18.07.2017

Embryonenschutz und Elternschaft

Analyse von Monika Frommel

Titelbild

Foto: DrKontogianniIVF via Pixabay / CC0

Eizell- und Embryonenspenden werfen familien- und strafrechtliche Fragen auf. Mutter ist nach dem Gesetz die Gebärdende. Unbezahlte Embryonenspenden sind erlaubt.

Die meisten Kinder werden auf „natürliche“ Weise gezeugt und geboren. Sie wachsen in traditionellen Familien oder bunten Familienformen auf, und dies wird auch so bleiben. Aber bei immerhin geschätzt 10 Prozent der Paare mit Kinderwunsch und insbesondere bei älteren Frauen – evolutionsbiologisch bedingt setzt bereits ab 35 Jahren das ovarielle Altern ein – muss der Natur nachgeholfen werden. Dies geschieht auch und hat Folgen für unser Verständnis von „Elternschaft“. Verhilft etwa eine heterologe Samenspende (also durch einen Dritten) einem Paar mit einem unfruchtbaren Mann zu einem Kind, fallen Genetik (Samenspender) und rechtliche Vaterschaft (Partner der Frau) auseinander. Wir haben uns längst daran gewöhnt, aber familienrechtlich gibt es noch Grenzfälle, die spätestens in der nächsten Legislaturperiode des Bundestags zu regeln sind.

Beim Dauerbrenner Eizellspende sind die Verhältnisse noch verwickelter. Da stehen sich ideologische Positionen, Geschäftsinteressen und Lebenswirklichkeiten unversöhnlich gegenüber. Zum Zeitpunkt der Entstehung des Embryonenschutzgesetzes (EschG) 1990 war die Rede von einer für das Kindeswohl unerträglichen „gespaltenen“ Mutterschaft gängige Münze. Ihr Wert ist längst auf Null geschrumpft; denn wenn Genetik der Spenderin einerseits und Biologie (Schwangerschaft und Geburt) andererseits auseinander fallen, dann dominiert der Mutterschutz der Gebärenden. Die Mutterschaft ist nicht „gespalten“. Schon das geltende und erst recht das geplante künftige Abstammungsrecht vermeiden eine solche Spaltung. Es definiert die Mutter biologisch und sozial. Zwar gibt es in Regenbogenfamilien in seltenen Fällen zwei Mütter oder zwei Väter, aber nur dort. Es sind rechtliche Mit-Mütter oder bei männlichen Paaren können in ganz seltenen Fällen beide als Väter eingetragen werden. Der Partner des genetischen Vaters wird rechtlich, also verhandelbar, als Vater anerkannt.

„Das deutsche Recht erlaubt Embryonenspenden und verbietet lediglich Eizellspenden.“

Aber ein Unbehagen bleibt. Dieses erklärt auch, weswegen künftig nicht zu erwarten ist, dass ein (möglicherweise in der nächsten Legislaturperiode) geändertes ESchG die Eizellspende erlauben wird. Zwar wollen die Verbände der Reproduktionsmediziner dies seit Jahrzehnten. Aber zu deutlich stehen hinter ihrem Wunsch Geschäftsinteressen. Eine Eizellspende ist leicht zu bewerkstelligen und erspart dem unterdurchschnittlich guten Arzt viel Mühe und Fortbildung. Nur in wenigen Fällen wäre eine – wohlgemerkt altruistische – Eizellspende hilfreich.

Option Embryonenspende

Aber in diesen wenigen Fällen hilft auch eine Embryonenspende (also die Spende einer bereits befruchteten Eizelle). Für sie kämpfen die Verbände aber nicht, sondern sie tun so, als sei das juristisch bedenklich und finanzieren Gegengutachten. Ach, solche Spiele durchschaut man schnell. Die Gesetzgebung ist gut beraten, wenn sie nichts tut, solange die Verbände sich nicht intensiver mit legalen Alternativen wie z. B. der altruistischen Embryonenspende befassen. Das deutsche Recht erlaubt letztere und verbietet lediglich jede Form der Eizellspende. Der tragfähigste Grund ist wohl der, dass Eizellen im Unterschied zur Samenspende nur in einem aufwändigen und für die Spenderin nicht ganz unproblematischen Verfahren gewonnen werden können, was zwangsläufig dazu führen würde, dass sich ein kommerzieller Markt bildet (bzw. ein schon bestehender erweitert und stabilisiert wird), der diese Vorformen des menschlichen Lebens zur Ware macht. 1

