31.07.2013
Zuviel Grün ist ungesund
Kommentar von Hans Georg Wagner
Vegetarier erhoffen sich eine höhere Lebenserwartung. Aber nicht alles, was fleischlos daher kommt ist gesund. Der Mensch hat sich über Jahrtausende an Mischkost angepasst. Eine extrem einseitige Ernährung kann dieses Gleichgewicht empfindlich stören.
Essen war bislang meistens Privatsache. Die Geschmäcker sind verschieden, und so ließ man die Menschen eben essen, was ihnen schmeckt. Vor wenigen Tagen erklärte jedoch der bundesdeutsche Professor Achim Spiller in einer von der Universität Hohenheim verbreiteten Presseerklärung: „Durch entsprechende Maßnahmen wie zum Beispiel Informationskampagnen ließe sich der Anteil der Deutschen, die bereit wären, ihren Fleischkonsum einzuschränken, auf 60 Prozent steigern“. [1]
Die Mitteilung der Universität bezog sich auf eine Untersuchung zu „Fleischkonsum in Deutschland“, nach der sich die Zahl der Vegetarier innerhalb von sieben Jahren auf 3,7 Prozent verdoppelt habe. Das klingt dramatisch. Tatsächlich sind das bei 80 Millionen Bundesbürgern aber gerade mal drei Millionen. Vegetaristenorganisationen verbreiten durch entsprechende „Informationskampagnen“ weit höhere Zahlen. Der Deutsche Vegetarierbund Vebu erklärt: „Wir gehen von rund sieben Millionen Vegetariern (8 bis 9 Prozent der Bevölkerung) aus, Tendenz steigend…Täglich kommen in Deutschland etwa 2000 Vegetarier und 200 Veganer dazu“, schrieb Elisabeth Burrer, die Vebu-Beauftragte für Presse und Medienkontakt im Frühjahr 2013 an das Eurasische Magazin. Das wären jährlich mehr als 800.000 Deutsche, die dem Fleisch abschwören. Für die 23 Jahre seit der Wiedervereinigung wären das über 18 Millionen – mehr als die Gesamtbevölkerung der ehemaligen DDR (17 Millionen). [2] Aber es liegt natürlich im Eigeninteresse von Organisationen wie dem Vebu, die eigene Sache als möglichst bedeutend darzustellen. Und da die Medien ständig auf der Suche nach Sensationen sind, greifen sie den vermeintlichen Trend zum Vegetarismus eben gerne auf.
"Die Menschen denken vor allem aus egoistischen Motiven über Vegetarismus nach – weil sie möglichst lange Leben wollen. In dieser Hinsicht ist jedoch nichts bewiesen.“
Die Universität Hohenheim wollte auch ergründen, warum Menschen sich überhaupt Gedanken um vegetarische Ernährung machen. „Die Häufigkeit des Fleischkonsums wird maßgeblich von Gesundheitsmotiven bestimmt“, so Anette Cordts, die an der Universität Göttingen die Befragung koordiniert hat. „Tierwohl spielt insbesondere für die Vegetarier und bedingt auch für Flexitarier [Wenig-Fleischesser, d. Verf.] und reduktionswillige Fleischesser eine Rolle, relativ wenig dagegen für die große Gruppe der unbekümmerten Fleischesser.“
„Auch Umweltschutzbedenken führen zu einem geringeren Fleischkonsum“, heißt es weiter in der Veröffentlichung, „allerdings ist in weiten Teilen der Bevölkerung bisher kaum ein Bewusstsein für die Umweltproblematiken der Produktion tierischer Lebensmittel vorhanden.“ [3]
Also denken die Menschen vor allem aus egoistischen Motiven über Vegetarismus nach – etwa weil sie möglichst lange Leben wollen. In dieser Hinsicht ist jedoch nichts bewiesen. „Studien zu den gesundheitlichen Unterschieden zwischen Fleischessern und Vegetariern gibt es mittlerweile viele. Einen eindeutigen Beweis für die positiven Effekte einer fleischlosen Ernährung gibt es trotzdem noch immer nicht“, schrieben jüngst die Deutschen Gesundheitsnachrichten. [4]
Aber ganz bestimmt ist nicht alles gesund, was fleischlos daherkommt, auch wenn die so genannten Fleischskandale das vielleicht nahelegen. Der Verzehr von Gemüse birgt ganz eigene Gefahren. In guter Erinnerung dürften noch die Bockshornklee-Sprossen sein, die den Erreger Ehec in Deutschland verbreitet haben und zig Todesopfer forderten. Ganz aktuell ist das verheerende Ergebnis von Untersuchungen der Stiftung Warentest an Pesto-Fertigprodukten verschiedener Hersteller. „Etikettenschwindel, Keime, Fehler im Geschmack und ein gefährlicher Schadstoff“ konstatieren die Tester. „Jedes dritte Basilikum-Pesto im Test ist mangelhaft“. [5] In einem schweizerischen Produkt wurde der krebserregende Schadstoff Anthrachinon (ein Pestizid) nachgewiesen. Eine andere Untersuchung ergab: Tütensalate sind mit gefährlichen Keimen belastet. Erdbeeren, Paprika und Salat strotzen manchmal vor unerlaubten Rückständen. Es ist nicht alles gesund, was grün aussieht.
"Im Schweinshaxenland Bayern sind die Menschen am gesündesten und selbst männliche Nachkommen leben länger als anderswo.“
Wie sich Ernährung auf das Wohlergehen der Menschen auswirkt, zeigt verlässlich vielleicht die Evolution als echte „Großstudie“: Bis zum heutigen Tag ist die Lebenserwartung in den wohlhabenden Ländern mit großem Fleischkonsum besonders hoch. Im Schweinshaxenland Bayern sind die Menschen im Vergleich mit anderen deutschen Regionen am gesündesten und selbst männliche Nachkommen leben hier länger als anderswo. [6]
Der Jubel und die kritiklose Begeisterung für die extrem einseitige Ernährung der Vegetaristen und Veganer sind schlechte Ratgeber für Gesundheit und Wohlbefinden. Die extreme Ernährungsweise des Vegetarismus ist eine reine Kopfgeburt. Sie ist an einen bestimmten urbanen Lebensstil gebunden: „Jung, Single, weiblich, Stadtmensch – so sieht der typische Vegetarier aus“, fasst Wissenschaftsredakteurin Fanny Jiménez in der Tageszeitung Die Welt zusammen. [7]
In Jahrhunderttausenden wurde die menschliche Darmflora jedoch durch Gemischtkost geprägt und ist jetzt auf diese Ernährungsweise hin ausgelegt. Was Menschen auf lange Sicht mit einer extrem einseitigen Ernährung ihren Billionen Bakterien und damit sich selbst antun, ist noch ungeklärt. Diese Mikroben haben eine weit größere Bedeutung für den Menschen, als bisher angenommen. Sie sind sogar relevant für unser Verhalten! Daher kann eine durch extreme Ernährung bedingte Veränderung der Zusammensetzung dieser Kleinstlebewesen folglich auch zu Verhaltensänderungen führen. Bisher gibt es dazu kaum Veröffentlichungen. Eine solche Publikation ist das Buch Neben Ich. Wie viele sind wir wirklich? [8]
Dieses Thema hat jüngst auch der Focus aufgegriffen. [9] Vielleicht sollte jeder, der mit einer extremen Ernährung liebäugelt auch solche Quellen zurate ziehen und sich nicht allein vom Interessenverband Vebu beeinflussen lassen oder von „Kampagnen“, wie sie Professor Spiller vorschweben mögen.