18.05.2012

Wind in der Statistik

Analyse von Joachim Volz

Wie (un-)ökonomisch Windenergie ist. Befürworter der angeblich kostenlos vorhandenen „Erneuerbaren“ vergessen gerne, dass Energie immer erst durch menschliche Arbeit nutzbar wird. Beachtet man diesen Faktor, kommt man zu einem klaren Ergebnis: ineffizient

Der Wind ist ein unsteter Gesell. Das mussten die Betreiber von Windkraftanlagen (WKA) hierzulande in der Vergangenheit immer wieder erfahren. Um für diese Betreiber Prognosen erstellen zu können und damit die Auswahl neuer Standorte zu unterstützen, wurde ein sog. „Wind-Index“ entwickelt. Doch immer wieder fielen die Prognosen zu hoch aus, es wurde weniger Wind geerntet als gedacht, was, in Geld ausgedrückt, Verlust bedeutete. Im Dezember 2011 wurde dieser Index wieder einmal korrigiert – nach unten. [1]

Der Wind-Index ist eigentlich ein Ertragsindex, der über das Windaufkommen nur wenig aussagt. Doch dessen 100 %-Marke ist in den letzten Jahren nicht mehr erreicht worden. 2009 lag diese um 10 % zu hoch, 2010 sogar um 20 %. Im letzten Jahr fehlten bis zum Herbst etwa 10 %, doch der Dezember schenkte den Betreibern ein deutlich überhöhtes Windaufkommen und bracht den Index wieder an die 100 %-Marke heran. Beim neuen Index wurde diese Marke gesenkt, so dass rückwirkend 2009 einen durchschnittlichen, 2010 einen unterdurchschnittlichen und 2011 endlich wieder einen überdurchschnittlichen Ertrag brachte.

Hier macht sich zunächst einmal ein statistisches Problem kenntlich, vereinfacht gesagt der Unterschied von kleinen Zahlen und großen Summen. Die Zahl der WKA stieg von 1991 bis 2011 von etwa 500 auf mehr als 22.000. Die kleinen Zahlen addierten sich zu einer großen Summe – s. Tabelle 1. Der Zubau lag dabei von 1991 bis 1995 bei 600 % (!), im folgenden Jahrfünft erreichte er 160 %, im dritten noch 80 %, und er sank von 2006 bis 2010 auf 20 %. Bei der Entstehung der großen Summe wurden die kleinen Zahlen zwangsläufig einander angeglichen und der Durchschnitt nach unten gezogen. Im Jahr 2000 betrug der Zuwachs 1.700 MW, gegenüber dem Vorjahr war das eine Steigerung von 38 %, 2004 waren es 2.000 MW bei noch 14 % und 2011 fast 1.900 MW und nur noch 7 %. Im nächsten Jahr dürfte die Steigerungsrate die 5 % unterschreiten. Dadurch treten nun aber die Spitzen im Windertrag z.B. in 2007 und 2011 deutlich hervor. Doch obwohl die Stromerzeugung aus Wind in beiden Jahren um rund 9.000 GWh zunahm, lag die Steigerungsrate 2007 bei 30 % und 2011 bei nur 23 %. Auch hier ziehen die großen Summen den Durchschnitt nach unten. Tabelle 1 zeigt die Anzahl der WKA, deren Leistungs-Zubau in MW und die Stromerzeugung in GWh sowie die jährlichen Durchschnittszahlen der Volllast-Stunden.

Tabelle 1 [2]

  Windkraftanlagen (WKA)
Jahr 1993 1995 1998 2000 2002 2005 2007 2008 2010 2011
Anzahl 1.797 3.655 6.205 9.359 13.766 17.574 19.460 20.301 21.607 22.297
Leistung   326 1.126 2.857 6.095 12.001 18.423 22.247 23.903 27.215 29.070
Zubau 87 % 78 % 38 % 38 % 37 % 11 % 8 % 7 % 6 % 7 %
Strom   600 1.500 4.490 9.500 15.780 27.320 39.710 40.575 37.795 46.500
Steigerung 118 % 65 % 51 % 37 % 37 % 11 % 30 % 2 % -2 % 23 %
  Durchschnittszahlen der Volllast-Stunden
Volllast 1,84 1,33 1,56 1,54 1,31 1,48 1,78 1,70 1,39 1,60
gemittelt 2.400 1.705 1.820 1.800 1.520 1.550 1.850 1.750 1.420 1.650
Jahrfünft 1.640 1.560 1.450 1.590  


