11.07.2025
Die woken Freunde des politischen Islam
Von Daniel Ben-Ami
Woke Israelfeinde im Westen, die Hamas & Co. unterstützen, sollte man nicht als Naivlinge betrachten, die die Islamisten fehleinschätzen. Ihre Ideologien ähneln sich vielmehr.
Die Unterstützer Israels begehen einen schwerwiegenden Fehler, wenn sie „Queers for Palestine” mit Truthähnen vergleichen, die für Weihnachten votieren. Dieser Vergleich impliziert fälschlicherweise, dass woke Anti-Israel-Aktivisten, die ihre Unterstützung für islamistische Terrorgruppen wie die Hamas oder die Hisbollah zum Ausdruck bringen, einfach nur ahnungslos oder dumm sind. Leider ist die Realität weitaus beunruhigender.
Zweifellos gibt es unter den selbsternannten Pro-Palästinensern eine gewisse Naivität. Sie stellen jedoch nicht nur in Bezug auf Juden oder Israel eine finstere Kraft dar. Was nur wenigen Beobachtern bewusst ist: Es gibt erhebliche Überschneidungen zwischen der Weltanschauung der Islamisten und der der woken Anhänger der Identitätspolitik.
Der Grund dafür, dass dieses Phänomen keine allgemeine Anerkannung genießt, liegt darin, dass der Islamismus fälschlicherweise als extreme Form des Islams betrachtet wird. Nach gängiger Auffassung sind Islamisten die extremsten Anhänger einer Religion, deren Wurzeln bis ins 7. Jahrhundert zurückreichen. Orthodoxe Kritiker beziehen sich häufig auf islamische Heilige Schriften wie den Koran oder die Hadithe, um ihre Argumentation zu untermauern. Sie verweisen beispielsweise auf antijüdische Passagen, um zu belegen, dass diese den Antisemitismus zeitgenössischer islamistischer Gruppen schüren.
„Zu den Prämissen des Islamismus gehören eine erklärte Feindseligkeit gegenüber der Moderne, eine tiefgreifende Intoleranz gegenüber abweichenden Ansichten, eine Verbundenheit mit einer bestimmten Identität sowie eine Abneigung gegen den Nationalstaat."
Dabei wird jedoch, wie von mir bereits früher dargelegt, übersehen, dass Islamismus nicht gleichbedeutend mit Islam ist. Er ist nicht einmal eine extreme Form davon. Islamismus lässt sich vielmehr als eine Form religiös geprägter Politik verstehen, die erstmals in den 1920er Jahren in Ägypten aufkam und sich seitdem enorm verbreitet hat. Obwohl er sich der Sprache der Religion bedient und tatsächlich selektiv aus islamischen heiligen Texten zitiert, ist der Islamismus eher als eine Form der Politik zu verstehen. Zu den Prämissen des Islamismus gehören eine erklärte Feindseligkeit gegenüber der Moderne, eine tiefgreifende Intoleranz gegenüber abweichenden Ansichten, eine Verbundenheit mit einer bestimmten Identität sowie eine Abneigung gegen den Nationalstaat. Wenn Ihnen das bekannt vorkommt, dann zu Recht. Dies trifft im Allgemeinen gleichermaßen auf die westliche Identitätspolitik wie auf den Islamismus zu. Ein richtiges Verständnis des Islamismus macht die Gemeinsamkeiten zwischen islamistischen und woken Ideen viel deutlicher.
Selbstverständlich bedeutet die Feststellung, dass Islamismus und Identitätspolitik viele Gemeinsamkeiten aufweisen, nicht, dass sie identisch sind. Westliche Verfechter der Identitätspolitik verwenden ein anderes Vokabular als Islamisten, um ihre Ansichten auszudrücken. Es gibt auch Themen, bei denen sie sich unterscheiden. Ein klassisches Beispiel, das oft genannt wird, sind die Rechte von Homosexuellen: Sie werden von den westlichen Woke-Anhängern stark befürwortet, von den Islamisten jedoch vehement abgelehnt (siehe jedoch den Nachtrag zu dieser Frage weiter unten).
Die Tatsache, dass Unterschiede bestehen, sollte uns jedoch nicht die Augen vor den Gemeinsamkeiten verschließen. Neben den bereits genannten Punkten ist der Antisemitismus ein weiteres bemerkenswertes Thema. Islamisten sehen Juden als satanische Kraft, die für viele der Übel der Welt verantwortlich ist, darunter die Französische Revolution und die beiden Weltkriege. Diese Idee stammt nicht aus dem Koran, sondern wurde aus dem europäischen Antisemitismus des 19. Jahrhunderts importiert. Westliche Anti-Israel-Aktivisten meiden zwar die traditionelle Sprache der Moral, sehen Israel aber als Inbegriff des Bösen in der Welt. Das ist es, was sie meinen, wenn sie Israel mit Apartheid, Nazismus und Siedlerkolonialismus vergleichen.
„Anti-Israel-Aktivisten im Westen und Anhänger der Identitätspolitik im Allgemeinen sind Anhänger einer Weltanschauung, die im Widerspruch zu Freiheit und Demokratie steht.“
Anti-Israel-Aktivisten im Westen und Anhänger der Identitätspolitik im Allgemeinen sind weder naiv noch dumm. Sie sind vielmehr Anhänger einer Weltanschauung, die im Widerspruch zu Freiheit und Demokratie steht.
Nachtrag zur neuen Homophobie
Obwohl zwischen Islamisten und Woke-Aktivisten weiterhin Unterschiede bei den Homosexuellenrechten bestehen – westliche Identitäre werfen beispielsweise keine Homosexuellen von Dächern hoher Gebäude –, werden diese Unterschiede immer geringer. Die Aktivistenklasse übernimmt zunehmend die Genderideologie, eine Sichtweise, die die Realität des biologischen Geschlechts leugnet. Aus dieser absurden Prämisse folgt, dass es gleichgeschlechtliche Anziehung nicht geben kann.
Dieser lächerliche Ausgangspunkt führt leicht zu anti-homosexuellen Schlussfolgerungen. So behaupten beispielsweise „Transfrauen“, also biologische Männer, sie hätten das Recht, sich auf Dating-Seiten für Lesben anzumelden. Wer diese Praxis ablehnt, gilt als Fanatiker oder transphob. Wie Andrew Doyle, ein Verfechter der Meinungsfreiheit, findet, kehrt bei solchen Auseinandersetzungen „die Homophobie zurück”. In dieser Frage verringert sich sogar die Kluft zwischen den Woken und den Islamisten.