17.12.2015

Viel argumentatives Fleisch auf dem Knochen

Kurzrezension von Christoph Lövenich

Don’t go veggie! 75 Fakten zum vegetarischen Wahn von Udo Pollmer / Georg Keckl / Klaus Alfs (Hirzel, 2015, 222 S.)

Was haben Pol Pot, Dschingis Khan, Charles Manson und einige führende Nazis gemein? Den Vegetarismus. Denn: „Je größer [die] Gefühlsduselei gegenüber Tieren, desto wertloser wird das Leben von Menschen.“ So schreiben es drei wackere Experten in einem gemeinsamen Buch: Ernährungswissenschaftler Udo Pollmer, Agrarstatistiker Georg Keckl und Klaus Alfs, gleichermaßen gelernter Bauer wie gelernter Sozialwissenschaftler.

In 75 Kurzkapiteln nehmen sie die gängigen Behauptungen und Vorurteile modischer Fleischgegnerschaft auseinander. So werden abgeholzte und abgebrannte Urwälder oder hierzulande die Nitrat-Belastung im Grundwasser gerne der Viehhaltung in die Schuhe geschoben, während in Wahrheit die Ölgewinnung für Biodiesel bzw. versickernde Biogas-Gülle dafür verantwortlich sind. Apropos Bio: Den Anhängern dieser Form der Nahrungserzeugung geht in der Regel die genauere Kenntnis der Zusammenhänge ab. Mehr „Tierleid“, bei Biohühnern und durch die sehr eingeschränkte Behandlung mit konventionellen Medikamenten eine höhere Todesrate bei Jungtieren – all das kauft der Verbraucher mit. Vom größeren Flächenbedarf ganz abgesehen. Und Umweltschutz, so die Autoren, lässt sich mit moderner Technik sowieso besser erzielen als durch die altmodischen und oftmals esoterisch-obskuren Methoden des Öko-Landbaus.

Das Autorenteam befasst sich mit saisonaler und regionaler Lebensmittelversorgung (hatte man in der DDR), Veggie Days (Unsinn), dem Antibiotikagebrauch in der Fleischtierzucht (im Gegensatz zu Human- und Haustiermedizin heute kein großes Problem mehr), Gnadenhöfen für Tiere (fragwürdig) oder Insektenmast – basierend auf einer UN-Speiseempfehlung („in unseren Breiten […] eine umweltschädliche Marotte“). Und äußert sich auch zu seltsamen Auswüchsen wie der Zoologischen Theologie: „In der Bibel steht nichts davon, dass Schweine, Nacktmulle oder Kakerlaken ebenfalls Gottes Ebenbilder sind.“

Auch historische Hintergründe passieren Revue: Gandhi, der erst in England – einer westlichen Mode folgend – Vegetarier wurde und auch sonst einem absonderlichen Lebensstil anhing, das Dritte Reich als Weltspeerspitze des Tierschutzes oder ein in den 1830er-Jahren gescheiterter Versuch, Soldaten und Arbeiter mit Erbsen statt mit Fleisch zu ernähren.

Schluss mit der romantischen Verklärung der harten und ineffizienten Landwirtschaft aus Großmutters Tagen, fordern die Autoren, Schluss mit der Verniedlichung und Vermenschlichung von Tieren, wie sie die ethisch verqueren Tierrechtler z.B. von PETA, die Animisten unserer Zeit, betreiben. Tierhaltung ist die „Basis unserer Kultur“.

Pollmer, Keckl und Alfs brechen eine Lanze für den menschlichen Fortschritt auch in der Nahrungsmittelproduktion und sprechen sich gegen zweifelhafte Verzichtsethik aus. Sie liefern in ihrem kurzweiligen Werk viel an Faktenmaterial und Argumentationsgrundlagen; gelegentliche polemische Zuspitzungen können ebenfalls als Rüstzeug für die heutzutage gängigen Debatten zu diesem Thema dienen.

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