17.01.2014

Energetische Sanierung: Das grüne Grauen

Kommentar von Stefan Laurin

Die Energiewende wird auch für Mieter zum Problem: Die Kosten steigen, der Bau von Sozialwohnungen ist immer schwieriger zu finanzieren. Für sozial Schwache ist die Energiewende mittlerweile zum grünen Grauen geworden. Sie sind mit gutem Grund dagegen, meint Stefan Laurin

Die Idee ist so einfach wie überzeugend: Vermieter sanieren ihre Häuser und legen die Kosten dafür auf die Mieter um. Die sparen Energie und Geld. Am Ende sind alle glücklich: Der Vermieter, der sein Haus auf dem neuesten Stand der Technik gebracht hat, der Mieter, weil er Heizkosten spart und die Umwelt, weil weniger Energie verbraucht wird und auch der Ausstoß von CO2 zurückgeht.

Doch die Wirklichkeit sieht anders aus. Eine von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) in Auftrag gegebene Studie des Beratungsunternehmens Prognos kommt zu dem Ergebnis, dass die Kosten der energetische Sanierung von Wohngebäuden deutlich über den Einsparungen liegt: Die KfW will bis 2050 Investitionen von 507 Milliarden Euro in die energetische Sanierung unterstützen: Isolierte Außenwände, neue Dächer und Fenster, effektivere Heizungen. Eine Menge Geld – und es wird zu einem großen Teil nicht viel erreichen: Den Investitionen in Höhe von einer halben Billion stehen gerade einmal 361 Milliarden Euro eingesparte Energiekosten gegenüber. Die Kosten der Sanierung dafür können die Vermieter auf die Mieter abwälzen – egal, ob sich die Sanierung für sie lohnt, egal ob sie damit einverstanden sind oder nicht. Möglich gemacht hat das die noch von der alten schwarz-gelben Bundesregierung verabschiedete Änderung des Mietrechts. Durch dort verankerte verbesserte Abschreibungsmöglichkeiten für die Vermieter, wollte die Bundesregierung deren Bereitschaft zur Sanierung erhöhen. Sie können nun bis zu 11 Prozent der Sanierungskosten jährlich auf die Miete umlegen. Auch der Wechsel des CDU-Koalitionspartners hat daran kaum etwas geändert: Die SPD hat durchgesetzt, dass nur noch zehn Prozent der Sanierungskosten im Jahr auf die Mieter abgewälzt werden dürfen. „Das ist kaum mehr als eine kosmetische Änderung“, sagt Jürgen Becher, stellvertretender Vorsitzender des Mieterbundes NRW. Der Deutsche Mieterbund hatte von SPD und CDU gefordert, dass die Kosten der energetischen Gebäudesanierung gerecht zwischen Mietern, Vermietern und Staat aufgeteilt werden. CDU und SPD folgten dem Mieterbund nicht: Die Mieter kommen für die energetische Sanierung alleine auf, an dem gestiegenen Wert der Immobilie kann sich dann der Vermieter alleine erfreuen.

„Durch das neue Mietrecht kann eine durchschnittliche Wohnung schnell um 100 bis 150 Euro pro Monat teurer werden“, sagt Becher. „Der Mieter spart 50 Euro an Energiekosten und zahlt also ordentlich drauf.“ Die energetische Sanierung ist längst zu einem Gentrifizierungsbooster geworden: Wer die Mieter seines Hauses auswechseln will, packt es in Styropor, setzt dreifach-verglaste Fenster ein und installiert automatische Lüftungssysteme mit Wärmetauschern. Schon die Belastung durch die Sanierung wollen sich viele nicht zumuten, die danach höheren Mietpreise können sich viele nicht leisten. Die energetische Sanierung macht es möglich, dass Altmieter verdrängt werden – das wollten viele Vermieter, vor allem in attraktiven Wohnlagen, immer schon. Nun können sie das tun und sich gleichzeitig als Vorkämpfer einer ökologisch korrekten Welt feiern lassen.

