09.04.2019

Die Insekten auf der grünen Wiese

Von Thilo Spahl

Titelbild

Foto: m_baecher via Pixabay / CC0

Man könnte mit relativ einfachen Maßnahmen viel für den Artenschutz tun. Das Bienen-Volksbegehren in Bayern bedient aber leider vor allem Lobbyinteressen.

CSU und Freie Wähler haben sich Anfang April darauf verständigt, dem Gesetzentwurf des von der Ökologisch-Demokratischen Partei (ÖDP) gestarteten Volksbegehrens "Rettet die Bienen" im Landtag zuzustimmen. Bereits am 8. Mai sollen die Abgeordneten den Gesetzentwurf in erster Lesung besprechen.

Das mit 1,75 Millionen Unterstützern erfolgreichste Volksbegehren in der bayerischen Geschichte  setzt an einem realen Problem an, dem Rückgang des Lebensraums von Insekten sowie anderen Tieren und Pflanzen. Der eingebrachte Gesetzentwurf sieht eine Reihe von Maßnahmen vor, um dem entgegenzuwirken. Leider ist es eine Mischung aus sinnvollen und weniger sinnvollen Regelungen. Das ist nicht verwunderlich, denn es engagieren sich eine Vielzahl von Organisationen, die unterschiedliche Interessen haben.

Das Wiesensterben

Der wesentliche Grund für den Rückgang bei Insekten, Vögeln und anderen Tieren, ist, was Michael Miersch von der Deutschen Wildtierstiftung nicht zu Unrecht als „Wiesensterben“ bezeichnet. Etwas neutraler könnte man es „Veränderungen in der Grünlandnutzung“ nennen. Der Anteil „magerer“ und daher artenreicher Wiesen ist in Deutschland um 90 Prozent gesunken. Über 1000 Pflanzen- und mehr als 3000 Tierarten sind davon massiv betroffen. Was ist mit den Wiesen passiert? Zwischen 1990 und 2013 wurden in Deutschland 600.000 Hektar umgepflügt. Denn die Politik subventionierte die Biogaserzeugung, und die Landwirte stellten sich auf diese neuen Rahmenbedingungen ein und erzeugen seitdem im großen Stil Energie-Mais. Das Maisfeld ist aber in Hinblick auf die Artenvielfalt das genaue Gegenteil der Wiese. Es ist eine grüne Wüste. Doch auch das verbleibende Grünland hat sich gewandelt. Es ist von der Wiese zum Grasacker geworden.

„Pestizide spielen für die Biodiversität eine untergeordnete Rolle. Sinnvoll eingesetzt erhöhen sie eher die Artenvielfalt, als sie zu senken.“

„Wir fahren übers Land und sehen grüne Wiesen“, schreibt Michael Miersch. „Oft ist das Grün schön gelb getupft vom Löwenzahn. Wo ist das Problem? Gras wächst doch überall? Stimmt, aber was wir sehen, sind keine Wiesen mehr, sondern ‚Grasäcker‘.  Landwirte bauen oft nur noch eine einzige Sorte Gras an, die sich besonders gut als nahrhaftes Rinderfutter eignet. Verschwunden sind die bunten Blumen, die Kräuter und die Artenvielfalt der Wildgräser. Selbst ein Fußballfeld besteht aus mehr Grasarten als eine Hochertragswiese.“ Und wo das Gras so üppig wächst, ist es relativ kalt und nass, was die Insekten gar nicht mögen. Und es kann oft gemäht werden, was Vögel und andere kleine Tiere das Leben kostet.

Es geht nicht um Pestizide

Der Gesetzentwurf hat zumindest einen vernünftigen Kern: das Verbot, Dauergrünland und Dauergrünlandbrachen umzuwandeln sowie die Vorgabe, auf einem Teil der Flächen erst später im Jahr zu mähen. Irreführend ist indes die Begründung des Gesetzentwurfs. Dort heißt es in Hinblick auf den Rückgang der Artenvielfalt: „Ursächlich hierfür sind der übermäßige Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden sowie die strukturelle Verarmung der Landschaft.“ Als Problem erscheint so in erster Linie die Agrochemie. Als Lösung wird entsprechend zeitgeistkonform der Ökolandbau präsentiert. Im Gesetzesentwurf heißt es, dass bis 2025 mindestens 20 und bis 2030 mindestens 30 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen in Bayern gemäß den Grundsätzen des ökologischen Landbaus bewirtschaftet werden sollen. (Aktuell sind es laut ÖDP 6,6 Prozent.) Dieser zeichnet sich bekanntlich durch Verzicht auf künstliche Pestizide sowie Kunstdünger aus. (Nicht etwa durch den Verzicht auf Pestizide und Dünger!) Den Wiesen ist damit aber nicht geholfen und somit auch nicht den Insekten, Vögeln, Eidechsen usw.

Pestizide spielen für die Biodiversität eine untergeordnete Rolle. Sinnvoll eingesetzt erhöhen sie eher die Artenvielfalt, als sie zu senken. Werden im Ackerbau weniger Pestizide eingesetzt, verringern sich die Erträge. Das heißt, es müssen (irgendwo anders) bisher ungenutzte Flächen zur Nahrungsmittelproduktion herangezogen werden. In Summe steigt so der Flächenverbrauch (wenn auch nicht unbedingt in Bayern) und der Druck auf die Artenvielfalt erhöht sich.