Die Stromerzeugung pro Maßeinheit installierter Leistung wird mit 1 kW angeben, und in der Zeit berechnet ergibt das Maß der Stromproduktion 1 kWh. Potenziert werden daraus 1 MW, 1 GW und 1 MWh (1.000 kWh), 1 GWh (1 Mio. kWh) und 1 TWh (1 Md. kWh). Auch wenn ein Windrad sich an 6.000 Stunden im Jahr dreht, erreicht es doch nur selten 100 % seiner möglichen Leistung, seiner Volllast. Diese ist der Quotient aus der Strommenge in GWh bzw. TWh und der Gesamtleistung in MW bzw. GW; z.B. erbrachten die WKA 2010 1,39 Millionen kWh pro MW bzw. 1,39 Milliarden kWh pro GW installierter Leistung – siehe Volllast in Tabelle 1 = GWh pro MW. Die statistische Bezugnahme auf die Zeit ermöglicht die einfache Umrechnung in Volllast-Stunden, 2010 waren das 1.390. Hier ist die installierte Leistung aber auf das Jahresende bezogen, d.h. im zweiten Halbjahr ans Netz gegangene Anlagen werden ungenügend berücksichtigt. Für die Zeile „gemittelt“ in der Tabelle ist daher nur der halbe Zubau berechnet, um diesen statistischen Fehler zumindest teilweise zu kompensieren. Der Vergleich der Durchschnittszahlen zeigt zum einen das Schwinden des Unterschieds zwischen den Volllast-Stunden am Jahresende und der gemittelten Leistung. Zum Ende hin beträgt der Unterschied nur noch 50 Stunden oder weniger, wird also vernachlässigbar. Zum anderen erweisen sich die statistischen Ausreißer 2007 und 2011 nicht nur als Schwankungen des Windertrags, sondern auch als solche des Windaufkommens. Die Zahlen korrelieren gut mit dem berichtigten Windertrags-Index. [3]

Der sinkende Durchschnitt offenbart ein weiteres Problem der Erneuerbaren, eines das auf den ersten Blick nicht offensichtlich ist. Rund 60 % der Anlagen – 2011 wurde die Millionen-Grenze überschritten – befinden sich in vereinzeltem Privatbesitz: Häuslebauer, Landwirte, kleine Gewerbetreibende. [4] Mit den Stadtwerken sind es sogar fast zwei Drittel aller Anlagen Das sei gut und richtig, wird argumentiert, schließlich müsse die Macht der „Großen Vier“ (Energieunternehmen), die dann schon mal zur „Viererbande“ [5] geraten, gebrochen werden. Dass auch die Zersplitterung der Stromerzeugung die Öko-Belastung immer weiter in die Höhe treibt, wird nicht wahrgenommen. Um 1990, als die ersten WKA errichtet wurden, konnten sich die Betreiber die „besten“ Plätze noch aussuchen. Das waren z.B. solche an der Küste mit einer durchschnittlichen Windgeschwindigkeit von 7 m/s oder mehr. Mit der schnellen Vermehrung der WKA begann das weitere Problem des Wind-Index. Die durchschnittliche Windgeschwindigkeit der neuen Standorte ging langsam, aber sicher, zurück. Mit der bevorstehenden Ausbreitung der Windräder nach Süden in Regionen mit Windgeschwindigkeiten von nur 3 bis 4 m/s muss der Index bzw. der Durchschnitt der Volllast-Stunden weiter sinken.