„Die energetische Sanierung macht es möglich, dass Altmieter verdrängt werden – das wollten viele Vermieter immer schon. Nun können sie das tun und sich gleichzeitig als Vorkämpfer einer ökologisch korrekten Welt feiern lassen.“

Eine Welt, die sich viele nicht mehr leisten können. Das wissen sie zum Beispiel auch bei der Rheinenergie, dem größtem Energieversorger der Stadt Köln. 10.000 Haushalten im Jahr muss die Rheinenergie im Jahr den Strom abstellen, weil sie ihre Rechnungen nicht bezahlen. Durch eine enge Zusammenarbeit mit Trägern der freien Wohlfahrt wie der Diakonie, der ARGE und der Schuldnerberatung konnte die Zahl der Betroffenen seit Jahren stabil gehalten werden. Und auch wenn besonders viele Hartz IV Empfänger unter denjenigen sind, die ihre Stromrechnung nicht zahlen, ist Armut nicht der einzige Grund dafür, dass die Wohnung eines Tages dunkel bleibt: „Wir haben auch schon Prominenten den Strom abgedreht. Oft wird einfach der Briefkasten nicht mehr geöffnet“, sagt Rüdiger Krischok, der Leiter des Forderungsmanagements bei der Rheinenergie. Aber immer häufiger zahlen Kunden ihre aufgelaufenen Stromrechnungen mit Raten ab, springen Behörden ein, wenn nicht mehr gezahlt werden kann. Und es sind nicht nur Privatleute, die unter den immer höher steigenden Energiepreisen leiden: „Wir stellen fest dass die Preise für einzelne Branchen zu einer großen Belastung geworden sind“, sagt Krischok. „Für kleine Bäckereien zum Beispiel wird es durch die hohen Energiepreise immer schwerer.“ Und auch für die Mitarbeiter der Rheinenergie: Die werden von den Kunden beschimpft und zum Teil bedroht. Verzweiflung macht sich breit, entlädt sich in Wut und Aggression. Viele Kunden haben das Gefühl, Rheinenergie nehme sie aus: „Das ist Unsinn. Wir tun alles um die Preise niedrig zu halten, aber über die Höhe des Strompreises entscheiden wir ja nicht alleine.“ Die Hälfte des Strompreises machen mittlerweile Steuern und Abgaben aus. 1998 war es nur ein Viertel. Der Stromkunde bezahlt eine Abgabe zur Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung, subventioniert Sonne und Windenergie durch die Umlage zum Erneuerbare Energien Gesetz (EEG), eine pauschal gestiegene Stromsteuer und eine Offshore-Umlage, mit der Windräder auf hoher See noch einmal extra gefördert werden.

„Die Politik erhöht die Umlagen, die Preiserhöhung kommt dann von uns. Die Politik rühmt sich damit, einen tolle grüne Politik zu machen – und wir kommen beim Strompreis langsam aber sicher zu einer Steuer- und Abgabequote wie beim Benzin“, sagt Krischok.
Wie in vielen Städten steigen auch in Köln die Mieten. Die Stadt wird wachsen – mindestens noch die nächsten zwölf Jahre. Heißbegehrt sind renovierte Altbauwohnungen in Hip-Quartieren wie dem Ehrenfeld, der Südstadt, dem Belgischen Viertel aber auch zunehmend in Sülz und Mülheim. Auch wer Geld hat, tut sich schwer die Wohnung seiner Wünsche zu finden.

Für alle, die kein Geld haben, ist die Situation längst katastrophal. „Die Kölner Innenstadt können sich Familien oder Normalverdiener kaum noch leisten,“ sagt Brecher vom Mieterbund. Singles und Doppelverdiener-Paare bestimmen hier längst das Bild. Sie ziehen in die schicken Altbauten oder die repräsentativen Neubauten mit Öko-Charme. Für alle anderen wird es auf dem Wohnungsmarkt immer enger. Sie brauchen Wohnungen, die es in Köln nicht gibt und die nun gebaut werden müssen. Über viele Jahre wurden in Köln kaum Sozialwohnungen gebaut – der Wohnungsmarkt war, wie fast überall in Deutschland, relativ entspannt. Das ist er längst nicht mehr und das ist allen klar: Die Stadt will, das künftig jede Dritte Neubauwohnung eine geförderte Wohnung ist. Das Bündnis Recht auf Stadt fordert 5.000 neuen Sozialwohnungen im Jahr. Sozialwohnungen kosten, je nach Einkommen der Mieter, pro Quadratmeter zwischen 6,25 Euro und 7,25 Euro kalt im Monat. Mit Nebenkosten liegt der Quadratmeterpreis am Ende zwischen 8 und 10 Euro – auch die geförderten Wohnungen sind alles andere als preiswert, sie sind nur nicht so teuer wie die auf dem freien Markt.

