11.03.2024

Arbeitnehmer auf dem Laufsteg des woken Kapitalismus

Von Joanna Williams

Titelbild

Foto: webandi via Pixabay / CC0

Unternehmen lassen sich als nachhaltig und als politisch korrekt zertifizieren, ihre Angestellten (und Kunden) werden dafür ungefragt eingespannt. Zu besichtigen derzeit im „B Corp Monat“.

Auf Websites, in Anzeigen und in Schaufenstern ist ein neues Logo aufgetaucht. Es ist ein großes „B" in einem Kreis, begleitet von dem Slogan „Zertifizierte B Corporation". Falls es Ihnen noch nicht aufgefallen ist, werden Sie es wahrscheinlich bald entdecken. Dieser März ist nämlich „B Corp Monat“. Das ist ein Stichwort für mehr Markenbildung und Hochglanzmagazin-Werbung.

B Corp ist das öffentliche Gesicht des so genannten ethischen Kapitalismus. Eine „zertifizierte B Corp" ist ein Unternehmen oder ein Konzern, der „hohe Sozial- und Umweltstandards" bescheinigt wurden. Dieses Gütesiegel wird vom „B Lab" vergeben, einer kleinen Gruppe, die „Best Practices für Unternehmen in den Bereichen Soziales, Umwelt und Unternehmensführung" festlegt. Das hochtrabende Ziel all dieser Zertifizierungen lautet, „eine globale Wirtschaft zu schaffen, die Unternehmen als eine Kraft für das Gute einsetzt". Für nicht Eingeweihte erläutert B Corp dies näher: „Durch ihre Produkte, Praktiken und Gewinne sollten Unternehmen danach streben, keinen Schaden anzurichten und allen zu nutzen.“

„Keinen Schaden anzurichten" mag unbedenklich erscheinen, aber es gibt gute Gründe, bei B Corp Vorsicht walten zu lassen. Erstens tritt sie unverblümt politisch auf. B Lab wirbt großspurig damit, dass es „das Verhalten, die Kultur und die strukturellen Grundlagen des Kapitalismus verändern" wird, um „die größten Herausforderungen der Gesellschaft zu bewältigen". Wie anders sähe die Welt heute wohl aus, wenn Revolutionäre durch die Geschichte hindurch nicht auf die Barrikaden gegangen wären, sondern Firmenchefs mit Abzeichen versehen hätten...

„Wenn Firmenchefs privat Aktivisten sein wollten, wäre das ihre Sache. Aber das Ganze hat weitreichende Folgen für die Beschäftigten von B-Corp-zertifizierten Unternehmen.“

In Wirklichkeit ist B Corp weit davon entfernt, den Kapitalismus zu demontieren, sondern sie verleiht ihm vielmehr mit moralischen Zielen einen neuen Sinn. Ihre weitreichenden politischen Ziele decken sich perfekt mit dem heutigen Konsens der Eliten. Zum Beispiel Nachhaltigkeit: Jeder Davos-Teilnehmer, der einen Privatjet besitzt, predigt die Bedeutung der Klimaneutralität. So ist es kaum verwunderlich, dass die Verpflichtung zur Einhaltung von Umweltzielen eine der Hauptanforderungen an Unternehmen ist, die sich als B Corp zertifizieren lassen wollen. Von den Unternehmen wird erwartet, dass sie über ein „Umweltmanagementsystem" verfügen, das die Abfallerzeugung, den Energieverbrauch, den Wasserverbrauch und die CO2-Emissionen abdeckt. All dies geht weit über die Einhaltung nationaler Gesetze und lokaler Vorschriften hinaus.

Oder nehmen wir die B-Lab-Richtlinien zu „Gerechtigkeit, Gleichstellung, Vielfalt und Integration" (JEDI). Unternehmen, die sich anmelden möchten, wird mitgeteilt, dass B Corp „gegen alle Formen der Unterdrückung eintritt, einschließlich Rassismus, Transphobie, Klassenfeindlichkeit, Sexismus und Fremdenfeindlichkeit". B Lab ist bestrebt, „die grundlegenden Ungerechtigkeiten, mangelnde Gleichstellung und Gewalt zu bekämpfen, von denen Persons of Colour und Frauen unverhältnismäßig stark betroffen sind". Es reicht nicht aus, im Stillen nicht rassistisch und nicht sexistisch zu sein", so B Lab weiter, „wir haben die Verantwortung, eine Gemeinschaft von lautstarken, sichtbaren, antirassistischen und feministischen Unternehmensführern aufzubauen".

Wenn Firmenchefs privat Aktivisten sein wollten, wäre das ihre Sache. Aber das Ganze hat weitreichende Folgen für die Beschäftigten von B-Corp-zertifizierten Unternehmen, von denen man erwartet, dass sie – unabhängig von ihren persönlichen Überzeugungen – Teil dieser „lautstarken Gemeinschaft" werden.

