21.07.2009

Wundersames zum Thema Pflanzenschutz

Analyse von Peter Langelüddeke

„Unter Verdacht – Pflanzenschutzmittel „Roundup“ doch gesundheitsschädlich?“ - so kündigte das kritische Magazin „Kontraste“ (ARD-rbb)) einen Beitrag am 9. Juli an. Da fragte man sich unwillkürlich: Nanu, hat jemand dieses Produkt etwa als „nicht gesundheitsschädlich“ eingestuft?

„Unter Verdacht – Pflanzenschutzmittel „Roundup“ doch gesundheitsschädlich?“ - so kündigte das kritische Magazin „Kontraste“ (ARD-rbb)) einen Beitrag am 9. Juli an. Da fragte man sich unwillkürlich: Nanu, hat jemand dieses Produkt etwa als „nicht gesundheitsschädlich“ eingestuft? Das wäre doch verwunderlich, denn jedes Pflanzenschutzmittel ist potentiell gesundheitsschädlich. Wenn es falsch oder unvorsichtig angewendet wird. Nun spitzt der Fachmann sofort die Ohren. Denn „Roundup“ ist ein Produkt der Firma Monsanto und wird in großem Maßstab bei Soja-, Mais-, Raps- und Baumwollsorten eingesetzt, die gentechnisch resistent gegenüber dem Glyphosat, dem Wirkstoff des Roundup gemacht wurden. Aber auch ohne diese Sorten, die in der EU bisher nicht angebaut werden dürfen, ist Roundup ein wichtiges Produkt zur Unkrautbekämpfung.

Das beginnt damit, dass der Landwirt Marco Gemballa aus Mecklenburg vorgestellt wird, der seine Gerste kurz vor der Ernte mit Roundup spritzen will. Die Wirkungsweise des Produktes – nur wirksam auf die grüne Pflanze Unkraut, nicht aber auf die tote Pflanze Getreide – wird zwar korrekt beschrieben, so weit das in ein oder zwei Sätzen zu beschreiben ist. Dann wird aber behauptet: „Die Landwirte nutzen es kurz vor, aber auch direkt nach der Ernte, damit das Feld vor der nächsten Aussaat wieder frei von Unkraut ist.“ Nun sind aber eine Anwendung vor und eine Anwendung nach der Ernte zwei grundsätzlich völlig verschiedene Dinge: „Vor der Ernte“ heißt: Es wird auf die bald zu erntende Kulturpflanze gespritzt, „nach der Ernte“ heißt dagegen: Auf den blanken Boden, oder besser: auf die dann dort etwa wachsenden Unkräuter.

Kontraste behauptet also, daß „die“ Landwirte kurz vor der Getreideernte Roundup spritzen. Das soll doch wohl nichts anderes heißen als: Diese Art der Anwendung ist praxisüblich. Nichts ist aber falscher, um nicht zu sagen unsinniger als das. Ein Landwirt, der unmittelbar vor der Getreideernte sein Unkraut wegspritzen will, ist aus irgendwelchen Gründen mit der rechtzeitigen Unkrautbekämpfung im Frühjahr nicht zu Recht gekommen und muss jetzt zur Ernteerleichterung spritzen. Das kann vorkommen, ist aber beileibe nicht praxisüblich.

Unkräuter müssen, egal ob mechanisch oder chemisch, im Jugendstadium der Kulturpflanze bekämpft oder zumindest wirksam zurück gedrängt werden. Denn im Jugendstadium sind alle Kulturpflanzen am empfindlichsten gegenüber der Konkurrenz durch andere Pflanzen, durch Pflanzen, die mit ihnen um Licht, Wasser und Nährstoffe konkurrieren. Schaltet der Landwirt die Unkräuter in diesem frühen Stadium nicht aus, hat er mit Ertragseinbußen zu rechnen. Für alle unsere Kulturpflanzen gibt es Praxisempfehlungen für den Einsatz von Herbiziden, Empfehlungen für eine Behandlung entweder bald nach der Aussaat bzw. vor dem Auflaufen, oder Empfehlungen nach dem Auflaufen. In jedem Fall also: Empfehlungen für frühe Entwicklungsstadien.

Die Verfasser des Kontraste-Beitrags unterstellen aber, dass eine späte Anwendung wie die im Beitrag gezeigte praxisüblich sei. Sie knüpfen daran sogar die Behauptung: „Weiterhin wird gespritztes Getreide geerntet. Riskante Bestandteile können theoretisch so auch ins Mehl und vielleicht auch in unsere Brötchen gelangen“. Auch wenn das nur als Vermutung geäußert wird: Der TV-Zuschauer wird das nicht als Vermutung, sondern als Fakt wahrnehmen. Und das weckt Ängste, Ängste vor einer möglichen Vergiftung unseres täglichen Brotes, Ängste für die es nicht die mindeste Rechtfertigung gibt. Das ist nicht nur völlig unbegründet, das ist infam.