In Bayern wurde deshalb ein Verein gegründet („Netzwerk Embryonenspende“), der eine legale Alternative anbietet, die Embryonenspende. 2 Denn es gibt Paare, die bereit sind, als Spender anderen Paaren zu helfen. Im Gegensatz zur Eizellspende sind allerdings die später geborenen Kinder aus einer solchen Spende für die Empfänger genetisch fremd. Das gefällt sehr vielen Wunschmüttern nicht, da sie ein Kind von ihrem Partner haben möchten. Einen Markt für solche Embryonenspenden wird es also nicht geben, damit auch keine hohen Verdienste für ausländische Kinderwunschzentren.

Beliebt ist das „Netzwerk Embryonenspende“ aber auch bei denen nicht, welche gerne Eizellspenden in Deutschland vermitteln wollen. Kein Wunder also, dass sich eine Person gefunden hat, die – angeblich aus „moralischen“ Gründen – eine Strafanzeige erstattet hat. Auch nicht verwunderlich, dass die für später erfolglose Ermittlungsverfahren bekannte, ja berüchtigte, Staatsanwaltschaft Augsburg das Verfahren nicht eingestellt, sondern großflächig Patientendaten beschlagnahmt hat. Nun hat sie beim Amtsgericht Dillingen Strafbefehle gegen die Mitglieder des Vorstandes erwirkt. Das Amtsgericht muss über diese Strafbefehle entscheiden. Sorgen machen sich die Beschuldigten nicht.

„Selbst vermögende Frauen mit Kinderwunsch haben zurzeit unüberwindbare Probleme.“

Bei dieser Embryonenspende ist der Mann rechtlicher Vater, die Frau ist biologisch die Mutter, da sie das Kind ausgetragen und geboren hat. Erfolgt die Spende altruistisch, so ist sie sicher legal; wird ein Entgelt verlangt, dann ist sie verboten. 3 Auch die Rechtsfolgen sind klar und bekannt; denn der Partner der Frau wird als rechtlicher Vater – wie bei einer heterologen Samenspende – geschützt vor Anfechtungsklagen des Kindes. Im künftig geplanten Recht soll dieser Schutz rechtssicher gestaltet und damit verstärkt werden. Es dominiert die verantwortungsvolle Elternschaft.

Pluralisierung von Elternschaft im Recht

Problematische Fälle sind erstaunlich selten, aber es gibt sie. Nach dem zurzeit noch geltenden Familien- und Abstammungsrecht sind es nicht so sehr die Regenbogenfamilien. Hier hat das Bundesverfassungsgericht die Geschwister-Adoption ersonnen, um die Grundrechte der Betroffenen und das Kindeswohl zu harmonisieren. Mit der „Ehe für alle“ lässt sich die schon erreichte Gleichberechtigung vereinfacht umsetzen. In der nächsten Legislaturperiode ist mit einer Reform zu rechnen, welche Mit-Mütter und Zwei-Väter-Familien – auch ohne Adoption – zur Routine machen wird.

Nach noch geltendem Recht bleiben bei allein lebenden Frauen nicht hinnehmbare Grenzfälle. Denn selbst vermögende Frauen mit Kinderwunsch, bei denen keine Armut droht und der Unterhalt gesichert ist, haben zurzeit unüberwindbare Probleme, da sie keinen rechtlichen Vater präsentieren können. Sie müssten – wenn sie mit Hilfe einer ART-Behandlung (Assisted Reproductive Technologies) Mutter werden wollen – eine potemkinsche Familie konstruieren, also einen Scheinvater präsentieren, was viele nicht wollen und was aus anwaltlicher Sicht auch nicht ratsam ist.

