch extreme Wetter- und Klimaereignisse zu verhindern als in der Vergangenheit. Dies gilt allemal und erst recht für die Schweiz. Erreicht wurde es durch zunehmenden Wohlstand (angetrieben durch Energie aus fossilen Brennstoffen), der eine bessere Infrastruktur, größere Reserven, Frühwarnsysteme und eine größere Regenerationsfähigkeit ermöglicht.

„Zählen Todesfälle nur, wenn sie angeblich durch die vom Menschen verursachte Erwärmung verursacht wurden, nicht aber durch natürliche Wetter- und Klimaschwankungen?“

Die rückläufigen Sterblichkeitszahlen werfen mehrere Fragen und Widersprüche in Bezug auf die Behauptung auf, dass „die Menschenrechte Schutz vor den Auswirkungen des gefährlichen Klimawandels bieten". Was ist mit den „Rechten" der Menschen, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts (oder früher) durch extreme Wetter- und Klimaereignisse starben, die nur durch natürliche Wetter- und Klimaschwankungen verursacht wurden? Wie sollten diese Todesfälle seinerzeit verhindert werden? Zählen die Todesfälle nur, wenn sie angeblich durch die vom Menschen verursachte Erwärmung verursacht wurden, nicht aber beispielsweise durch die Einschränkung des Zugangs zu sicheren Brennstoffen zum Kochen? Zählen die Todesfälle nur, wenn sie angeblich durch die vom Menschen verursachte Erwärmung verursacht wurden, nicht aber durch natürliche Wetter- und Klimaschwankungen?  Wie sollen die Kosten für die Verhinderung von Todesfällen im Zusammenhang mit extremen Wetter- und Klimaereignissen (unabhängig davon, ob sie natürlich oder vom Menschen verursacht sind) gegen die Kosten abgewogen werden, die durch den Versuch entstehen, die extrem hohe Zahl von Todesfällen aufgrund unzähliger anderer Ursachen zu verhindern?

Die Argumente, die das vermeintliche Recht auf ein „sicheres Klima“ stützen, werden erheblich schwächer, wenn man die nachteiligen Auswirkungen der politischen Maßnahmen zur Schaffung eines „sicheren Klimas“ auf die Nahrungsmittelproduktion betrachtet. Darüber hinaus hat die Klima- und Energiepolitik erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt und verursacht selbst auch Umweltschäden. So führt beispielsweise die Verwendung von Brennstoffen aus Biomasse zur Abholzung von Wäldern, und On- und Offshore-Windturbinen sowie Solarparks können das soziale Gefüge, die Immobilienpreise, die Natur, die biologische Vielfalt, die Landschaft und die menschliche Gesundheit beeinträchtigen (und tun dies auch). Der Bergbau und die Herstellung von Batterien und anderen mit erneuerbaren Energien verbundenen Gütern und Infrastrukturen haben negative Auswirkungen auf die Umwelt und die menschliche Gesundheit, und erneuerbare Energien verursachen auch CO2-Emissionen. Die künstliche Verteuerung von Energie im Namen des Klimaschutzes hat ebenfalls erhebliche unmittelbare negative Auswirkungen auf das Leben von ärmeren Menschen. Da der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Auffassung vertritt, dass das Recht auf Leben auch Schutz vor Umweltzerstörung und Gesundheitsrisiken umfasst, müssen diese negativen Auswirkungen auf Umwelt und Gesundheit bei allen politischen Maßnahmen zur Umsetzung des Urteils des Gerichtshofs berücksichtigt werden.

Fazit

Der Bedarf an fossilen Brennstoffen wird weiterhin bestehen.  Eine rasche Beschränkung der Verwendung fossiler Brennstoffe, bevor sauberere Energie zur Verfügung steht, steht im Widerspruch zu höherrangigen Nachhaltigkeitszielen – keine Armut, kein Hunger, erschwingliche und saubere Energie sowie Industrie, Innovation und Infrastruktur. Es gibt kein Menschenrecht auf ein sicheres oder stabiles Klima. Abgesehen davon, dass es dafür kein internationales Abkommen gibt, enthält ein solches „Recht" zu viele Widersprüche, um sinnvoll zu sein.

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