Dann zitieren sie die zuständige Ministerin, die angeblich einräumt, dass es bei Roundup und ähnlichen Herbiziden „wohl Probleme gibt“. „Sogar dann, wenn alles nach Vorschrift läuft. Der Grund: Diese Herbizide bestehen aus einem Chemiecocktail“, heißt es. Da kann man sich lebhaft vorstellen, wie Frau Aigner in der Zwischenzeit massenweise Post bekommt, nicht nur von ängstlichen Verbrauchern, sondern vielmehr von Gruppen oder Grüppchen, von Klüngeln oder Klüngelchen, die sich als Sprecher schutzloser Verbraucher ausgeben, die ihre Aufgabe aber vor allem darin sehen, möglichst viel Ängste zu erzeugen. Weil sie davon profitieren. Weil sie glauben, sich damit profilieren zu können, daß sie ungestraft auf die ungeliebte Firma Monsanto einschlagen.

Dass Pflanzenschutzmittel aus mehreren Chemikalien zusammengesetzt sind, ist absolut nichts Neues. Das ist so, seitdem es solche Produkte gibt. Da gibt es die verschiedensten Substanzklassen von Formulierungshilfsstoffen: Netzmittel, Lösungsmittel, Farbstoffe, Antischaummittel, Emulgatoren, Haftmittel, und anderes. Und selbstverständlich sind diese Produkte mit Vorsicht zu genießen. Harmlos sind die durchaus nicht alle. Auch wenn manche in Pflanzenschutzmitteln verwendete Netzmittel sogar in Shampoos vorkommen. Netzmittel sind im Übrigen in jeden Haushalt, in jeder Küche vorhanden. Seit Jahrzehnten. Zum Beispiel in „Pril“.

Das Ministerium, heißt es weiter, habe die Hersteller gebeten, eines der vielen Netzmittel, und zwar Tallowamin, innerhalb von zwei Jahren zu ersetzen. Wie fundiert die Vorwürfe gegen Netzmittel vom Typ Tallowamin sind, kann man ohne Kenntnis der Details nicht beurteilen. Monsantos Dr. Thierfelder erklärt im Beitrag, „dass es keine wissenschaftlichen Erkenntnisse gibt, die einen Austausch des Beistoffes rechtfertigen.“ Wissenschaftliche Erkenntnisse zur Gefährlichkeit dieses Netzmittels präsentiert Kontraste aber nicht. Damit meint man, sei das Thema vom Tisch.

Ist es aber nicht. Denn dann lassen die Kontraste-Leute den französischen Professor Seralini von der Universität Caen zu Wort kommen. Der redet nicht von Untersuchungen mit dem im Roundup verwendeten Netzmittel, sondern vom fertigen Produkt Roundup. Das ist zunächst einmal nicht falsch. Denn der Landwirt kommt nicht mit dem Wirkstoff in Kontakt, sondern mit dem formulierten Produkt. Zu diesem fertigen Produkt Roundup aber sagt der Professor, es setze in extremer Verdünnung „in den Zellen einen Prozeß in Gang, der zu einem Selbstmord der Zellen führt. Es handelt sich hierbei um menschliche Zellen von Embryonen. Das könnte der Beginn chronischer Krankheiten sein wie Krebs, Nervenkrankheiten und Fortpflanzungsstörungen“.

Da fragt sich der ängstliche Zuschauer erschrocken: Das sind ja schreckliche Horrorszenarien. Ist Roundup nicht seit mehr als 30 Jahren am Markt, und sind die Landwirte damit nicht sehr großzügig umgegangen? Und haben nichts gemerkt? Eigentlich hätten diese Krankheiten ja mittlerweile massenweise auftreten müssen. Doch was ist? Wo sind die epidemiologischen Studien, die einen Zusammenhang mit der Roundup-Anwendung belegen? Was hat aber dieser Professor eigentlich gemacht? Er hat im Labor Chemikalien an nackten Zell-Linien geprüft. Da liegt es doch wohl nahe zu fragen, wie Roundup oder seine Bestandteile überhaupt in den Körper und an unsere Zellen kommen. Oder gar an Embryonen! Wir haben schließlich keine nackten ungeschützten Zellen, die in einem künstlichen Medium in Petrischalen leben. Wird Roundup etwa als Lebensmittelzusatzstoff verwendet? Oder gar als Beruhigungs- oder Schlafmittel für Schwangere? Das scheint ein Geheimnis dieses besonders klugen Herrn Professors zu sein. Hat er das vielleicht an anderer Stelle etwas deutlicher gesagt? Wenn ja, denn hätten doch die streitbaren Kontraste-Journalisten das dem Zuschauer nicht vorenthalten dürfen. So erscheinen aber Herrn Seralinis Untersuchungen nur als wissenschaftliche Spielerei, die keinerlei Bezug zur Praxis hat. Die aber von bestimmten Gruppen und von bestimmten Medien todsicher gerne aufgegriffen werden wird.

