21.08.2015

Land der Halbfreien

Kurzrezension von Andreas Müller

Not Half Free. The Myth that America is Capitalist von Walter Donway (Romantic Revolution Books, S. 160, EUR 10,02 Taschenbuch)

Amerika ist nicht mehr das Leuchtfeuer des Kapitalismus. Die USA gehören nicht einmal mehr zu den zehn wirtschaftlich freiesten Nationen der Welt. Der amerikanische Wirtschaftsjournalist Walter Donway erläutert in seinen journalistischen Artikeln, warum ökonomische Freiheit und persönliche Freiheit untrennbar verbunden sind, wie Amerika seine Freiheit aufgibt und was man dagegen tun kann. In seinem neuen Buch Not Half Free hat er seine Artikel der letzten Jahre versammelt.

Die USA vergesellschaftet zunehmend Privatgrundstücke, schränkt die Eigentumsrechte von Aktienbesitzern ein und begrenzt den freien Eigentumsgebrauch durch Regulierungen. Im Gegensatz zu den Rechten auf freie Meinungsäußerung und auf Religionsfreiheit, „werden ökonomische Rechte weniger gewürdigt, nicht verlässlich in unseren Gerichtssälen geschützt, nicht in leidenschaftlichen Leitartikeln verteidigt“, so Donway. Dabei sind in Ländern mit größerer ökonomischer Freiheit die Einkommen höher und die Armut ist geringer.

Die Klientelpolitik hat die wirtschaftliche Freiheit untergraben. Donway argumentiert gegen den „Einfluss von Lobbyisten für hunderte Sonderinteressen, die alle um ein größeres Stück vom Steuerkuchen kämpfen.“ Unternehmer müssen sich heute entscheiden, ob sie politischen Einfluss einkaufen, um Regulierungen und Steuern in ihrem Sinne zu beeinflussen oder ob sie „Schutz vor politischer Macht kaufen, wie ein Restaurantbesitzer in Brooklyn für ‚Schutz‘ zahlen muss, wenn die Mafia einen Teil seines Gewinns fordert.“

Ein anderes wichtiges Thema des Buches ist die Wirtschaftskrise, wobei Donway auf den Anteil der US-Notenbank und der US-Regierung an der Krise eingeht. Seit Gründung der Notenbank im Jahr 1913 hat der US-Dollar 97 Prozent seiner Kaufkraft verloren. Durch Gelddrucken kann die Regierung unbeliebte Steuern umgehen und trotzdem Wahlgeschenke finanzieren. Auf den Finanzmärkten hat die Regierung falsche Anreize geschaffen. Mit ihrer Unterstützung konnten die zwei großen Hypothekenbanken Fannie Mae und Freddie Mac Geld ins System pumpen, das mit keinem realen Wert verbunden war.

Als Maßnahmen gegen den Verlust ökonomischer Freiheit macht Donway neben den üblichen libertären Vorschlägen wie eine Rückkehr zum Goldstandard und der Abschaffung der US-Notenbank auch einen originellen Vorschlag: Zehn Jahre lang Regulierungen aussetzen. Man müsste dafür keine Steuern erheben und die Regierung bräuchte keine neuen Schulden zu machen. Vor allem kleine Unternehmen könnten sich ungehindert entwickeln und die Konsumenten hätten sofort mehr Geld in der Tasche. Obgleich Donway überzeugend für seine Idee argumentiert, ist dessen politische Umsetzung wohl in etwa so realistisch wie eine Rückkehr zum Goldstandard.

Im Unterschied zu vielen anderen libertären Autoren profitiert Walter Donway, einer der Gründer der Atlas Society, von der philosophischen Fundierung seiner Argumente durch Ayn Rands Objektivismus. Er argumentiert nicht pragmatisch, sondern moralisch für die ökonomische Freiheit. Deutsche Leser wird das beizeiten schockieren. Eine moralische Verurteilung der staatlichen Gesundheitsfürsorge hört man hierzulande nicht jeden Tag. Unerhört ist auch Donways Argumentation gegen die Stadtplanung: Er macht Kommunen und anderen staatlichen Institutionen das Recht streitig, den Bürgern mit Gesetzen vorzuschreiben, wo sie welche Häuser bauen dürfen. Er zeigt auf, dass Politiker willkürlich vorgehen, wenn sie private Bauambitionen einem „ästhetischen Stadtbild“ unterordnen.

Das Buch ist leicht zu verstehen. Man merkt, dass der Autor auch Romane und Gedichtsammlungen verfasst hat. Insgesamt ist Not Half Free seine zehn Euro dank aufschlussreicher Analysen, origineller Beiträge, einer philosophischen Untermauerung und einem allgemeinverständlichen Stil wert. Es ist obendrein auch für drei Euro als E-Book erhältlich.

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