Was ist an den Erneuerbaren erneuerbar?
Templin, eine Kleinstadt nördlich Berlins, ist von viel Wald und Wasser umgeben, also nach heutigen Maßstäben durchaus idyllisch gelegen. Um 1230 gegründet, wurde die Templiner Mühle erstmals 1320 genannt. Auch wenn der Mühlteich von der Mühle seinen Namen hat, diente er nie allein als Wasserspeicher. Er war Teil eines Verbundes von etwa einem Dutzend großer und kleiner Seen, die zusammen diese Aufgabe übernahmen. Der wichtigste von diesen war über mehrere Jahrhunderte der Dolgensee, etwa 10 km nordöstlich der Stadt. Er war durch eine Feldsteinmauer künstlich angestaut worden und regulierte den Wasserstand der übrigen Seen. Während der Kleinen Eiszeit brach die Mauer 1574 durch schweren Eisgang. Die Flutwelle schwappte auf dem Seenverbund mehrmals hin und her, die Stadt entging nur knapp einer Katastrophe. Die Templiner versuchten, die Regulierungsfunktion des Dolgensees durch den Bau eines Erdwalles zu sichern. Doch dieser brach 1595 und 1600 abermals, jedesmal im Februar bei starkem Eisgang. Danach ist der See „nicht so gäntzlich wieder gefangen worden“, wie es in der Stadt-Chronik heißt. Der Seenverbund musste nun die Wasserversorgung sicherstellen, was ohne ausreichende Regulierungsmöglichkeit immer wieder zu Streitereien mit Nachbardörfern führte. Deren Mühlen, betrieben von natürlichen Abflüssen der Templiner Seen, bekamen zu wenig Wasser und standen viel zu oft still. Erst Ende des 17. Jahrhunderts wurde die Stadt gerichtlich verpflichtet, festgeschriebene Wasserstände an den Wehren einzuhalten, auch wenn nun der Templiner Müller des öfteren Probleme bekam.

Hier macht die Geschichte ein wesentliches Problem der Erneuerbaren deutlich, die Schwankungen des Energieaufkommens – oder die Fluktuation ihres „Dargebots“, wie dies im grünen Neudeutsch genannt wird. Dieses Problem kannten bereits die Leute des Mittelalters, deswegen bauten sie nicht nur Wassermühlen, sondern speicherten auch deren Energieträger, das Wasser. So ließ sich das Dargebot, zumindest in Grenzen, regulieren. Auch heute spielen Wasserkraftwerke eine gewichtige Rolle, wenn sich genug Wasser – das ja vom Himmel fällt – speichern lässt. In Mitteleuropa, wo die jährliche Niederschlagsmenge deutlich unter 1.000 Liter pro Quadratmeter liegt, sind dem enge Grenzen gesetzt. Wasserkraftwerke erreichten hierzulande im Schnitt der letzten Jahre 4.500 Volllast-Stunden [6], d.h. rund 50 % der möglichen Jahresstunden. Windkraftanlagen sind mit 1.550 Stunden (= 17 %) deutlich abgeschlagen und Solaranlagen bilden mit etwa 900 Stunden, d.h. nur 10 % der Jahresleistung, das Schlusslicht. Tabelle 2 zeigt die Gesamt-Leistung, die produzierte Strommenge und die Volllast-Stunden aus drei verschiedenen Blickwinkeln, die dieses Problem verdeutlichen sollen.

Tabelle 2 [7]

  Einheit 1993 2000 2002 2004 2006 2007 2008 2009 2010 2011
  Gesamter Kraftwerkspark
Leistung GW 122,0 125,3 127,0 134,1 138,7 144,8 151,5 157,4 170,1 175,0
Produktion TWh 527,1 576,5 586,7 615,3 637,0 637,2 637,1 592,3 628,3 612,0
Volllast h 4.320 4.600 4.620 4.590 4.595 4.405 4.205 3.765 3.695 3.500
  Wind- und Solarenergie
Leistung GW 0,33 6,17 12,30 17,73 23,5 26,42 30,02 35,69 44,57 53,89
Produktion TWh 0,61 9,56 15,95 26,07 32,9 42,79 44,99 45,22 49,48 66,00
Volllast h 1.850 1.550 1.300 1.470 1.470 1.620 1.500 1.270 1.110 1.220
  Braunkohle- und Kernenergie
Leistung GW 49,4 45,4 45,2 43,6 43,0 43,8 44,0 43,9 44,3 37,50
Produktion TWh 301,0 317,9 322,8 325,1 318,5 295,6 299,4 280,5 286,5 259,00
Volllast h 6.095 7.000 7.140 7.455 7.410 6.750 6.750 6.390 6.480 6.900


