20.03.2013

Das Spiel mit der Freiheit

Kommentar von Christoph Lövenich

Die Glückspielverordnung soll novelliert werden. Das läuft auf eine weitere staatliche Regulierung des menschlichen Spieltriebs hinaus. Wie die Gesundheitspolitik möglichst viele Menschen zu kranken, hilfsbedürftigen, unmündigen Süchtigen stigmatisiert

Wie schon vor zwei Jahren von der Drogenbeauftragten Mechthild Dyckmans (FDP) angedroht, soll jetzt die „Verordnung über Spielgeräte und andere Spiele mit Gewinnmöglichkeit“, kurz: Spielverordnung, novelliert – und das heißt heutzutage: restriktiver gestaltet – werden. Die von Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) entworfene Rechtsvorschrift, abgesegnet auch vom Bundesgesundheitsministerium unter Daniel Bahr (FDP), beinhaltet nicht, wie das Parteibuch der Beteiligten vortäuschen könnte, liberale Regelungen, sondern weitreichende Verbote: In Gaststätten soll künftig in der Regel nur ein Glückspielautomat hängen dürfen, so dass sich deren Zahl dort von bisher 70.000 über die nächsten Jahre fast halbieren soll. Bis in kleine technische Details wie eine Spielunterbrechung, die stärkere Beschränkung von Automatiktasten und die Geldspeichrung der Geräte wird hinein reguliert. Besonders bedeutsam dürfte die Einführung einer sogenannten Spielerkarte sein, die ein Spieler in der Gaststätte oder privaten Spielhalle nach Alterskontrolle erhält und mit der er nur ein einziges Spielgerät gleichzeitig bedienen kann. Hierfür wird wie üblich bei staatlichen Freiheitseinschränkungen der Jugendschutz bemüht, aber auch der „Spielerschutz“, denn das Individuum muss nach herrschender Auffassung ja immer mehr vor sich selbst geschützt werden, wie ein kleines Kind, für den Vater Staat und Mutter Obrigkeit selbstredend immer nur das Beste wollen. Die Drogenbeauftragte wollte eigentlich sogar einen personengebundenen Ausweis mit den persönlichen Daten des jeweiligen Spielers durchsetzen, der dann überwach- und sperrbar wäre, also eine Big-Mother-Karte. Auch wenn die Automatenbeschränkung die nicht zuletzt durch die Landesrauchverbotsgesetze gebeutelten Kneipen um weitere Attraktionen ärmer macht, so muss auch hier von einem Kompromiss gesprochen werden. Denn Dyckmans stritt zunächst für ein Totalverbot von Spielautomaten in der Gastronomie. Angesichts dieser weitreichenden Forderung kann sich der Wirtschaftsminister und FDP-Parteivorsitzende immerhin damit brüsten, für eine etwas weniger illiberale Gängelung gesorgt zu haben. Ein tatsächlich relativ liberales Verdienst der FDP - das schleswig-holsteinische Glücksspielgesetz - haben Rote, Grüne und Deutschdänen dort übrigens jüngst wieder gekippt, und auch zur Glückspiel-Verordnung auf Bundesebene klingt es von der grünen Seite, als könne man sich durchaus strengere Einschränkungen vorstellen.

„Entscheidend ist die Stigmatisierung möglichst vieler Menschen zu kranken, hilfsbedürftigen, unmündigen Süchtigen“

Solche Einschränkungen bedürfen übrigens keinerlei Beschlusses des Bundestags, nicht einmal der Bundesregierung. Eine knappe Woche lang durften betroffene Lobbyisten Ende Februar ihre Kommentare abgeben, sonst wurde niemand gefragt. Regulierung findet hier als technisches Hinterzimmergeschäft statt. Die betroffenen Bürger und die Volksvertreter sind außen vor. Immerhin kann die novellierte Verordnung erst nach Zustimmung des Bundesrates, der sich in den nächsten Monaten damit befasst, in Kraft treten. Dort sitzen jedoch die Landesregierungen, die als Betreiber der meisten deutschen Spielkasinos sowie der Lotto-Toto-Gesellschaften den privatwirtschaftlichen Spiel-Kameraden nur zu gerne die Schäufelchen aus der Hand reißen wollen. Viele Staatskasinos hatten in den letzten Jahren große Umsatzeinbrüche zu verzeichnen, die mit den Rauchverboten, erst recht den totalen, etwa in Bayern, einhergingen. Zum Teil verliert sogar die Bank und muss draufzahlen, denn es sind nicht nur die Gewinne gesunken, sondern teilweise werden tatsächlich Verluste eingefahren.