„Auch wer Geld hat, tut sich schwer die Wohnung seiner Wünsche zu finden. Für alle, die kein Geld haben, ist die Situation längst katastrophal.“

Auch wenn die Preise unter denen in Köln liegen ändert sich dadurch nichts wesentlich: Selbst für einen Mietpreis von 6,25 Euro lassen sich in Deutschland keine Sozialwohnungen bauen. In Österreich ist das anders: Dort entstehen Sozialwohnungen für eine Miete von 5 Euro. „In Österreich“, sagt Becher, „sind die Ökostandards niedriger. In Deutschland zahlen die Mieter für Energiesparmaßnahmen, die sich für sie nie rechnen.“ Und wenn die Mieter nicht zahlen können, springt der Staat ein – und da der nicht genug Geld hat, werden einfach nicht genug geförderte Wohnungen gebaut.

„Wenn die Mieter nicht zahlen können, springt der Staat ein – und da der nicht genug Geld hat, werden einfach nicht genug geförderte Wohnungen gebaut.“

Es liegt nicht nur an immer radikalen Energiesparverordnungen (ENEV), dass das Bauen teurer geworden ist. Vor 20 Jahren konnte nach Angaben der GAG Immobilien AG, der Wohnungsbaugesellschaft der Stadt Köln, eine geförderte Wohnung noch für 900 Euro den Quadratmeter gebaut werden. Auch Baustoffe, Grundstücke und Löhne sind gestiegen. Aktuell sind es 1700 Euro, die jeder Quadratmeter im Bau kostet. Und die nächste ENEV wird dafür sorgen, dass dieser Preis ab 2016 um 200 Euro steigen wird. Sozialer Wohnungsbau wird kaum noch möglich sein, sagt GA-Sprecher Jörg Fleischer: „Durch die festgelegten Mietpreise ist die Einnahmeseite bei der Kalkulation beschränkt. Nähern sich die Baukosten immer mehr diesen Einnahmen an oder übersteigen sie sogar, lässt sich der öffentlich geförderte Wohnungsbau nicht mehr wirtschaftlich darstellen. In Regionen mit hoher Nachfrage wie in Köln kommt es deshalb zu einer Verschiebung vom öffentlich geförderten zum freifinanzierten Wohnungsbau.“

Und dabei entstehen dann Wohnungen, die nicht nur teuer, sondern auch für die, die sie sich leisten können, nicht ganz risikolos sind, sagt Becher: „Häuser müssen atmen, es braucht einen gewissen Luftaustausch. Werden Häuser komplett in Styropor gepackt, um Energieverluste zu vermeiden, kommt es schnell zu Schimmelbildung in den Wohnungen und Algen setzen sich an den Fassaden ab.“ Gegen die Algen helfen hochgiftige Farben, die mittlerweile zu einer Belastung des Grundwassers in Nordrhein-Westfalken geworden sind. Gegen den Schimmel setzt die Öko-Bauindustrie auf automatisierte Belüftungssysteme, die sich nicht ausschalten lassen und eine Frischluftzufuhr sicherstellen. Um den Energieverlust zu begrenzen, sind sie oft mit Wärmetauschern verbunden. Eine aufwendige und faszinierende Gebäudetechnik, die allerdings nicht nur den umweltbewussten Menschen gefällt: „Wenn man Rohre in Häuser einlässt, durch die warme, feuchte Luft strömt, vielleicht noch mit Staub und fett angereichert, schafft man ein Biotop für Kakerlaken.“

Die Umwelt schonen, Energie sparen und neue Lebensräume für Tiere schaffen – die Energiewende zeigt gerade im Baubereich ihren ganzen Facettenreichtum.

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