07.06.2013

Die Lobby der jammernden Talkshowfeministinnen

Analyse von Sabine Beppler-Spahl

In Zeiten des politisch-korrekten Puritanismus kommen Männer schon in Teufels Küche, wenn sie über Frauenkörper nur sprechen. Der unklare Begriff der sexuellen Belästigung und Harmonie um jeden Preis führen zu einer Kultur des Jammerns.

„Einmal war ich mit einer fanatischen Frauenrechtlerin im Fernsehen. Sie sagte, wie schrecklich es sei, dass Frauen Sexobjekte sind. Ich musste antworten, dass es nur eine Sache gibt, die schlimmer ist, als ein Sexobjekt zu sein. „Und was ist das?“, fauchte sie zurück. „Kein Sexobjekt zu sein“, antwortete ich. (Sten Hegeler)

Während in Deutschland das Buch von Alice Schwarzer und Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) mit dem Titel Es reicht vorgestellt wird, strahlt das dänische Fernsehen eine neue Talkshow aus. Darin sprechen zwei Männer über Frauen und Sex, während eine nackte Frau vor ihnen steht.

Initiator der Sendung, die im öffentlich-rechtlichen dänischen Fernsehen läuft, ist der Künstler Thomas Blachman. Neben ihm sitzt Sten Hegeler, ein über 90 Jahre alter Sexologe und Psychologe. Zu Beginn erklärt Blachman, was ihn zu der Sendung bewogen hat: „Sind Deine Freunde auch schon tot, weil sie keine Männer sein dürfen?“, fragt er. Er jedenfalls leide unter einer Gesellschaft, in der es auf der einen Seite zu viel Pornographie und auf der anderen Seite viel zu viel politisch-korrekten Puritanismus gebe. Männer, so seine Botschaft, dürften im öffentlichen Raum kaum noch über Frauenkörper sprechen und es sei Zeit, dieses Tabu zu brechen.

Nun wird im deutschen Fernsehen auch gerne über Sex geredet. Der Unterschied ist aber, dass die hiesigen Debatten den von Blachman beklagten puritanischen Stil bevorzugen. Der beginnt schon damit, dass Frauen zwar über Männer klagen dürfen, aber nicht anders herum. In der Regel erklären uns dann wortstarke Frauen vom Schlage Schwarzers, wie schlecht es dem weiblichen Teil der Gesellschaft geht, und was sich noch alles ändern müsse – allen voran natürlich die Männer. Das mit der Nackten ginge bei uns natürlich auch nicht, denn alles, was den Anschein sexueller Diskriminierung hätte, müsste sofort verbannt werden.

„Es stimmt nicht, wenn es pauschal heißt, Frauen seien zum Schweigen verdammt und Schürzenjägern schutzlos ausgeliefert.“

Die Publizistin Katharina Rutschky sprach von einem „hysterisch-pädagogischen“ Ton, den eine gut verankerte und medienerprobte feministische Lobbygruppe bei uns zum Standard gemacht hat. Der zeigt sich immer wieder, wenn, wie auch im neuesten von Schwarzer herausgegebenen Werk, über den „alltäglichen Sexismus“ in unserem Land diskutiert wird. Auslöser einer solchen Debatte im Fernsehen war zuletzt ein Bericht über einen alternden Politiker, der einer jungen Journalistin am Tresen einer Bar Avancen gemacht haben soll. „Genug runtergeschluckt. Genug gelächelt. Jetzt wird es wieder ernst“, hämmerte die Autorin, ihren Buchtitel voraus nehmend, damals in ihren Blog. Anne Wizorek, Initiatorin der Kampagne „Aufschrei“ und Mitautorin, sprach bei Günther Jauch von einem „Fass, das zum Überlaufen gebracht“ wurde.

Die Aufregung, die der Fall ausgelöst hatte, gibt dem Dänen Blachman recht, der meint, unsere Gesellschaft sei zu sensibel, wenn es darum geht, wie Männer mit und über Frauen sprechen. Wir leben wahrlich nicht in einer Gesellschaft, in der Männer sagen dürfen, was sie möchten, wie Schwarzer und Wizorek es zu glauben scheinen. Im Gegenteil, der Vorwurf sexueller Belästigung ist so bierernst, dass jeder Mann jederzeit in Teufels Küche kommen kann, wenn ihm eine anzügliche Bemerkung, egal welcher Art, nachgesagt wird.

„Wer Harmonie um jeden Preis möchte, sollte am besten gleich alle Emotionen verbieten.“

Deshalb stimmt es auch nicht, wenn es pauschal heißt, Frauen seien zum Schweigen verdammt und Schürzenjägern schutzlos ausgeliefert. Das müsste auch Frau Schwarzer wissen, denn sogar in ihrem Buch können wir nachlesen, dass sexuelle Belästigung im Beruf schon seit 1994 geahndet wird. Noch 2011 entschied das Bundesarbeitsgericht, dass Mitarbeitern fristlos gekündigt werden kann, wenn sie Kolleginnen verbal belästigen. Außerdem schmückt sich heutzutage jede größere Institution, Stadt oder Universität mit einem Frauenbeauftragten, der sich des Themas gerne annimmt.

