19.03.2025
Das Ende einer großartigen Karriere?
Mit der Trump-Präsidentschaft in den USA könnte es bergab gehen, befürchtet ein russischer Ökonom. Manche Projekte könnten scheitern, Unterstützer sich von Donald Trump abwenden.
Es ist erst wenige Wochen her, dass Donald Trump triumphal ins Weiße Haus eingezogen ist und ein „goldenes Zeitalter“ für Amerika ausgerufen hat. Aber in dieser kurzen Zeit hat er so viel erreicht, dass man sagen kann: Eine der spektakulärsten politischen Karrieren der letzten Jahrhunderthälfte ist zu Ende gegangen oder diese kurz bevorsteht.
Sein Erfolg und seine weitreichenden Programme waren beeindruckend und vernünftig zugleich. Der Krieg in der Ukraine muss beendet werden (weil ihn ohnehin keine der Kriegsparteien gewinnen kann); der demonstrative Kreuzzug des Westens gegen die eigenen Werte und Traditionen muss gestoppt werden (weil er die Grundlagen des gesellschaftlichen Zusammenlebens radikal untergräbt); die USA müssen ihre Ausgaben drastisch kürzen und das Verwaltungssystem optimieren (auch weil die gigantische Gießkannenhilfe für alle Pechvögel der Welt letztlich niemandem hilft, sondern nur die Menschen entmutigt, eigene Anstrengungen zu unternehmen). All diese Aufgaben waren und sind absolut richtig und wichtig. Aber die Art und Weise, wie der alte neue Präsident sie angeht, zeigt, dass der Erfolg nicht nur nicht garantiert, sondern sogar unwahrscheinlich ist.
Trumps größter Fehler ist seine Überzeugung, dass jedes Problem sofort und auf einen Schlag gelöst werden kann. Dementsprechend besteht sein Beraterkreis fast ausschließlich aus Personen, die diese Überzeugung teilen. Daher die Entscheidungen, Bundesbeamte zu entlassen, eine ganze Reihe staatlicher Strukturen zu schließen, Transgender aus der Armee auszuschließen, demonstrative Abschiebungen durchzuführen oder Militärhilfe gegen ukrainische Rohstoffe einzutauschen. All diese Initiativen werden sicherlich weitergeführt und teilweise auch umgesetzt, aber die Frage nach dem Endergebnis bleibt offen. Die Schließung von USAID und Kürzungen in der Verwaltung sind prinzipiell richtig, aber was bringen sie wirklich für den Staatshaushalt? Das Budget für 2025 wurde mit Ausgaben in Höhe von sieben Billionen US-Dollar verabschiedet. Wie verändert sich diese Summe für 2026? Geht das Defizit merklich zurück? Die Chancen stehen nicht gut. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die USA die Kontrolle über einen Teil der ukrainischen Bodenschätze bekommen – aber gibt es sie? Während die Amerikaner von einem 500-Milliarden-Deal sprechen, wird die weltweite Nachfrage nach Seltenen Erden im Jahr 2024 auf 6,2 Milliarden Dollar geschätzt. Von der Annexion Grönlands und der Umsiedlung der Palästinenser aus Gaza will ich gar nicht reden: Dieses Feuerwerk an Ideen hat keine Chance auf Realisierung.
Das Problem, das diese Initiativen schaffen, besteht darin, dass sie, wenn sie scheitern oder (fast) keine Wirkung zeigen, Trumps Image vom „Rebellen“ oder „Revolutionsführer“ in das eines Verlierers verwandeln, der nicht in der Lage ist, die großen Aufgaben zu bewältigen, von denen er selbst immer wieder spricht, vor allem die Eindämmung Chinas, das doch als wichtigster geopolitischer Gegenspieler der USA gilt. Dieses Image wird ihn früher oder später (meiner Meinung nach eher früher als später) von einem Aktivposten für die US-Politik zu einer Belastung machen.
„Trump hat gezeigt, dass er ein Politiker ist, der nicht nur die ethischen, sondern auch die politischen Ziele der Menschen, mit denen oder gegen die er arbeitet, weitgehend ignoriert.“
Abgesehen von seiner mangelnden Effizienz hat Trump gezeigt, dass er ein Politiker ist, der nicht nur die ethischen, sondern auch die politischen Ziele der Menschen, mit denen oder gegen die er arbeitet, weitgehend ignoriert. Bei seinen Verhandlungen über die Ukraine berücksichtigte er weder die Unmöglichkeit für Selenskyj, ein hinter seinem Rücken abgeschlossenes Abkommen zu akzeptieren, noch die Unfähigkeit der EU, seinen (Trumps) Wünschen schnell genug zu folgen: Selbst der völlige Entzug amerikanischer Hilfe für die Ukraine und das Bewusstsein der russischen Gefahr können Europa kaum aus seinem politischen und militärischen Dornröschenschlaf wecken.