Nur die wenigen Frauen in einer lesbischen Beziehung profitieren künftig bereits von der Reform der „Ehe für alle“, weil ihre Partnerin künftig ohne Umstände als rechtliche Mutter eingetragen werden kann. Nicht hingegen diejenigen, welche weder eine Ehe eingehen wollen noch können. Werden sie dennoch nach einer Samenspende (etwa aus Dänemark, da hat sich ein Markt gebildet) Mütter, dann kann es künftig passieren, dass Jugendämter das unverständliche Schweigen der Gesetzgebung missdeuten und künftig den Samenspender (oder den spendenden Mann bei einer Embryonenspende) zum Unterhalt heranziehen, weil es keinen rechtlichen Vater gibt, der die Ansprüche des Kindes blockiert. Bislang ist das nicht geschehen. Aber wohl nur deshalb, weil Reproduktionsmediziner sehr vorsichtig sind und allein lebende Frauen grundsätzlich ins Ausland geschickt haben, wo oft keine Rückverfolgbarkeit der genetischen Abstammung gegeben ist.

„Elternschaft wird an die Bereitschaft geknüpft, Verantwortung für ein Kind zu übernehmen.“

Die Beispiele zeigen, wie veränderbar und variabel die Zuschreibung von Elternschaftist. Es mischen sich – nicht nur im deutschen Recht – verhandelbare normative Gesichtspunkte, feststellbare biologische Tatsachen (Schwangerschaft und Geburt) und normative Kriterien für die Relevanz der Genetik. Letztere ist für die rechtliche Vaterschaft bedeutsam und die Entscheidung, wer die genetische Abstammung wann und zu welchem Zweck feststellen lassen darf.

Geplante Reform

Nun steht die nächste Reform an. Anfang Juli 2017 hat das Bundesjustizministerium (BMJV) dargelegt, dass das Abstammungsrecht (in der nächsten Legislaturperiode) reformiert werden muss. Folgt man den vorgeschlagenen Grundsätzen 4, wird das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner genetischen Abstammung gestärkt werden, im Gegenzug soll der heterologe Samenspender (oder der zusammen mit seiner Partnerin einen Embryo spendende Mann) von allen finanziellen Verpflichtungen frei gestellt werden. Damit werden Rechtsunsicherheiten beseitigt, welche die Ärzteschaft motiviert hatten, ihre Praxis an einem veralteten Modell auszurichten. 5 Die Pluralisierung von Elternschaft kann nun neu verhandelt werden.

Neu ist der Vorschlag des BMJV, die rechtliche Vaterschaft und die „Tilgung“ der biologischen Relevanz der Geburt bei Leihmüttern durch das Prinzip verantwortungsvolle Elternschaft zu begründen. Weder eine Eizellspenderin noch ein Samenspender wollen Eltern werden, desgleichen liegt es auch einer Leihmutter fern, für das geborene Kind zu sorgen. So gesehen macht es Sinn, die rechtliche Vaterschaft zu stärken, wenn entweder schon vor der Befruchtung oder nach der Geburt der Wille zur verantwortungsvollen Vaterschaft dokumentiert ist. Eizellspende und Leihmutterschaft sollen dem Entwurf zufolge dennoch verboten bleiben.

Elternschaft wird nach den Plänen der Reform also an die Bereitschaft geknüpft, Verantwortung für ein Kind zu übernehmen. Die Grenze der Verhandelbarkeit ist aber dennoch unübersehbar. Basis der gesetzlichen Analogien bleibt die natürliche Zeugung und Geburt, ferner das historisch erprobte Modell der Adoption, dem das Prinzip der rechtlichen Elternschaft entlehnt ist. Abgeschafft ist die Analogie aus dem naturrechtlichen Ehemodell, wonach nur „Mann und Frau“ Eltern sein können, und aufgewertet wird der Kinderwunsch der allein lebenden Frau mit Kinderwunsch. Warten wir also auf die nächste Bundestags-Legislaturperiode.

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