24.01.2020

Die Leere des Vegetarismus

Rezension von Andreas Müller

Titelbild

Foto: baluda via Pixabay / CC0

Das neue Buch „Kritik der vegetarischen Ethik“ des ausgebildeten Landwirts und Sozialwissenschaftlers Klaus Alfs übt vernichtende Kritik am Fleischverzicht – und an der Idee der „Tierrechte“.

In der heutigen „Massentierhaltung“ geht es Nutztieren besser als jemals zuvor in der Geschichte der Tierhaltung. Es geht ihnen auch besser als in der freien Natur, wo sie von Raubtieren und Parasiten gefressen werden, erfrieren oder verhungern. Der CO2-Ausstoß der modernen Landwirtschaft inklusive Tierhaltung ist deutlich geringer als jener der ökologischen Landwirtschaft.

Diese und weitere kaum bekannte Fakten belegt und erläutert Klaus Alfs in seinem Buch „Kritik der vegetarischen Ethik“. Er zeigt auf, dass entscheidende Tatsachenbehauptungen führender Vegetarier, Veganer und Tierrechtler falsch sind und dass es auch mit ihren ethischen Argumenten nicht weit her ist. Neben eigenen Argumenten bringt Alfs auch solche von Philosophen wie Tibor Machan und Norbert Hoerster auf den Punkt.

Heuchelei und falsche Zahlen

Das Buch ist in sieben Hauptkapitel plus einführende Kapitel, Fazit und Literaturverzeichnis unterteilt. Jedes Kapitel befasst sich mit einer Art von Argument für Vegetarismus beziehungsweise Tierrechte und widerlegt dieses. So geht es in „Zweierlei Maß“ unter anderem um die Doppelmoral rund um die Haustiere, die Tierrechtler häufig halten – wie Alfs belegt. Es kümmert sie offenbar kaum, wie viele Vögel und Mäuse die geliebte Hauskatze tötet und dass auch Hunde das Fleisch von getöteten Tieren essen. Die Paradoxien nehmen kein Ende, so stecken in ihren Handys, mit denen sie angebliche Tierquälerei auf Twitter anprangern, Knochenleim und Schweinecholesterin. Mit Tierversuchen entwickelte medizinische Verfahren nehmen sie wie selbstverständlich in Anspruch.

„In der heutigen ‚Massentierhaltung‘ geht es Nutztieren besser als jemals zuvor in der Geschichte der Tierhaltung.“

Unter den Kapitelüberschiften „Massentiere“ und „Verschwendung“ geht es um die „Massentierhaltung“ und die Zahlenspiele, die Tierrechtler dazu vorlegen. Diesen zufolge könnten angeblich viel Land und Ressourcen gespart werden, würde man keine Tiere, sondern nur pflanzliche Produkte essen. Warum verspeisen wir nicht direkt das, was die Tiere essen, statt den „Umweg“ über die Tiere zu gehen? Wie Alfs aufzeigt, liegt das daran, dass Tiere wie Kühe die Pflanzen für uns erst verwertbar machen. „Anhand realer Daten lässt sich hingegen zeigen, dass man mit höherer Fleischproduktion sehr viel mehr Menschen satt bekommen kann als mit geringerer.“ (S. 173).

Allein den Begriff „Massentierhaltung“ hat bislang niemand klar definieren können. Dabei spielt die bloße Menge der gehaltenen Tiere keine Rolle bei der Frage, wie gut sie gehalten werden. Nutztieren kann es auf großen Farmen mit vielen Tieren besser gehen als auf kleinen Bauernhöfen.

Das Besondere am Menschen

Die Kapitel „Wie wir!“ und „Zu uns!“ behandeln die Versuche von Tierrechtlern, Tiere menschenähnlich erscheinen zu lassen. Doch letztlich bleibt der entscheidende Unterschied zwischen Mensch und Tier: Die Moralfähigkeit des Menschen. So können nur Menschen freie Entscheidungen treffen, ihr Verhalten reflektieren, sich an Regeln und Gesetze halten oder sich entscheiden, dies nicht zu tun. Nur Menschen sind moralisch verantwortlich und somit Rechtsträger. Ich würde ergänzen, dass die Moralfähigkeit auf eine noch grundlegendere Eigenschaft zurückgeführt werden kann: Menschen sind die einzigen vernunftbegabten Lebewesen – die einzigen Lebewesen, die begrifflich denken können.

„Letztlich bleibt der entscheidende Unterschied zwischen Mensch und Tier: Die Moralfähigkeit des Menschen.“

Das Buch befasst sich in den letzten Kapiteln „Achtung“ und „Das Maß aller Dinge“ mit philosophischen Themen wie der Natur von Rechten und der Würde des Tieres sowie der Menschen. Außerdem geht es um eine konsequente Schlussfolgerung aus der vegetarischen Ethik, die ihre Vertreter aber nur selten zu ziehen bereit sind: Der Mensch müsste eigentlich Wildnispolizist spielen, also dafür sorgen, dass Raubtiere den Pflanzenfressern, wenn nicht den Pflanzen, kein Leid mehr zufügen können. Schließlich ist das natürliche Leid, das sich in freier Natur täglich abspielt, viel größer als das Leid, das Menschen Tieren antun.

Sachbuch trifft Polemik

Alfs liefert bedeutende, ja entscheidende empirische und philosophische Argumente gegen Vegetarismus, Veganismus und Tierrechte. Etwas schwieriger gestaltet sich das Verhältnis des Schreibstils zum Inhalt. So ist der Stil eine Mischung aus sachlicher Argumentation und Polemik. Alfs verspottet gelegentlich die Heuchelei und besonders alberne Argumente von Vegetariern – wenn auch inhaltlich nachvollziehbar. Zudem wird das Buch thematisch bedingt immer anspruchsvoller, da sich Alfs in den letzten Kapiteln mit philosophischen Grundsatzdebatten befassen muss. Ohne diese wäre das Buch unvollständig, zugleich dürfte er später einige Leser verlieren, denen diese Themen zu hoch sind.

Kurzum ist nicht ganz klar, welche Zielgruppe das Buch ansprechen und erreichen könnte. Aufgrund des Stils ist es kein wissenschaftlich-philosophisches Fachbuch, wozu es aufgrund der Stärke der Argumente eigentlich berechtigt wäre. Zugleich ist es kein leicht verdauliches Sachbuch für jeden, da vor allem die abstrakte philosophische Thematik der späteren Kapitel nur Leser mit einer gewissen Vorbildung erreichen dürfte.

„Das natürliche Leid, das sich in freier Natur täglich abspielt, ist viel größer als das Leid, das Menschen Tieren antun.“

Fazit: Eine vernichtende Kritik

„Kritik der vegetarischen Ethik“ muss jeder kennen, der sich ernsthaft mit den Themen Vegetarismus und Tierrechte befassen möchte. Wer Peter Singer oder Tom Regan liest, der sollte aus intellektueller Aufrichtigkeit auch Klaus Alfs lesen, um die Argumente der Gegenseite kennenzulernen.

Dasselbe gilt eingeschränkt für die Fans der Bücher von Autoren wie Richard David Precht, Hilal Sezgin und Jonathan Safran Foer – eingeschränkt darum, weil letztere Schwierigkeiten haben könnten, die späteren Kapitel zu begreifen. Die Argumente von Alfs ergeben eine vernichtende Kritik am Vegetarismus und der Tierrechts-Idee. Nur stilistisch ist die Mischung aus Sachbuch und Polemik etwas gewöhnungsbedürftig und teils etwas anstrengend. Das sollte vom substanzreichen Inhalt aber nicht ablenken.

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