Energie ist Arbeit und dies nicht nur im physikalischen Sinn. Braunkohle- (BKW) und Kernkraftwerke produzierten bis zum Frühjahr 2011 rund die Hälfte der hierzulande benötigten Elektro-Energie, und das bei einer gleichbleibenden Leistung von 44 GW. Die Hälfte davon, 22 GW, entfällt allein auf 9 (!) Braunkohlen-Großkraftwerke [8], die jährlich etwa 150 TWh Strom produzieren. Im Durchschnitt der Jahre 2008 bis 2010 verfügte die Braunkohle-Energie über 22.600 Beschäftigte, davon knapp 6.000 in den Kraftwerken. Pro Kopf wurden dabei in den letzten Jahren 6,50 Millionen kWh erzeugt – Tendenz weiter steigend. Wenn man annehmen könnte, dass die gleiche Zahl der Beschäftigten 22.000 Windräder und 840.000 Photovoltaikanlagen (Stand 2010) [9] „betreuen“ könnte, ergäbe das 2,19 Millionen kWh pro Kopf, also nur ein Drittel der BKW-Beschäftigten. Das ist aber nicht der Fall, die Zahl der Beschäftigten, einschließlich Handwerk und Dienstleistung, liegt dort bei 79.000 [10]. Und das ergibt im Schnitt der letzten 3 Jahre gerade einmal 0,66 Millionen kWh pro Beschäftigten, d.h. nur ein Zehntel (!) von dem, was die Beschäftigten der Braunkohle-Energie produzieren. Anders formuliert, die Hauptprobleme der „Neuen Ineffizienten Energien“ („NIEs“; Heinz Horeis), die nicht ausreichende Energiedichte und deren ständige Fluktuation, lassen sich mit noch soviel Arbeit, und d.h. letzten Endes Geld, nicht überwinden.

Dass die Sonne jeden Morgen aufgeht, und bald darauf Strom von Windrädern und Solaranlagen in die Stromnetze gelangt, macht die „Erneuerbaren“ nicht erneuerbar. Regenerativ, d.h. wiederherstellend werden sie erst durch Arbeit. Ohne Arbeit scheint die Sonne oder auch nicht, weht der Wind oder auch nicht – aber es fließt kein Strom. Erst die lebendige Arbeitskraft, in Maschinen verstetigt und ins Reich der Giganten vergrößert, schafft, oder besser formuliert, produziert den Strom. Dass die NIEs mit dem Feuer der Zivilisation nicht dauerhaft konkurrieren können, merkten Mitte des 19. Jahrhunderts auch die Templiner Müller. 1856 wurden die hölzernen Mühlräder durch ein „Kreiselrad“, eine frühe Turbine, ersetzt. Diese bewährte sich jedoch nicht und musste schon kurze Zeit später einer Dampfmaschine mit 12 Pferdestärken weichen. Nach fast einem halben Jahrhundert wurde diese schließlich 1909 durch einen Elektro-Motor abgelöst.


Sonne und Wind seien kostenlos, ist das gängige Argument für deren Energie-Nutzung. Doch diese „kostenlosen“ Kosten haben sich zu einem Gebirge aufgetürmt, das die Gesellschaft als ganze vor sich her schiebt. Denn Sonne und Wind, d.h. die Kosten ihrer Erzeugung, müssen 20 Jahre lang über die Vergütungen der EEG-Umlage abbezahlt werden. Mit jedem neuen Windrad, jedem Solarpaneel wächst das Gebirge weiter. Damit hat sich dann auch das andere, oft wiederholte Argument, dass mit diesen Energien keine Kosten auf die nachfolgenden Generationen abgewälzt werden, erledigt. Die Berechnung der verausgabten Arbeit(s-Zeit) in Geld ist notwendig, da so eigentlich die Verschwendung von (Arbeits-)Zeit vermieden werden soll. Bei den Neuen Energien wird dieses Ziel verfehlt, weil die Politik diesen Wirtschaftsbereich „betreut“ und die Kosten gleichmäßig auf die vielen kleinen Schultern der Gesellschaft verteilt. Das einzelne Schulternpaar verliert schnell den Überblick und nimmt diese Umverteilung von gesellschaftlichem Reichtum dankbar und/oder geduldig hin.

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