27.03.2015

Wider den Politischen Einheitsbrei

Rezension von Johannes Richardt

In Endstation Klodeckel knüpft sich der Publizist Ramin Peymani die Moralapostel von heute vor. Als Hauptgewinn winkt ihnen der „Klodeckels des Tages“. Johannes Richardt hat das Buch gelesen. Sein Fazit: ein starkes Plädoyer für die Meinungsfreiheit

Sonntags, immer pünktlich um 14:30 Uhr, verleiht der Publizist Ramin Peymani auf seinem Blog den „Klodeckel des Tages“. Sonderlich freuen dürften sich die Preisträger nicht über diese zweifelhafte Ehre. Denn „prämiert“ werden Organisationen oder Einzelpersonen aus Politik, Wirtschaft oder Gesellschaft, die sich nach Auffassung Peymanis den größten Fehltritt der Woche geleistet haben. Sämtliche Klodeckel des Jahres 2014 veröffentlicht der Autor nun in einem schmalen, kurzweiligen Band.

Peymani, der auch für Novo schreibt, kommentiert mit spitzer Feder und Scharfsinn das politische Zeitgeschehen. Seine Klodeckel werfen ein Schlaglicht auf einen zunehmend mehr auf moralisierendes Schwarz-Weiß-Denken statt rationale Debatten setzenden Politikbetrieb. Dabei werden auch die großen politischen Fragen, wie der unkontrollierte EU-Bürokratismus oder die sich verschärfende Demokratiekrise, nicht ausgeklammert. Das Leitmotiv seiner Arbeit ist allerdings die Verteidigung der Meinungsfreiheit und der Freiheit zur persönlichen Lebensführung gegen das, was er den „Tugendterror der Umerzieher“ nennt.

Dabei greifen Peymanis Klodeckel viele Themen auf, die bei Novo kritisch behandelt werden: Oft geht es um einen aufgeblähten Staat, der sich in immer mehr Bereiche des Lebens der Bürger erzieherisch, therapeutisch oder mit Schutzabsicht einmischt, oder um eine Kultur falsch verstandener politischer Korrektheit, die echte gesellschaftliche Kontroversen blockiert, und im Wesentlichen von sich als „links“ und ökologisch begreifenden meinungsbildenden Mittelschichten getragen wird.

In einem von Konformismus geprägten Meinungsklima, in dem vom Mainstream abweichende Standpunkte und Ausdrucksweisen schnell als moralisch minderwertig stigmatisiert werden, gehören Mut und Haltung dazu, den vorgeblichen Konsens herauszufordern. Peymani tut dies mit einem konsequent-liberalen Koordinatensystem, das den „gesunden Menschenverstand“ und die Eigenverantwortung der Individuen ins Zentrum rückt.

„Das Leitmotiv des Buches ist die Verteidigung der Meinungsfreiheit und der Freiheit zur persönlichen Lebensführung“

Dabei richtet sich seine Kritik vor allem gegen seine Lieblingsfeinde „links“ der Mitte - also Sozialdemokraten, Grüne und Sozialisten. Ihnen wirft er vor, „ideologisch“ als „Gesinnungspolizisten“ zu agieren. Nicht wenige Klodeckel handeln von grüner oder roter Doppelmoral, den Verstiegenheiten der Genderpolitik oder politisch korrekter Sprachreglementierung. Dieser Fokus ist auch alles andere als verkehrt. Viele regressive Trends in unserer Gesellschaft werden aktuell von Menschen vorangetrieben, die sich selbst als „Linke“ bezeichnen – und offensichtlich die emanzipatorische und autoritätskritische Tradition, die es in der Linken gab, verdrängt haben.

Dennoch ist Peymanis Kritik manchmal ein wenig zu einseitig. Es gäbe auch mehr als genug konservative und liberale „Moralpolizisten“, die sich mal einen Klodeckel abholen könnten. Und beim managerhaften Durchexerzieren der Verbots- und Regulierungspolitik spielt das Parteibuch heute ohnehin kaum noch eine Rolle – da nehmen sich die Technokraten aller Couleur nur wenig. Auch darf man sprachkritisch fragen, weshalb im Zusammenhang mit den völlig zu Recht angemahnten Missständen so oft und distanzlos Etiketten wie „Gutmensch“ oder „Weltverbesserer“ verwendet werden? Es ist doch nicht verwerflich, ein guter Mensch sein zu wollen, oder die Welt verbessern zu wollen? Der Wunsch, die Welt zu einem besseren Ort zu machen, ist per se nicht verkehrt; problematisch ist vielmehr die Art und Weise der Umsetzung. Oder mit Tucholsky gesprochen: „Das Gegenteil von gut ist nicht böse, sondern gut gemeint.“

Bei aller polemischer Schärfe zeigt sich aber ein engagierter und nachdenklicher Demokrat, der meinungsstark für eine offene und freie Gesellschaft streitet. Seit 2009 mischt er sich mit seinem Blog www.klodeckel-des-tages.de in gesellschaftlichen Debatten ein. Das aktuelle Buch ist nach „Klodeckel 2012“ (2013) und „Die Klodeckel-Chronik“ (2014) Peymanis drittes Werk. Mit „Endstation Klodeckel“ vollendet Peymani seine Klodeckel-Trilogie.

„Das Gegenteil von gut ist nicht böse, sondern gut gemeint“

Abschließend kann ich nur noch einmal unterstreichen, was mein Redaktionskollege Alexander Horn, der dem lesenswerten Buch einen „Zwischenruf“ zum Charlie Hebdo-Attentat beisteuerte, sinngemäß geschrieben hat. Gerade in einer Zeit, wo unsere Freiheiten auf vielfältige, oft subtile Art und Weise unter Beschuss stehen, bedarf es Bürger wie Ramin Peymani, die sich trauen, Missstände beim Namen zu nennen, moralische Werturteile zu treffen, politisch klar Kante zu zeigen und mit wachen Verstand liberale Grundprinzipien – insbesondere das der Meinungsfreiheit - als Fundament einer offenen Gesellschaftsordnung zu verteidigen.

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