27.03.2017
Endlagersuche: The show must go on
Kommentar von Thilo Spahl
Der Bundestag hat am Donnerstag den Gesetzentwurf zur Novellierung des Standortauswahlgesetzes (StandAG) beschlossen. Jetzt kann die Suche nach einem Atommüllendlager Jahrzehnte weitergehen.
Ein geeignetes Endlager ist für deutschen Atommüll nicht gut genug. Das hatte man mit Gorleben ja schon. Zumindest nach Auffassung des Bundesamts für Geowissenschaften und Rohstoffe, der geologischen Fachbehörde des Bundes. Da man aber den armen Menschen, die Jahrzehnte lang gegen Gorleben protestiert haben, nicht zumuten kann, dass sie es umsonst gemacht haben, fangen wir jetzt noch einmal von vorne an. Vorgesehen sind eine mehrphasige Suche nach einem Standort mit "bestmöglicher Sicherheit" und eine umfassende Beteiligung der Öffentlichkeit.
Das Ganze darf und soll sich ziehen. Erst mal bis 2031. Bis dahin will man sich nach einem passenden – pardon: bestmöglichen – Örtchen umschauen. Dann geht es weiter mit geologischen Analysen, Genehmigungsverfahren, Bürgerbeteiligung und Klageverfahren, die laut einem Gutachten der Endlagerkommission des Bundestags beträchtliche Zeit in Anspruch nehmen dürften, so dass ein Endlagerstandort erst in den Jahren 2088 bis 2096 feststehen könnte. Danach soll gebaut werden, bis dann der Müll so in etwa 100 Jahren tatsächlich unter der Erde wäre. Was aber wahrscheinlich nicht passieren wird. Denn darum geht es gar nicht.
Bei der Endlagersuche in Deutschland ist offensichtlich der Weg das Ziel. Indem man statt nach einem geeigneten Endlager nach einem mit „bestmöglicher Sicherheit“ sucht, muss man sich keine Sorgen machen, das Ziel irgendwann erreicht zu haben. Denn letztlich kann man sich ja nie sicher sein, das Bestmögliche gefunden zu haben. Genau darum geht es. Man möchte das Thema noch möglichst lange auskosten.
„Seit Jahrzehnten wird der Mythos von den enormen Lasten der Kernenergie gepflegt“
Die Endlagersuche ist nach Auffassung der Politik nämlich keine technische Frage, sondern eine gesellschaftliche. Das macht sie so kompliziert. Umweltministerin Hendricks formulierte es so: „Wir alle zusammen müssen uns auf den Weg machen, einen jahrzehntelangen Konflikt unserer Gesellschaft zu lösen.“ Und würdigte ausdrücklich jene, die halfen und helfen, die Show am Laufen zu halten: „Der friedliche Protest gegen die Atomenergie zählt für mich zu den großen Leistungen der Demokratie in Deutschland.“ Wäre doch schade, wenn diese Protestleistung nach dem Atomausstieg nicht noch irgendwie am Leben erhalten werden könnte!
Ihre Kollegen wollten ihr im Aufbauschen nicht nachstehen. Winfried Kretschmann bekräftigte, dass es sich um eine „epochale Aufgabe“ handele, um das „schwierigste Infrastrukturprojekt in der Geschichte unseres Landes“. Steffen Kanitz (CDU/CSU) legte noch einen drauf und sprach von einer „Menschheitsaufgabe“.
Das ist wahrlich zu hoch gegriffen. Die Realität ist weit profaner: Die angeblich offene Endlagerfrage ist ein großes Theater, mit dem seit Jahrzehnten der Mythos von den enormen Lasten der Kernenergie für nachfolgende Generationen gepflegt wird. (Laut Hendricks werden mehr als 30.000 Generationen „noch von den Folgen der Atomtechnologie betroffen sein“. Und, man stelle sich vor: Seit Christi Geburt seien dagegen nur 60 Generationen vergangen).
„Atommüll ist keine Menschheitshypothek, sondern ein wertvoller Rohstoff“
Es ist aber schlicht absurd, zu behaupten, ein bisschen strahlender Abfall würde die Menschheit für Jahrhunderte und Jahrtausende beschäftigen oder gar bedrohen. Über solchen Unsinn werden unsere Kinder den Kopf schütteln oder schmunzeln, unsere Enkelkinder erst recht. Von den Menschen im Jahr 2.100, 3.000 oder 10.000 ganz zu schweigen. Glaubt Frau Hendricks im Ernst, in 200 Jahren würde man sich dankbar an die Großtaten früherer Umweltminister erinnern, die dafür gesorgt haben, dass ein paar Fässer an dem besten aller möglichen Orte verbuddelt wurden? Nein, das glaubt sie nicht. Die Zukunft ist ihr fern. Sie interessiert sich dafür, wie sie hier und heute punkten kann. Und Atomangst läuft immer noch super.
Atommüll ist keine Menschheitshypothek, sondern ein wertvoller Rohstoff. Denn er enthält noch etwa 98 Prozent der potenziell nutzbaren Energie. Unsere Nachfahren werden garantiert nicht so dumm sein, ihn dauerhaft rumliegen zu lassen. Sie werden ihn verbrennen. In Schnellspaltreaktoren, wie sie heute schon in Betrieb sind. Oder in Flüssigsalzreaktoren und anderen neuen Reaktortypen, die gerade entwickelt werden. Mehr dazu hier und hier.
PS: Aus Atommüll kann man auch bemerkenswerte Diamant-Batterien herstellen, wie Forscher der University of Bristol kürzlich gezeigt haben.