Weiter kritisieren die Kontraste-Journalisten die Ministerin, die diese Studie ernst nehme, aber wieder nicht konsequent handle. Wer will aber beurteilen, ob die Ministerin konsequent handelt? Könnte es nicht sein, dass in den ihr unterstellten Fachbehörden Wissenschaftler arbeiten, die das fachlich beurteilen können? Und könnte es nicht sein, dass die Ministerin sich eher auf deren Urteil verlässt – die werden immerhin aus Steuermitteln bezahlt, also sollte man sie und ihre Erfahrungen ernst nehmen und nutzen – als auf aufgebauschte Medien-Berichte? Immerhin zitieren sie dann die Firma Monsanto, die sich auf die Beurteilung der österreichischen und der französischen Zulassungsbehörde beruft. Und beide hatten, auch das wird zitiert, die Seralini-Studie als nicht aussagekräftig beurteilt. So hat die AGES, die österreichische Agentur für Lebensmittelsicherheit und Gesundheit in einer Stellungnahme zu den Vorwürfen gegen Roundup erklärt: „Zusammenfassend ist festzustellen, dass der Wirkstoff Glyphosat toxikologisch weitgehend „unbedenklich“ ist und die zitierte Publikation zu keiner neuen Einschätzung führt“. Ähnlich äußerte sich schon Anfang des Jahres die AFFSA, die französische Lebensmittelsicherheitsbehörde.

Warum bringt Kontraste die Seralini-Studie dann trotzdem? Wollen sich die Journalisten zu Richtern aufschwingen, die final beurteilen können, ob Seralini Recht hat oder nicht? Ob die Gefahren wirklich bestehen, oder vielleicht auch nicht? Nein, natürlich nicht. Denn dann holen sie sich den Professor Schönfelder von der Uni Würzburg zu Hilfe. Denn der ist spezialisiert auf Laborversuche mit Zellinien. Und der hält, programmgemäß, die Seralini-Befunde für „profund“. Das mag er ja gerne tun. Nur, was hat das mit der Roundup-Anwendung zu tun? Und was sagt der Obergutachter Schönfelder zu den Kommentaren der österreichischen und französischen Behörden? Schlicht und einfach: Kein einziges Wort. Warum wohl nicht? Vielleicht weiß er nichts davon? Oder er hat sich keine Gedanken darum gemacht. Kommt ja vor bei Wissenschaftlern, dass sie zu sehr auf ihr eigenes Fachgebiet schauen und das ganze Drumherum aus dem Auge verlieren. Jedenfalls wird der Einwand, dass das Ganze mit Herbizid-Anwendung verteufelt wenig zu tun hat, in keiner Weise beseitigt.

Zum guten Schluss berichtet Kontraste davon, dass es im Bundestag rumort. Ja, wenn es bei den Grünen rumort, dann schließen sie großzügig gleich den ganzen Bundestag ein. Warten wir doch mal ab, ob sich das Rumoren der Grünen auf andere Fraktionen überträgt. Die Grünen lassen es nämlich gerne rumoren. Vor allem wenn Agrochemie im Spiel ist. Klar, da fordert man mal eben schnell das komplette Verbot von Roundup, so Cornelia Behm, die agrarpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen. Und Frau Höfken, die Vorsitzende des Ausschusses für Verbraucherschutz, läßt es besonders gern intensiv rumoren. Das kann sie gut, das hat sie jahrelang trainiert.

Alles in allem: Mal wieder ein Bericht im Deutschen Fernsehen, der es wunderbar in sich hat. Mit Unterstellungen, Falschdarstellungen, Verdächtigungen, Diffamierungen. Hauptsache: Wirkungsvoll präsentiert. Mal ist es die Firma Monsanto, auf die man ja immer losschlagen darf. Dann ist es die zuständige Ministerin. Jetzt können sich die Kontraste-Macher beruhigt zurücklehnen und auf das Ergebnis schauen: Mal wieder kräftig Wirbel gemacht und Ängste geschürt. Dafür dürfen wir dann auch brav Gebühren zahlen.

Übrigens. Auch der Verfasser dieses Kommentars spritzt in seinem Kleingarten von Zeit zu Zeit Roundup. Immer nur auf ein paar Quadratmetern, aber immerhin. Und ohne besondere Vorsichtmaßnahmen, ohne Gummihandschuhe, ohne Atemschutzmaske, und ohne Schutzanzug. Vor allem ohne Angst.

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