07.06.2022

Willkommen in der Endlosschleife

Von Kai Rogusch

Titelbild

Foto: Eric Ward via Unsplash / CC0

Die Verwandlung unserer Gesellschaft in ein transhumanistisches Bienennest nimmt konkrete Gestalt an. So wird schon eine simple Kontoeröffnung zur Realsatire.

Zuletzt beantragte ich für einen Verein ein Geschäftskonto bei einem großen deutschen Finanzinstitut. Dabei erlebte ich, wie Anonymität, organisierte Verantwortungslosigkeit und Inkompetenz in unserer Gesellschaft immer weiter fortschreiten. Auch Angelegenheiten von banaler Art scheint man heute nicht mehr im menschlichen, direkten Kontakt mit einem persönlichen und verständigen Ansprechpartner innerhalb weniger Tage abwickeln zu können.

Stattdessen hat sich auch im realen Leben eine Technokratie etabliert, die allerdings unsere persönlichen Interaktionen eben nicht effizienter und produktiver gestaltet. Man wird wie bei so vielen anderen Anlässen an eine indirekte Kontaktaufnahme per Brief oder E-Mail verwiesen. Die zwischenzeitliche mündliche Kommunikation vollzieht sich über die sattsam bekannten Hotlines mit wechselnden Ansprechpartnern, die mit der eigentlichen Sache nicht recht vertraut sind.

Hier ist es für die Beteiligten allein organisatorisch unmöglich, in selbständiger direkter Kommunikation und Interaktion die eigentlichen Anliegen anderer Leute zu antizipieren und zu verstehen, um kompetent Abhilfe zu leisten. In meinem Fall erlebte ich den einzigen persönlichen Vor-Ort-Kontakt bei einem Unterschriftentermin in einer Filiale in Anwesenheit einer Bankangestellten. Die adrette junge Dame hatte allerdings von wesentlichen Inhalten des zu unterschreibenden und in Fachchinesisch verfassten Vertrages keine Ahnung. Sie konnte zum Unterschriftszeitraum auch keine offenen Fragen mittels rascher telefonischer Rückfragen mit der Zentrale klären.

„Wahrscheinlich hatte ich die Bedienungsanleitung für diese humanoiden Bank-Roboter nicht richtig gelesen.“

Hier entfaltete sich ein bürokratischer Prozess, in dessen Verlauf ich schließlich eine schicksalsergebene Pedanterie gegenüber einer endlosen Abfolge immer neuer Fallstricke verinnerlichen musste. Bis das Konto eröffnet war, vergingen noch mehrere Wochen. In dieser Zeitspanne bekam ich auf telefonisch oder per E-Mail gestellte Rückfragen keine Antwort eines durchgängig zuständigen Bankmitarbeiters. Es verdichtete sich vielmehr der Eindruck, dass sich die Rolle der „Mitarbeitenden" in der Bank auf roboterhafte und atomisierte Funktionseinheiten verengt.

Endlich wurde mir dann die Kontoeröffnung bekanntgegeben. Jedoch gab es Probleme bei der Zustellung der Zugangsdaten und Bankkarten. Auf die damit verbundenen wiederholten Nachfragen von mir antwortete wochenlang niemand. Wahrscheinlich hatte ich die Bedienungsanleitung für diese humanoiden Bank-Roboter nicht richtig gelesen. Erst als ich anscheinend endlich wieder den richtigen Knopf gedrückt hatte, reagierten sie wieder – und verwiesen mich entweder auf das Erfordernis eines an ein Postfach ohne bestimmte Ortsangabe zu schickenden Briefes oder eben wieder die Hotline. Willkommen im Great Reset.

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