10.05.2013

Kreuzfahrer gegen das Rauchen

Rezension von Bernd Muggenthaler

Das Buch des selbsternannten „christlichen Polit-Rebells" berichtet über Erfolge, Lebenskrisen und kuriose politische Ansichten. Ein Kommentar über den Aufstieg des Passauer Stadtführers zur Galionsfigur einer politisch legitimierten Angstbewegung.

„Meine Haare sind mein Markenzeichen. Ich trage sie schon lange so lang. Wenn Männer lange Haare haben, dann sollten sie gepflegt aussehen.“

Dieser bedeutungsschwangere Satz entstammt nicht etwa der neuesten Biographie von Gil Ofarim oder Karl Lagerfeld, nein, es handelt sich hierbei um die profunde Erkenntnis eines politischen Shootingstars der letzten Jahre – Sebastian Korbinian Frankenberger, seines Zeichens selbst ernannter Rebell und Initiator des totalen Rauchverbots in der Gastronomie in Bayern. In seinem Buch „Volk, entscheide! Visionen eines christlichen Polit-Rebells“ lässt er den Leser nicht nur an seinem bewegten Leben teilhaben, sondern vor allem an der Welt seiner eigentümlichen politischen Visionen.

In seinem Buch, das in erster Linie von seiner Auszeit in der Eremitenstube des Linzer Doms handelt, „reflektiert“ Frankenberger sein turbulentes Jahr des Volksbegehrens und kommt unter anderem auch über seine Rolle als politische Führungsfigur ins Grübeln: „Wir, die wir an der Spitze stehen und versuchen, etwas zum Besseren zu verändern, wir stehen in der Kritik und dürfen uns trotzdem nicht von unserem Weg abbringen lassen. Wir müssen zwar überlegen und begründen, warum wir etwas tun, aber es wird immer etwas geben, was wir falsch machen. Immer. Ich meine, man sollte sich stets überprüfen, reflektieren, aber nicht komplett aus dem Konzept bringen lassen.“ Klar, der Mann geht seinen Weg und hat offensichtlich bereits mit seinen jungen Jahren ein wesentliches Grundprinzip des Profi-Politikers fest verinnerlicht: Bloß nicht durch Fakten oder Realitäten irritieren lassen.

Zum anderen wird aus diesen Zeilen aber auch noch etwas anderes deutlich. Frankenberger wähnt sich bereits an der Spitze, in der Führungsriege. Das ist auf zweierlei Art richtig: parteiintern betrachtet, denn schließlich wurde er nach dem erfolgreichen Volksentscheid zum Bundesvorsitzenden der ÖDP gewählt. Zum anderen beweist aber auch dieser bislang größte und einzige politische Erfolg, die Durchsetzung des fragwürdigen totalen Rauchverbots in Bayern, wie ein eher eigenartiger Politikertypus wie Frankenberger mitten in der Gesellschaft angekommen ist.

Obwohl sich ganze zwei Drittel der Bevölkerung überhaupt nicht am Volksentscheid beteiligten, wurde die Kampagne „Für echten Nichtraucherschutz!“ von vielen Beobachtern und nicht wenigen Medien als Frankenbergers großer basisdemokratischer Triumph gegen die übermächtige Tabaklobby gewertet. Sehr viele Menschen, die sonst niemals der Splitterpartei ÖDP ihre Stimme gegeben hätten, folgten Frankenberger bei seinem Kreuzzug gegen das Rauchen. Entgegen Frankenbergers heroischer Selbstdarstellung war aber weder er noch seine Partei der mittellose David, der tapfer der geld-und machtdurchtränkten Industrie entgegentrat. Vielmehr konnte er sich der finanziellen und medienwirksamen Unterstützung einer Reihe bestens vernetzter Gruppierungen sicher sein, die längst auf den Zug staatlich verordneter Volksgesundheit aufgesprungen waren. Seine Forderungen trafen den Nerv von weiten Teilen einer „gesundheitsbewussten“ und von Abstiegsängsten geplagten Mittelschicht, die sich nach der starken Hand eines fürsorglichen Staates sehnt und dafür gerne bereit zu sein scheint, auf die ein oder andere Freiheit zu verzichten.

Frankenberger: Prophet der Regulierung

Was hatte der Mann nicht alles über sich ergehen lassen müssen. Als „Rauschgoldnazi“ wurde er von Rauchverbotsgegner beschimpft (dabei hat er doch nur die Haare schön), Bierzeltbedienungen gingen mit dem Besenstil auf ihn los, Drohbriefe, von den ausgedrückten Zigaretten auf der Kühlerhaube seines Autos einmal ganz zu schweigen. So etwas geht natürlich an niemandem spurlos vorbei. Doch Frankenberger wäre nicht Frankenberger, wenn er nicht auch in solchen Momenten über sich hinauswachsen würde und sich trotz aller Anfeindungen stets der christlichen Nächstenliebe verpflichtet fühlte. „Da ist es schon wichtig, sich einen Filter zuzulegen.“ legt er in seinem Buch dar und versucht zu verstehen, warum die Leute „so ihren Frust an ihm auslassen müssen“, obwohl er doch Kritik durchaus ernst nehme und auch seine Lehren daraus zieht. Leider scheinen diese Lehren aber nicht über narzisstisch anmutende Selbstbespiegelung hinauszugehen und führen mehr oder weniger immer wieder zu der trivialpsychologischen Erklärung, dass bestimmte Menschen eben an ihm ihren Frust ablassen wollen, was „sachlich“ betrachtet doch eigentlich gar nichts mit seiner Person und schon gar nicht seinen politischen Visionen zu tun haben kann.

Denn er selbst will ja stets nur das Gute und das hört sich in seinem Buch, kurz zusammengefasst so an: Weniger ist mehr. Wenn wir alle von unserem Wohlstand etwas abgeben, wozu auch der Verzicht auf weite Urlaubsreisen gehört, weil diese Ressourcenverschwendung unser Planet nicht verkraftet, werden wir im Geiste der Genügsamkeit Glück und Erfüllung auf einer geistigen und spirituellen Ebene erfahren und damit gleichzeitig den Planten retten. – Eigentlich ganz einfach, oder?

Kaum zu glauben, dass ihm die Wirte in seiner Heimatstadt Passau bis heute geschlossen ein Hausverbot aussprechen, mit der Konsequenz, dass er jüngst genervt nach München übergesiedelt ist, um sich wieder halbwegs frei bewegen zu können.

Doch auch in der Weltstadt mit Herz dürfte er gelegentlich Schwierigkeiten bekommen. An einigen Kneipentüren prangt auch hier sein Konterfei mit der Aufschrift: Ich darf hier nicht rein. Tja. Manchmal hat man´s schon schwer mit dem Volk.

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