Dabei, und das wird im Buch natürlich nicht erwähnt, ist kaum ein Begriff so schwammig und unklar wie der der sexuellen Belästigung. Die EU definiert sexuelle Belästigung unter anderem als „ein geschlechtsbezogenes Verhalten, das sich in verbaler Form äußert“ und die „Verletzung der Würde einer Person“ oder ein durch „Demütigung und Verletzungen geprägtes Umfeld bewirkt“. Das lässt viel Interpretationsspielraum zu und es stellt sich die Frage, wie sich Männer vor unbegründeten Beschuldigungen schützen können. Unser Dirndl-Busen-Beispiel jedenfalls zeigt, wer die Meinungsführerschaft übernommen hat; denn wer die Talkshows dominiert, der verfügt über Einfluss und Macht.

Gewiss, es gab kritische Stimmen, die die Motive der anklagenden Journalistin in unserem obigen Beispiel hinterfragten. Diese hatte es schließlich von einem Tag zum anderen zu einigem Ruhm gebracht. Auch stand eine auflagenstarke Zeitung hinter ihr, was dem Bild des Opfers durchaus widerspricht. Doch trotz der vielen Ungereimtheiten konnte in der Öffentlichkeit das Märchen vom unschuldigen Rotkäppchen und dem bösen Wolf verbreitet werden.

Dass dies so leicht möglich war, hatte mehrere Gründe. Der erste liegt im allgemeinen Klima, das dazu tendiert, Frauen Recht zu geben, wenn es um sexuelle Belästigung geht. In unserem Beispiel spielt aber auch die Skepsis gegenüber der Politik und den Parteien eine Rolle. Da der betroffene Politiker Mitglied einer kleineren, bei vielen relativ unbeliebten Partei war, bot sich der Fall für die Talkoshowfeministinnen geradezu an. Politikverdrossenheit und wohl auch Vorurteile gegen ältere Männer trugen dazu bei, dass der Fall unter dem Schlagwort „Altherrenwitz“ schnell als ausgemachte Sache gelten durfte.

Was ist aber mit dem Argument, sexuelle Belästigung sei bei uns ein riesiges Problem? Was ist mit dem Twitter-Sturm, den Frau Wizorek auslöste, als sie Frauen aufforderte, ihre Erlebnisse mit der Öffentlichkeit zu teilen? Auch hier täte eine etwas gesündere Perspektive gut. Ein Twitter-Sturm ist nichts mehr als ein Twitter-Sturm und keine breite Protestbewegung. Er kann uns darin bestätigen, was wir ohnehin schon wissen: dass es im Zusammenleben zwischen Männern und Frauen nicht immer harmonisch zugeht. Ja, es gibt Männer, die sich ungeschickt, aufdringlich oder einfach nur blöd verhalten. Aber können und wollen wir jede Dummheit und Geschmacklosigkeit abschaffen oder verbieten?

„Warum vergessen wir nicht das ganze Gerede über sexuelle Belästigung und vertrauen auf die Fähigkeiten von Frauen und Männern, ihre Probleme selber zu lösen?“

Es soll übrigens auch Frauen geben, die Männern das Leben schwer machen und sich ungeschickt oder unfair verhalten (was vielleicht den Erfolg der dänischen Sendung erklärt). Andererseits soll es Frauen geben, die sich freuen, wenn Männer ihren Busen anerkennend betrachten. Tatsächlich kann das, was in dem einen Fall als sexuelle Belästigung aufgefasst wird, in einem anderen Fall als Kompliment oder veritable Liebeserklärung gelten. Nichts ist so voller Fallstricke wie unser Gefühls- und Liebensleben. Reichlich naiv klingt daher der „Twitter Star“ Wizorek (Bild-Zeitung), wenn sie fordert, Flirts sollten immer nur auf Gegenseitigkeit beruhen. Wer Harmonie um jeden Preis möchte, sollte am besten gleich alle Emotionen verbieten.

Dazu ein Vorschlag zur Güte: Warum vergessen wir nicht das ganze Gerede über sexuelle Belästigung und vertrauen auf die Fähigkeiten von Frauen und Männern, ihre Probleme selber zu lösen? Gefällt einer Frau das Verhalten eines Mannes nicht, kann und wird sie sich dagegen wehren. Wieso glauben unsere Fernsehfeministinnen, dass wir sie als Beschützer benötigen? Wer hat sie überhaupt zu unseren Fürsprechern bestimmt? Diese Fernsehstars vertreten keine Bewegung, sondern ihre eigenen Interessen.

Ganz anders als frühere Frauenbewegungen stellen sie keine handfesten politischen Forderungen, die uns alle weiterbringen. Stattdessen wird der Blick auf die einzelne Frau und ihren persönlichen „Frust“ gelenkt. So befördern die Debatten eine Kultur des Jammerns, die sich nicht zuletzt im Ruf „es reicht“ widerspiegelt. Auch tragen sie dazu bei, dass manche Frauen tatsächlich glauben, sich ständig gegen ihre (männlichen) Mitmenschen zur Wehr setzen zu müssen. Vielleicht dürfen wir es als Erfolg feiern, wenn die Talkshows weder Frauen noch Männer als Opfer der Gegenseite darstellen?

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