Auch wenn wir heute nur von einem Zwischenergebnis sprechen können, so ist es doch eindeutig genug: Trump hat gegenüber dem Kreml alle Verhandlungspositionen aufgegeben, noch bevor die Verhandlungen richtig begonnen haben. Diese Kapitulation gibt Russland nun grünes Licht, seine Ansprüche weiter zu erhöhen, was für Amerika das genaue Gegenteil von „great again“ bedeutet. Besonders tragisch ist, dass der amerikanische Plan anfangs recht vielversprechend war: Am 5. Januar erklärte Selenskyj zum ersten Mal, dass die Ukraine möglicherweise territoriale Verluste akzeptieren würde – und die EU schweren Herzens akzeptieren müsse, dass sie ihre Militärausgaben erhöhen müsse (Ursula von der Leyen sagte dies auf der Münchner Sicherheitskonferenz wenige Minuten vor Beginn der philippischen Rede von Vance). Doch der Versuch der Trump-Regierung, alles ‚auf einen Schlag‘ zu erledigen, hinterließ auf allen Seiten Verwirrung und Ratlosigkeit.
Überraschend ist, dass Trump nicht nur keine wirksamen Maßnahmen gegen seinen vermeintlichen Hauptkonkurrenten (China) ergriffen hat, sondern im Gegenteil den Kampf gegen potenzielle Verbündete aufzunehmen scheint. Bereits am 13. Tag seiner Präsidentschaft verhängte er Zölle in Höhe von 25 Prozent auf Waren aus Mexiko und Kanada und verschob sie um einen Monat, und diese Frist ist bereits abgelaufen [einige Tage vor der Veröffentlichung des Originalartikels]. Jetzt muss Trump entweder seine eigene Entscheidung rückgängig machen oder die fragwürdige Taktik anwenden, „die Freunde zu schlagen, um die Feinde zu erschrecken“. Wenn das Ziel der prorussischen Politik mit täglichen Komplimenten an die „friedliebende“ russische Regierung darin besteht, Russland von China zu trennen, dann kann dieses Ziel niemals erreicht werden, denn der Kreml versteht sehr wohl, dass Russland von China lebenswichtig abhängt, und Peking ist froh, einen so großen und gehorsamen Vasallen zu haben, und will ihn natürlich nicht an einen anderen Herrn verkaufen – es sei denn, dieser zahlt einen sehr hohen Preis, was im Moment keine realistische Option ist. So ist eine Pattsituation entstanden, aus der kein Ausweg in Sicht ist.
Und hier stellt sich die nächste Frage: Nicht mehr, ob Trump seine radikale Agenda umsetzen kann, sondern welche Chancen er hat, politisch (aber auch physisch) zu überleben. In diesem Zusammenhang sind folgende Besonderheiten der Trump-Regierung hervorzuheben.
„Ich vermute, dass die Reibungen zwischen Geschäftsleuten und Politikern in der Regierung weiter zunehmen werden.“
Zum ersten Mal in der jüngeren Geschichte hat Trump als Präsident eine der größten amerikanischen Parteien de facto privatisiert und in einen Unterstützungsverein für den Präsidenten umgewandelt. Obwohl Kash Patel als die am wenigsten geeigneter Kandidat für einen FBI-Direktor gehandelt wurde, wagten es nur zwei republikanische Senatoren – Susan Collins aus Maine und Lisa Murkowski aus Alaska – gegen ihn zu stimmen. Diese vollständige Unterwerfung der Partei unter den Präsidenten bleibt unter zwei Bedingungen richtig und rational: den der vernünftigen Politik Trumps und der Stabilität der „rechten Welle“, die nicht nur durch Trump, sondern auch durch die linken Angriffe der vorherigen Regierungen ausgelöst wurde.
In dem Maße, wie die Enttäuschung über Trump als Person und Führungspersönlichkeit wächst, stellt sich für die Masse der republikanischen Politiker die Frage, inwieweit ihre politische Zukunft an den Präsidenten gebunden ist. Diese Frage war auch in der Vergangenheit alles andere als unbedeutend, denn der Trumpismus war nicht immer ein Erfolgsgarant: Maryland 2022 schien fest in republikanischer Hand, denn Kelly Schulz, die anvisierte Nachfolgerin des scheidenden republikanischen Gouverneurs, genoss breite Unterstützung in der Bevölkerung. Bei den parteiinternen Vorwahlen verlor sie jedoch gegen Dan Cox, einen aktiven Trump-Unterstützer. Cox verlor daraufhin gegen den Afroamerikaner Wes Moore und der Bundesstaat wurde „demokratisch“.
