08.11.2017
Wie Lobbyismus über Wissenschaft siegt
Von Ronald Bailey
Der Toxikologe Christopher Portier, Schlüsselfigur bei der Beurteilung des Pflanzenschutzmittels Glyphosat als „wahrscheinlich krebserregend“, unterliegt erheblichen Interessenkonflikten.
Anti-Biotech-Aktivisten hassen das Herbizid Glyphosat, das Monsanto unter dem Markennamen Roundup verkauft. Diese Aktivisten errangen 2015 einen Sieg, als die Internationale Agentur für Krebsforschung der Weltgesundheitsorganisation (IARC) einen Bericht herausgab, in dem Glyphosat als wahrscheinlich krebserregend beim Menschen eingestuft wurde. Diese Schlussfolgerung stand in krassem Gegensatz zu den Erkenntnissen aller Regulierungsbehörden, die Glyphosat in den letzten zwei Jahrzehnten bewertet und das Herbizid als unbedenklich für Mensch und Umwelt eingestuft haben.
Wie konnte die Weltgesundheitsorganisation so stark vom wissenschaftlichen Konsens abweichen? Durch die Unterdrückung umfangreicher Beweise für die Sicherheit von Glyphosat. Im Oktober ist die Nachrichtenagentur Reuters in Besitz eines Entwurfs des Glyphosat-Berichts der IARC gelangt. Im Kapitel zu Tierversuchen wurden Verweise auf zahlreiche Studien, die keinen Zusammenhang zwischen Glyphosat und Krebs fanden, systematisch gestrichen. Die IARC weigerte sich zu erklären, wie es dazu gekommen ist. Sie verwies lediglich auf ihren Prozess der Konsensüberprüfung.
Eine anschließende Analyse der Bewertung der Tierversuche durch die IARC ergab, dass „die Einstufung von Glyphosat als wahrscheinlich krebserregend beim Menschen das Ergebnis einer fehlerhaften und unvollständigen Zusammenfassung der experimentellen Evidenz ist“. Viele laufende Klagen gegen Monsanto behaupten, dass die Kläger infolge einer Glyphosat-Exposition entweder an einem Non-Hodgkin-Lymphom (NHL) oder einem Multiplen Myelom (MM) erkrankt seien. In einer neuen Auswertung der epidemiologischen Studien beim Menschen kamen die Forscher zum Schluss, „dass in der epidemiologischen Literatur kein Beleg für eine ursächliche Verbindung zwischen Glyphosat und NHL oder MM zu finden ist“.
„Wie konnte die Weltgesundheitsorganisation so stark vom wissenschaftlichen Konsens abweichen?“
Ich sollte darauf hinweisen, dass ein gewisser Christopher Portier den Vorsitz der Beratergruppe innehatte, die eine Empfehlung erarbeitete, welche Stoffe (einschließlich Glyphosat) von der IARC bis 2019 auf ihre krebserregende Wirkung hin untersucht werden sollten. Später fungierte Portier als eingeladener Experte für die Gruppe, die zu dem Schluss kam, dass Glyphosat wahrscheinlich ein Humankarzinogen ist. Nach seinem Ausscheiden aus dem National Center for Environmental Health begann Portier 2013 als leitender Wissenschaftler beim Environmental Defense Fund (EDF) zu arbeiten, einer Aktivistengruppe, die sich seit langem gegen viele Aspekte der Pflanzenbiotechnologie und des Einsatzes von Glyphosat einsetzt. In einem Brief an die Zeitschrift Environmental Health Perspectives von 2014, in dem er eine wissenschaftlich diskreditierte Studie über Biotech-Mais verteidigte, nannte Portier nur seine Zugehörigkeit zur IARC. Die IARC hat später die Zugehörigkeit von Portier zu EDF bekannt gegeben, aber die Agentur hat offenbar nicht die Möglichkeit in Betracht gezogen, dass seine Arbeit mit der Anti-Pestizid-Aktivistengruppe einen Interessenkonflikt darstellen könnte.
Dies ist auch nicht Portiers einziger potenzieller Interessenkonflikt. Letzten Monat berichtete der Statistiker David Zaruk, dass Christopher Portier in der gleichen Woche, in der die IARC ihre Stellungnahme zur Kanzerogenität von Glyphosat veröffentlicht hatte, einen lukrativen Beratervertrag unterzeichnete. Er wurde für zwei Anwaltskanzleien tätig, die sich darauf vorbereiten, Monsanto im Namen von Opfern von „Glyphosat-Krebs“ zu verklagen. Portier hat sich außerdem verpflichtet, seine Beratungsvereinbarungen mit den Anwaltskanzleien nicht öffentlich bekannt zu geben.
Bei Forbes kommt der Krebsepidemiologe Geoffrey Kabat vom Albert Einstein College of Medicine zu dem Schluss: „All dies deutet darauf hin, dass eine angesehene Agentur die Beweislage so zurechtbiegt, dass sie zu ihrer vorbestimmten und erwünschten Botschaft passt.“ Genauso ist es wohl gewesen. Die Evaluierungsmethoden der IARC müssen grundlegend überarbeitet, und die Leitung der Organisation ausgetauscht werden.
Offenlegung: Vor ungefähr drei Jahren kaufte ich 100 Aktien von Monsanto mit meinem eigenen Geld für 109 $ pro Aktie. Der Kurs gestern betrug 121,30 $.