18.09.2017

Ergrünter Staatsfunk

Von Fred F. Mueller

Titelbild

Foto: Nabeel Syed via Unsplash

Ein Team der ARD soll Fake News begegnen. Beim Thema Dieselgate agieren die gebührenfinanzierten „Faktenfinder“ jedoch selbst ziemlich postfaktisch.

Deutschland bläst zum Krieg gegen das angeblich gesundheitsgefährdende Automobil. Die ARD nimmt kritische Stimmen mit dem „Faktenfinder“ aufs Korn, ein Format, das im April dieses Jahres als Reaktion auf das „Fake News“-Phänomen eingerichtet wurde. Wie gut hält der öffentlich-rechtliche Faktenfinder einem Faktencheck stand?

Stickoxid-Belastung

Zunächst bauen die Autoren Andrej Reisin vom NDR und Wolfgang Wichmann von tagesschau.de eine eher holprige Argumentationskette auf. Sie schreiben: „Wiederkehrend ist zu lesen, der jährliche Ausstoß an Stickoxiden ist in Deutschland seit Jahren rückläufig“ und führen dazu Artikel aus der Welt und dem Blog Tichys Einblick sowie eine Stellungnahme der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Kraftfahrzeug- und Motorentechnik e.V. an.

Unumwundenen erkennen die Autoren an, dass diese Aussage stimmig sei, und verweisen auf eine Grafik des Umweltbundesamtes (UBA), die sehr eindeutig dokumentiert, dass in den vergangenen 25 Jahren der Stickoxid-Ausstoß um 1,7 Millionen Tonnen bzw. 59 Prozent zurückging (siehe Abbildung 1).

Abbildung 1: Untersuchungen des Umweltbundesamtes belegen den kontinuierlichen Rückgang der verkehrsbedingten NOx-Emissionen seit 1990 (Grafik: UBA).

Der Leser reibt sich an diesem Punkt die Augen und rätselt, wie die einführende Passage gemeint ist. Wird den oben aufgeführten Journalisten und Wissenschaftlern etwa vorgehalten, dass sie die Wahrheit gesagt haben?

Auch ansonsten fragt man sich bei der Lektüre, wie ernst die Autoren ihre journalistische Sorgfaltspflicht genommen haben. So sprechen sie im Zusammenhang mit Abbildung 1 von „27 Jahren“. Die Grafik zeigt jedoch lediglich den 25-Jahre-Zeitraum von 1990 bis 2015 und nicht bis 2017, aber das sei hier nur am Rande bemerkt. Auch, dass in dieser Zeitspanne der Anteil des Verkehrs an den gesamten Stickstoffoxid-Emissionen deutlich überproportional zurückging (absolut von 1,46 auf 0,491 Millionen Tonnen und prozentual von 50,7 Prozent auf nur noch 40,1 Prozent der Gesamtemissionen), wird nicht für erwähnenswert gehalten.

„Schließlich geht es hier um die Frage von Fahrverboten und damit um Millionen Schicksale.“

Abbildung 2: Im Jahr 2016 wurden die NO2-Grenzwerte nur in einigen meist größeren Städten überschritten. Der weit überwiegende Teil Deutschlands liegt bereits unterhalb der Grenzwerte (Grafik: UBA).

Begriffsprobleme

Nach diesem eher verunglückten Vorspiel kommt man dann doch langsam zur Sache. Die beiden Verfasser des „Faktenfinders“ scheinen aus irgendwelchen Gründen Schwierigkeiten mit der Tatsache zu haben, dass ein Rückgang nichts damit zu tun hat, ob zum aktuellen Zeitpunkt bestimmte Grenzwerte noch überschritten werden oder nicht. Selbst da, wo es im Moment noch Überschreitungen gibt, kommt es doch auch darauf an, ob der Trend in die richtige Richtung geht und wie schnell dies erfolgt.