„Heutzutage reicht es nicht mehr aus, dass Mindestlohnempfänger ihre Arbeitskraft verkaufen. Sie müssen sich auch den ideologischen Überzeugungen ihres Arbeitgebers anschließen.“

Über 8000 Unternehmen aus 96 Ländern wurden überprüft und dürfen das B-Corp-Logo führen. Das bedeutet, dass die Werte von B Corp nun für über 755.000 Arbeitnehmer und viele Millionen Kunden in allen Teilen der Welt gelten. Allein im Vereinigten Königreich gibt es mehr als 1900 B Corps mit über 81.000 Beschäftigten. In Deutschland sind es inzwischen mehr als 100 B Corps.

Heutzutage reicht es nicht mehr aus, dass Mindestlohnempfänger ihre Arbeitskraft verkaufen. Sie müssen sich auch den ideologischen Überzeugungen ihres Arbeitgebers anschließen. Sie müssen an Schulungen und Sensibilisierungskursen teilnehmen. Sie müssen Namensschilder tragen und ein genehmigtes Vokabular verwenden. All dies kann sich sogar auf ihre persönliche Nutzung sozialer Medien außerhalb der Arbeitszeit erstrecken.

Der genderkritische Kommentator James Esses hat kürzlich anhand einer Reihe von Beispielen aufgezeigt, wie sich der „woke Kapitalismus" auf die Beschäftigungspraktiken auswirkt. Der britische Zoofachhändler Pets at Home fragt potenzielle Mitarbeiter: „Sind Sie trans?“ Die korrekte Antwort für angehende Hundefutterverkäufer lautet vermutlich „Ja". Unter den Beschäftigten bei Pets at Home findet sich ein weitaus größerer Anteil von Personen, die sich als LGBT identifzieren, als in der Gesamtbevölkerung. Nach ihrer Einstellung werden die Mitarbeiter auf Leitfäden verwiesen, die ihnen zeigen, wie sie sich besser mit LGBT-Menschen „verbünden“ können. Ihnen werden einseitige Definitionen von Begriffen wie „Transphobie" und „weißes Privileg" beigebracht, und sogar, dass „kinderlos" zu sein eine Form von Privileg sei.

Pets at Home ist nicht B-Corp-zertifiziert – die Chefetage scheint lieber dem „Equality Inclusion Index" von Stonewall anzugehören –, aber unabhängig von der Bezeichnung gehen die Geschäftsführungen davon aus, dass sie das Recht haben, ihre eigenen Ansichten den Beschäftigten aufzuzwingen. Esses hat auch die Einzelhandels-Kette John Lewis entlarvt: Sie wirbt für ein internes Magazin, das transsexuellen Kindern von Mitarbeitern Ratschläge zum Brustabbinden gibt.

„Arbeitnehmer und Kunden sollten aber nicht gezwungen werden, die politischen Ansichten der Chefetagen zu schlucken.“

Die Verbraucher werden ebenfalls gezielt umerzogen. Die Outdoor-Bekleidungsmarke North Face bietet ihren Kunden 20 Prozent Rabatt an, wenn sie einen „digitalen Kurs zur Rasseninklusion" absolvieren. Wohlhabende Luxusgut-Konsumenten freuen sich vielleicht über eine Extraportion Wohlfühl-Ethik zu ihren teuren neuen Schuhen. Aber überall werden die Käufer dazu gedrängt, bei jedem Kauf politische Botschaften zu akzeptieren. Es gibt kaum noch ein größeres Geschäft in bester Lage, in dem das Personal keine Namenschilder mit für die Anrede gewünschten Pronomen trägt, die Schaufenster nicht mit Regenbogenflaggen geschmückt sind, der „Black History Month“ nicht gefeiert wird oder man sich nicht rühmt, Klimaneutralitäts-Ziele zu erreichen.

B Corp dient dazu, Vorstellungen zu normalisieren, die politisch strittig sind und im Großen und Ganzen nicht durch ein demokratisches Mandat legitimiert sind. Statt die Öffentlichkeit davon zu überzeugen, mit auf diesen Zug aufzuspringen, setzt das B-Corp-Projekt seinen Willen durch lächelnde Verkäufer durch.

Wir sollten diesen Monat, wenn man uns Namensschilder mit Pronomen als Beilage zum Tierfutter reicht, „Nein” sagen. Die Vorstandsvorsitzenden des Kapitalismus mögen den Wohlfühlfaktor schätzen, der mit der B-Corp-Zertifizierung einhergeht. Arbeitnehmer und Kunden sollten aber nicht gezwungen werden, die politischen Ansichten der Chefetagen zu schlucken.

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