Dieses Muster könnte bereits 2026 paradigmatisch werden, wenn Trumps Anhänger massenhaft Niederlagen erleiden sollten, wo andere Republikaner gute Chancen auf einen Gewinn gehabt hätten. In diesem Fall ist mit einem Aufstand der Partei gegen den Präsidenten zu rechnen.
Zwei weitere Besonderheiten der US-Politik sprechen für dieses Szenario. Zum einen hat Trump eine jahrhundertealte Regel gebrochen: Das Großkapital steht hinter den Politikern, wird aber nicht mit ihnen eins. Das Auftauchen einer Milliardärsgruppe um Elon Musk im Zentrum der Macht schockiert das Establishment, und ich vermute, dass dieser größte Fan und Mitstreiter Trumps als erster sein Team verlassen wird, wahrscheinlich noch in diesem Jahr, und dass die Reibungen zwischen Geschäftsleuten und Politikern in der Regierung weiter zunehmen werden.
„Eigenschaften, die in den letzten Wochen deutlich zu Tage getreten sind, beginnen bereits einen Schatten auf Trumps politische Karriere zu werfen – und, was sehr schade wäre, auch über sein ideologisches Erbe.“
Zum anderen gab es in der Geschichte der USA in den letzten Jahrzehnten keine so große Kluft zwischen den Generationen wie heute. So ist beispielsweise der Altersunterschied zwischen Präsident und Vizepräsident sechsmal so groß wie der durchschnittliche Unterschied seit Gründung der USA und zehn Jahre größer als der bisher größte Unterschied. Es ist daher zu erwarten, dass die Mitglieder von Trumps Team nicht nur an die politischen Ergebnisse der nächsten vier Jahre unter dem alten Präsidenten denken, sondern auch an ihre langfristigen Karriereaussichten, was nicht ohne Folgen für ihre Loyalität bleiben kann.
Bekanntlich hat Trump in seiner ersten Amtszeit zwei Amtsenthebungsversuche überstanden – als einziger Präsident in der Geschichte. Ich würde mich wundern, wenn wir nicht spätestens 2026 den dritten Versuch erleben. Dieser Schritt könnte nicht nur von seinen Gegnern in der Demokratischen Partei unternommen werden, sondern vor allem auch von republikanischen Politikern, die den konservativen Kurs ohne den immer unbeliebteren Präsidenten fortsetzen wollen. […]
Trumps erster Auftritt in der amerikanischen Politik im Jahr 2016 war brillant und wird in die politische Geschichte eingehen. Auch wenn man nicht sagen kann, dass er in seiner ersten Amtszeit viel erreicht hat, so waren doch einige seiner Initiativen so wichtig, dass sie auch von seinen Gegnern aufgegriffen wurden, insbesondere die Konzentration der politischen Aufmerksamkeit auf die chinesische Bedrohung. Trump betonte, der Staat solle sich aus der linken Agenda heraushalten, und trug damit wesentlich zur Stärkung des konservativen Lagers bei: Im Jahr 2024 zeigte sich in allen US-Bundesstaaten eine konservative Verschiebung. Trump verteidigte ohne Wenn und Aber die Interessen des wichtigsten Verbündeten der USA im Nahen Osten – des demokratischen Israel – und ließ es nicht zu, dass eine Kraft in der Welt Amerika in einen militärischen Konflikt verwickelte.
Aber nach der Niederlage von 2020 hat er m.E. die Energie, die er in die „Revanche“ gegen Biden gesteckt hat, in den Glauben an die eigene Unfehlbarkeit und in Ressentiments gegen jeden verwandelt, der es wagt, daran zu zweifeln, dass er, Trump, immer Recht hat. Diese Eigenschaften, die in den letzten Wochen deutlich zu Tage getreten sind, beginnen bereits einen Schatten auf seine politische Karriere zu werfen – und, was sehr schade wäre, auch über sein ideologisches Erbe. 2024 hat Trump seine gesamte Karriere und sein Leben aufs Spiel gesetzt. Ich fürchte, sein Einsatz könnte bald verloren sein – es sei denn, dieser ‚Unternehmer von Gottes Gnaden‘ findet die Kraft, sich neu zu erfinden und mehr System in seine Politik zu bringen, um seinem Land gerecht zu werden.