Als nächstes ist die Frage zu stellen, wie stark die gesundheitlichen Auswirkungen der aktuellen Überschreitung von NOx-Grenzwerten überhaupt sind. Schließlich geht es hier um die Frage von Fahrverboten und damit um Millionen Schicksale. Fahrverbote, wie sie von Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD), dem Umweltbundesamt (UBA) und dem Chef des Abmahnvereins Deutsche Umwelthilfe (DUH), Jürgen Resch, gefordert werden, betreffen schließlich nicht nur die einschlägigen Industrien, in denen hunderttausende Mitarbeiter um ihre Jobs fürchten müssen, sondern auch die Bevölkerung. Immerhin gibt es rund 15 Millionen Dieselbesitzer, die sich aktuell teils existenzielle Sorgen machen müssen. Man denke nur an die unzähligen Handwerker, Lieferdienste und Taxifahrer, die mit Dieselfahrzeugen unterwegs sind. Mit dem Thema sollte man daher nicht leichtfertig umgehen, sondern genau abwägen, was für Botschaften man aussendet. Das gilt besonders für den gebührenfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der es in einer solchen Frage peinlichst vermeiden sollte, einseitig Position zu beziehen.

„Die Medien berichten einseitig, parteiisch und irreführend.“

Abbildung 3: Rückgang der NO2-Immissionswerte in Deutschland von 1990 bis 2008 (Grafik: UBA).

Entwicklung der NO2-Immissionswerte

Vorab ist anzumerken, dass der Diesel nur einen einzigen Schwachpunkt hat, und das sind seine NOx-Emissionen. Feinstaub ist bereits seit Jahren kein Dieselproblem mehr. Und auch bei den NOx-Emissionen hat sich in den letzten Jahren sehr viel getan, wie die Statistik des UBA zeigt (siehe Abbildung 1). Doch auch bei den NO2-Emissionen der Diesel-Pkw gibt es einen langjährigen deutlichen Abwärtstrend. Man betrachte etwa die Daten der Messstelle „Am Neckartor“ in Stuttgart (Abbildung 4).

Abbildung 4: In Stuttgart sind die Überschreitungen des NO2-Grenzwerts von 200 µg/m3 seit Jahren rückläufig (Quelle: Landeshauptstadt Stuttgart – Amt für Umweltschutz).

Zu beachten ist hierbei, dass Stuttgart die Stadt mit der höchsten NO2-Luftbelastung in Deutschland ist und die Messstation „Am Neckartor“ diesbezüglich der Rekordhalter unter allen Messstationen. Von 2010 bis 2015 gingen „Am Neckartor“ die Überschreitungen um 81 Prozent zurück. Dieses Jahr gab es noch keine einzige unzulässige Grenzwertüberschreitung. Dass dieser Abwärtstrend deutschlandweit gilt, zeigt Abbildung 5.

Abbildung 5: Schon 2015 lag der Durchschnittswert aller Messstellen selbst in hoch belasteten Städten unter dem gesetzlichen Grenzwert. Die Tendenz ist in allen Bereichen fallend (Grafik: UBA).

Medien im Dienst des grünen Zeitgeists

Beim sogenannten „Diesel-Skandal“ kann man beobachten, dass die Medien – allen voran die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten ARD, ZDF und ihre Landesdependancen – einseitig, parteiisch und irreführend berichten. Ausgewogenheit und investigative Sorgfalt lassen zu wünschen übrig. Themen werden im Sinne des ökologistischen Zeitgeists dargestellt, der von den Parteien im Bundestag kaum noch hinterfragt wird. Man schreckt nicht davor zurück, kritische Medien, Journalisten und Blogger als unglaubwürdig darzustellen. Dabei wären gerade die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten aufgrund ihrer direkten Finanzierung durch die Bevölkerung zu besonderer Sorgfalt und Neutralität verpflichtet. Heute geht es gegen den Diesel, und damit gegen die Massenmobilität. Welche Errungenschaften der Moderne sind als nächstes an der Reihe?

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