Das Staatslotto dient den Bundesländern nicht nur als Einnahmequelle, sondern versorgt abgehalfterte Landespolitiker traditionell auch mit gut dotierten Geschäftsführerposten. So nimmt es nicht Wunder, dass als einer der „amtierenden Federführer des Deutschen Lotto- und Totoblocks“ Peter Jacoby, vor kurzem als saarländischer Finanzminister abserviert, das Wort zur Spielverordnung ergreift, und noch härtere Gängelei der lästigen Konkurrenz einfordert. Die Grenze zur Heuchelei überschreiten solche Funktionäre spielend, indem sie mit Glücksspiel kräftig Kasse machen und gleichzeitig in den Chor moralischer Empörung über die ach so schändliche Spielsucht lauthals einstimmen. Hier sind die Grünen zumindest konsequenter, die für staatliche Spielbanken mindestens das gleiche Maß an Überregulierung einfordern wie bei privaten Betreibern, da dort „Gewinn- und Verlustmöglichkeiten an den Spielautomaten bereits heute um ein Vielfaches höher sind als in privaten Spielhallen und damit auch das Suchtpotential“.

Therapeutisch-prohibitionistische Lobby

Unterstützt werden diese einflussreichen politischen Kreise durch eine eingespielte therapeutisch-prohibitionistische Lobby aus verschiedenen Verbänden und universitär Tätigen, die sich teilweise überschneidet mit denjenigen Kreisen, die gegen Tabak und Alkohol zu Felde ziehen. Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (Nachfolgerin der nationalsozialistischen Reichstelle gegen die Alkohol- und Tabakgefahren) ist mit dabei, der Deutschen Gesellschaft für Suchtforschung und Suchttherapie sitzt der in Sachen Tabakbekämpfung erprobte Anil Batra vor, dem Vorstand gehört außerdem Rainer Thomasius an, umstrittener Akteur gegen die Liberalisierung des Cannabiskonsums; der Hamburger Professor Michael Adams tummelt sich schon lange auf diversen Spielplätzen der gesundheitsbezogenen Volkserziehung. Substanzgenuss und Handlungen, wie Glücksspiel, werden in einen Topf geworden, entscheidend ist dabei die Stigmatisierung möglichst vieler Menschen zu kranken, hilfsbedürftigen, unmündigen Süchtigen, deren Vormundschaft man über ein entschiedenes Eintreten für Zwang und repressive Regulierung beansprucht. Jeder Spieler wird unter den Generalverdacht gestellt, ein unkontrolliertes (und deshalb staatlich zu kontrollierendes) Individuum zu sein und den angestrebten Machtzuwachs der Regulierer verkauft man dann als Allheilmittel gegen persönliche Probleme mancher exzessiver Spieler.

Denn mit der Pathologisierung menschlichen Verhaltens lässt sich gutes (Steuer)Geld verdienen, ob nun bei der Forschungsstelle Glücksspiel in Hohenheim oder beim Münchner Institut für Therapieforschung, das auch ein „Rauchfrei-Programm“ unterhält und von allerlei Behörden Aufträge mit sanitaristischer Stoßrichtung erhält. Die Wünsche des Auftraggebers, ideologischer Tunnelblick und der Drang zum Expertenstatus seitens beteiligter Forscher - den man bei diesen Themen mittlerweile leider meist durch moralisierende Gegnerschaft erhält - treten oftmals an die Stelle nüchterner, wertneutraler Wissenschaft. Ein solcherart wissenschaftlich verbrämter Aktivismus zeigt sich etwa in einer Präsentation des Bremer Psychologen Tobias Hayer. Hierin wird unter anderem lamentiert, dass Warnhinweise auf Spielautomaten nicht die Größe derjenigen auf Zigarettenpackungen einnehmen oder dass in Deutschland der flächendeckende Abriss von Spielhallen oder ihre Verstaatlichung wohl nicht durchzusetzen wären. Deshalb fordert Hayer sehr detailverliebt diverse Eingriffe in das Automatendesign, um deren Attraktivität für Spieler zu verringern. Die oben erwähnte Spielerkarte erachtet er gar „nur in Kombination mit biometrischer Erkennung wie etwa einem Fingerabdruck [für] sinnvoll.“

Wie beim Tabak und Alkohol gewinnen solche gut vernetzten Kräfte an Boden und können zunehmenden Einfluss auf die staatliche Politik ausüben. Nach bewährter Salamitaktik zieht sich die Schlinge für die Glückspielanbieter immer enger. Privatwirtschaftliche Anbieter werden zunehmend dämonisiert. Auf der Strecke bleiben dabei der Mensch und sein Spieltrieb. Man fängt wohl nicht zufällig beim Automatenspieler in Spielhallen und Gaststätten an. Denn dieser Spielertypus eignet sich kaum als Identifikationsfigur für die Mehrheitsbevölkerung. Die Drogenbeauftragte Dyckmans trägt das ihrige zur Bildung von Vorurteilen bei, indem sie ihn als „30 Jahre alt, männlich, arbeitslos, und häufig mit Migrationshintergrund“ stereotypisiert, was in der Vorstellungswelt (nicht nur) der politischen Eliten einem ‚Verlierer aus der Unterschicht‘ entspricht. So können sich andere von staatlicher Einmischung in ihren Lebensstil bedrohte Individuen (noch) in trügerischer Sicherheit wiegen. Aber mit der Freiheit des anderen steht auch die eigene Freiheit auf dem Spiel.

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