21.04.2023

Selbst denken und führen

Rezension von Michael von Prollius

In seinem neuen Buch „Gehirnwäsche trage ich nicht“ bezieht Managementautor Reinhard K. Sprenger liberale Position und gibt Tipps zur Unternehmensführung.

In einer Zeit, in der das Absurde zu dominieren scheint, braucht es Menschen mit Herz und Hirn mehr denn je. Das gilt für den Bereich des Politischen und für das Berufsleben. Die klaren und vielen unbequem anmutenden Einsichten von Reinhard K. Sprenger bereichern darüber hinaus auch noch die persönliche Entwicklung.

Vorab: Ich bin voreingenommen. Ich schätze den voll engagierten konsequenten Selbstdenker. 

Den Managementberater, Philosoph, Führungsexperten und Freiheitsdenker muss man nicht mehr vorstellen. Wer ihn nicht kennt, sollte das unbedingt nachholen. Seine lebenserfahrene Artikelsammlung aus überwiegend aktuellen NZZ-Artikeln, „Gehirnwäsche trage ich nicht“, wird mit gut gemachten Interviews aufgelockert und lohnt sich auch als Einstieg. Eine Menge Denkstoff und anregende Perspektivwechsel sind einmal mehr in prägnanten Formulierungen gebunden. Der Untertitel trifft den alles durchdringenden Leitgedanken: „Selbstbestimmt leben und arbeiten“. 

Um die herrschenden Zustände zu charakterisieren, nimmt Sprenger kein Blatt vor den Mund: „Deutschland wird für einen Menschen, dem Freiheit viel bedeutet, in der Tat immer unerträglicher.“ Einen verselbständigten Staat, einen Bevormundungsstaat mit „volkspädagogischem Programm“, in dem es eine „totalitäre Steuerbürokratie“ gibt, erkennt der Autor des bereits 2005 erschienenen, konsequent liberalen, Buches „Der dressierte Bürger“ mit dem Untertitel „Warum wir weniger Staat und mehr Selbstvertrauen brauchen“.

„Reinhard K. Sprenger engagiert sich gegen eine ‚kollektive Verblendung‘ in Unternehmen und in der Gesellschaft gleichermaßen.“

Seitdem ist das Gegenteil der Fall. Dementsprechend konstatiert Sprenger: „Man glaubt nicht mehr an sich, man glaubt an den Staat“. Das gehe einher mit einem „Verlust der Selbstachtung“. Die Bürger richten ihr Interesse darauf, möglichst viel vom Staat zu bekommen. Das Menschenbild der Politik sei im Kern von Verachtung geprägt. Es fehle der Respekt für das Wollen der Bürger. Der Staat dringe in die Privatsphäre ein. Ein Staat, der uns „ködert, verführt, erzieht, lenken will, […] abhängig macht.“ Die Politik betreibe eine „infantilisierende Volkspädagogik“ und winzige Minderheiten zerstörten die Alltagssprache.

Reinhard K. Sprenger engagiert sich gegen eine „kollektive Verblendung“ in Unternehmen und in der Gesellschaft gleichermaßen. Mehrfach rechnet er treffend mit der Moralisierung ab: „Moralisierer denken nicht. Sie urteilen.“ Für Moral- und Öko-Marketing hat er nichts übrig. So mache, „die Weltverhüllung in einen CO2-Nebel“ das „Büßerhemd zum Outfit der Moderne“. „Hört auf mit dem Frauenzählen!“ ist ein Kapitel überschrieben. Für die Quote, die eine Lösung sein soll, gebe es kein Problem.

Als Berater für alle namhaften Dax-Unternehmen hat das Plädoyer für den Übergang von einem Manager- zu einem Eigentümerkapitalismus bei gleichzeitiger politischer Entwicklung in Richtung eines staatsmonopolistischen Kapitalismus erhebliches Gewicht. Das gilt auch für seine Kritik an Gehaltsexzessen, zumal Manager nur den Status quo verwalten würden. Man sollte wissen, dass Sprenger selbst Verantwortung übernimmt und nicht nur aus dem bequemen Lehnstuhl spricht. So kehrte er selbst mehrjährig in die Linienverantwortung zurück, um eines seiner Führungsbücher zu fundieren.

„Gegen das Absurde helfen ein klarer Kopf und das, was heute absurd ist, auch beim Namen zu nennen. Selbst denken hilft.“

Für das Berufs- und Privatleben gleichermaßen bedenkenswert ist die Einsicht in Motivation als Wissen des Mitmenschen, dass es auf ihn und sie ankommt. Außerdem: Feedback sage vor allem etwas über den Feedbackgeber aus. Homeoffice könne angesichts der physischen Vermittlung von Wissen in der Kooperationsarena Unternehmen kein Regelfall sein. Für eine Schlüsselerkenntnis halte ich Sprengers Eintreten für dezentrale Strukturen und damit die Wiedereinführung des Menschen ins Management, denn erst dann können Menschen, denen es nicht um Macht geht, sondern um Erfolg, koordinieren. Prägnant und wegweisend ist sein Führungsverständnis. Während (gewählte) Führende mit einer dienenden Haltung koordinieren, bleiben andere lediglich Vorgesetzte. Führung gelte es von der Zukunft her zu denken, d.h. „dem Werdenden heute schon Raum geben und nicht mit Gewordenem möblieren“. Etwas Milton Friedman steckt in der Betonung, gute Produkte und Dienstleistungen bildeten den Zweck des Unternehmens, das nur so indirekt sozial wirken könne.

Eine von vielen Einladungen zur ergänzenden oder kontroversen Diskussion ist Sprengers Wertschätzung von Misserfolg und Zufall. Beides ist wichtig und richtig zu betonen in einer heute allzu linear-kausal gedachten Welt. Zugleich nährt Erfolg erfolgreiches Handeln, nicht nur im Sport und interdisziplinären Teams, was als Archetyp „Success to the successful“ bekannt ist. Wer über die „Magie des Konflikts. Warum ihn jeder braucht und wie er uns weiterbringt“ (2020) geschrieben hat, wird die Kontroverse gerne eingehen.

Gegen das Absurde helfen ein klarer Kopf und das, was heute absurd ist, auch beim Namen zu nennen. Selbst denken hilft. Selbst argumentieren hilft. Viele ziehen derzeit betreutes Dahindämmern vor, abgelenkt von politischem Theater und dem rasenden medialen Karussell sozialer und nicht sozialer Medien. Für ein gelingendes Leben und anregende Lektüre bieten die 29 Beiträge viel.

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