Der ökologische Landbau ist per se nicht geeignet, die Artenvielfalt zu fördern. Wenn das Gesetz also vor allem dazu führen wird, den Ökolandbau massiv auszubauen, geht es am Ziel vorbei. Es wird mit hohem Aufwand wenig erreicht, anstatt mit wenig Aufwand viel zu erreichen. Denn der Schlüssel zum Artenschutz sind nicht die Äcker und auch nicht die Wälder, sondern das Grünland. Und auf dem Grünland ist das Problem nicht Pestizideinsatz, sondern Düngung. Bei dieser ist es aber ganz egal, ob sie mit Kunstdünger oder mit organischem Material erfolgt. Das Problem des Wiesen- und damit des Artensterben ist leicht zu lösen, so Miersch: „Seltener Mähen und weniger Düngen ist alles, was getan werden müsste.“

„Es wäre geboten gewesen, einen Gegenentwurf vorzulegen, der nicht auf den Lobbyinteressen des ökologischen Landbaus und der Chemophobie aufbaut."

Daher wäre es geboten gewesen, einen Gegenentwurf vorzulegen, der nicht auf den Lobbyinteressen der Propagandisten des ökologischen Landbaus und der (leider publikumswirksamen) Chemophobie aufbaut, sondern sich auf die Maßnahmen konzentriert hätte, die wirklich etwas bringen: die Förderung von Magerwiesen. Und gerne auch noch den im Gesetzentwurf enthaltenen „Schutz von Feldgehölzen, Hecken, Säumen, Baumreihen, Lesesteinhaufen, Natursteinmauern, natürlichen Totholzansammlungen, Feldrainen und Kleingewässern“ sowie von „Gewässerrandstreifen, Bodensenken und Alleen.“ 

Dem Artenschutz ist insbesondere dann gedient, wenn Grünland weniger intensiv genutzt wird. Der Gesetzentwurf zielt dagegen in erster Linie darauf, dass Ackerland weniger intensiv genutzt wird. Dabei würde gerade die Intensivierung des Ackerbaus durch optimale Düngung und effektiven Pflanzenschutz ermöglichen, bei gleichem Ertrag mehr Flächen zur extensiven Grünlandbewirtschaftung und damit als vielfältigen Lebensraum zur Verfügung zu haben. Stattdessen wurde nun verkündet, man wolle ein „Gesamtpaket schnüren, das sich gewaschen hat“, so Freie-Wähler-Chef Aiwanger. Und das wohl alle möglichen Lobbyinteressen und Vorurteile mit viel Geld bedient, in der Hoffnung, die CSU grüner als die Grünen erscheinen zu lassen.

Grüne Wähler fest im Blick

Durch ein Volksbegehren können Gesetzesvorlagen in den Landtag eingebracht werden. Der Landtag kann dann den Gesetzentwurf des Volksbegehrens unverändert annehmen. Er kann ihn aber auch ablehnen und einen eigenen Alternativ-Vorschlag vorlegen. Die Bayerische Staatsregierung hat nun entschieden, keinen Gegen-Gesetzentwurf zu erarbeiten, sondern den Vorschlag lediglich zu ergänzen.

„Mit Bienen hat das Volksbegehren übrigens trotz des Slogans „Rettet die Bienen!“ nicht direkt zu tun."

Das eingebrachte Gesetz wird nicht umgesetzt, weil die Regierung überzeugt wäre. (Zumindest der Koalitionspartner der CSU, die Freien Wähler, war alles andere als begeistert. Aiwanger nannte das Volksbegehren praxisuntauglich und einen „Kartoffelsack", der jetzt zu einem „Arbeitsanzug“ umgeschneidert werden müsse.) Es wird auch nicht umgesetzt, weil das Volk mehrheitlich dafür gestimmt hätte. Es wird umgesetzt, weil Ministerpräsident Markus Söder sich nicht sicher sein konnte, in einem Volksentscheid eine Mehrheit für einen Gegenentwurf zu erhalten. Das wäre dann ein großer Reinfall. Er wäre Verlierer und die Grünen wären die Gewinner. Taktisch klug hat er den Gesetzentwurf stattdessen jetzt einfach angenommen. Es ist auch in Bayern angekommen: Von Angela Merkel lernen, heißt siegen lernen. Söder ernennt sich zum Retter der Bienen, und verspricht noch viel mehr gute Taten.

Der „ergrünte Nürnberger“ (BILD-Zeitung) übernimmt die Rolle des Inklusionsmanagers und Moderators. Seine Botschaft lautet: „Annehmen, verbessern, versöhnen!“ Alles, was im Gesetzentwurf stehe, werde umgesetzt. Bei der Art und Weise der Umsetzung werde eine Reihe von Anpassungen vorgenommen, damit es praxistauglich werde, und die „Versöhnung“ besteht vor allem darin, die Landwirte für die neu auferlegten Pflichten oder wegfallende Prämien zu kompensieren. Viel Geld soll fließen, der Steuerzahler wird zur Kasse gebeten. Außerdem soll ein neues Schulfach mit dem obskuren Namen „Alltagskompetenz“ eingeführt werden, um das Verständnis von Natur und Landwirtschaft zu verbessern. Das ganze Paket werde Bayern bundesweit einen ökologischen Spitzenplatz sichern. Einigkeit auf der ganzen Linie ist angesagt. Voll des Lobes ist der „schwarze Öko-Markus“ (BILD Zeitung) für die Initiatoren des Volksbegehrens und die konstruktive Zusammenarbeit. Die freuen sich, weil sie „noch jede Menge weitere Ideen in petto“ haben.

PS: Mit Bienen hat das Volksbegehren übrigens trotz des Slogans „Rettet die Bienen!“ nicht direkt zu tun. Natürlich zählen zu den Insekten, um die es geht, auch Wildbienen. Die Honigbiene, die immer abgebildet wird, aber überhaupt nicht gefährdet ist, sei dagegen, so die Initiatoren selbst, nur ein „Maskottchen“.

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