20.06.2013

Wie das ZDF die Landwirtschaft von morgen suchte

Von Georg Keckl

Hohe Nachfrage, nachhaltige Produktion und nachwachsende Rohstoffe: So sieht die perfekte Welt der Bio-Landwirtschaft in den Köpfen vieler Menschen aus. Ein zweiter Blick widerlegt dieses märchenhafte Bild jedoch schnell. Georg Keckl über die ZDF-Sendung „Ackern für die Zukunft“.

Hohe Nachfrage, nachhaltige Produktion und nachwachsende Rohstoffe: So sieht die perfekte Welt der Bio-Landwirtschaft in den Köpfen vieler Menschen aus. Ein zweiter Blick widerlegt dieses märchenhafte Bild jedoch schnell. Georg Keckl über die ZDF-Sendung „Ackern für die Zukunft“.


Die Agrarbetriebe der Zukunft werden groß sein: Schon die vom ZDF in der Sendung „Ackern für die Zukunft“ vorgestellten Landwirte bewirtschaften mehr als 300 Hektar Acker. [1] Das ist ein Mehrfaches des aktuellen Durchschnitts von 54 Hektar in Deutschland. An drei Beispielen versuchte die Redaktion, mögliche Entwicklungen der Landwirtschaft und deren Auswirkungen auf die Welt-Ernährungssicherung zu beschreiben.

Gezeigt wurden ein Landwirt aus Unterfranken, der derzeit auf Bio-Landwirtschaft umstellt, ein „konventioneller“ Landwirt aus der Nähe von Hannover, der in einer arbeitsteiligen Betriebsgemeinschaft die Prinzipien des „Precision Farming“ umsetzt, und ein Bio-Großbetrieb in Italien mit Bio-Gasanlage, der energetisch gänzlich unabhängig werden will [2].

Der Bericht ist insgesamt erstaunlich lehrreich, nicht zuletzt, weil er Gelegenheit bietet, verbreitete Denkfehler aufzudecken.

Precision Farming – Zukunftsmodell für konventionelle und Bio-Landwirtschaft

Precision Farming bedeutet, alle Produktionsmittel mit Hilfe modernster Technik und Verfahren effektivst zu nutzen und nichts zu verschwenden [3]. Jeder Quadratmeter Boden, jeder Kubikmeter Wasser, jede Arbeitskraft, jeder Stallplatz, jede Maschine, jeder Euro, jedes Betriebsmittel sollen so eingesetzt werden, dass das Betriebsergebnis zu den gewünschten Zielen hin optimiert wird, seien das nun wirtschaftlicher Erfolg, Freizeit oder Produktions-Vorlieben. Precision Farming ist ein für die Landwirtschaft werbewirksam erfundenes Schlagwort für ein Managementsystem, das prinzipiell jedes erfolgreiche Unternehmen praktiziert, vom Bio-Bäcker bis zu VW. Weshalb es nun als Entwurf für die Zukunft nur der konventionellen Landwirtschaft gesehen wird, erschließt sich nicht.

Zum Symbol für Precision Farming ist das Quad geworden, mit dem ein Bodenprobennehmer GPS-gesteuert über den Acker braust und automatisch Bodenproben sticht. Während der Vegetationsperiode wird dann je nach Nährstoffgehalt der beprobten Stellen per GPS die Gabe an Nährstoffen aus dem Düngerstreuer, aus dem Güllefass, dem Mist-, Klärschlamm- oder Kompoststreuer so gesteuert, dass die Pflanzen an jeder Stelle exakt erhalten, was sie brauchen: Nicht mehr, das wäre Verschwendung, nicht weniger, denn das führte zu Minderertrag. 

Ein Bodenprobennehmer wieselt auch über die Äcker der Biobetriebe und der Biogasbetriebe. Precision Farming ist für sie genauso wichtig, auch wenn ihr Rahmenwerk etwas andere Bedingungen setzt. Auch im Biobereich werden nur die Betriebe bestehen bleiben, die ihre Produktionsfaktoren effektivst einsetzen.

Von Nichts kommt nichts, auch bei Bio

Damit ihre Böden fruchtbar bleiben, müssen Biobauern häufig auf einen Teil ihrer Ernte verzichten. Im ZDF-Film erläutert dazu Biobauer Hilmar Cäsar: „Es ist die Nachhaltigkeit, die wir praktizieren. Das Feld wird nicht geerntet, sondern zerkleinert, eingehäckselt mit einer Maschine, und wir arbeiten das dann oberflächennah ein. Die Regenwürmer kommen dann, holen sich die Pflanzenreste und verdauen das.“ ZDF-Kommentar: „So viel Aufwand können sich allerdings nur wenige Bio-Bauern leisten. Das braucht viel Fläche.“

Wenn man viehlos und bio wirtschaftet, kann man zu einem kostspieligen, flächenraubenden Pausenjahr (Grünbrache) gezwungen sein, um Futterpflanzen für das Bodenleben zu produzieren und die Nährstoffreserven zu schonen. Wie man diese Notlage ökoromantisch verkauft, siehe Text. Viele Menschen stellen sich den Boden als ein mit Pflanzennährstoffen unendlich gefülltes Fass vor, auf dem mit Hilfe von Sonnenlicht und Wasser die Pflanzen wachsen, die man als Gemüse, Obst, Getreide oder über den Tiermagen veredelt mit nach Hause nehmen kann. Aber das ist nur ein Ausschnitt aus dem Geschehen.

Von Natur aus ist unser Boden zwar eine Nährstoff-Recyclingfabrik. Tote Pflanzen und Tiere oder deren Kot nimmt der Lebensraum Boden auf und recycelt sie zu Nährstoffen für neues Pflanzenwachstum. Soll der Boden aber nicht verarmen, darf von den Äckern nur so viel abgefahren werden, wie aus dem Abbauprozess der Bodenmineralien und dem Recyclingprozess der „Abfälle“ nachgeliefert wird.

Von Haus aus sind unsere Böden nicht sehr fruchtbar. Sie können aber durch viele organische „Reststoffe“, die Futter für die Bodenlebewesen sind, enorm verbessert werden. So aktivierte Böden lösen auch mehr Minerale aus dem anorganischen Bodenmaterial. Ob nun Regenwürmer oder andere Bodenlebewesen koten, Kuhgülle verteilt wird oder Kompost eingearbeitet wird, es kommt Futter für irgendein spezialisiertes Lebewesen, ob Pilz oder Wurm, in den Boden. Etwa 20 Prozent des Bodengewichtes besteht aus kleinen Tieren [4]. Der Landwirt muss diesen kaum sichtbaren Tierbestand hegen und pflegen, wenn er den Lebensraum der Tiere, seinen Boden, optimal für sich nutzen will. Über den Mist aus einer hohen Nutztierhaltung wurde dieser Kreislauf früher auf einem bestimmten Niveau gehalten. Es fehlten aber immer bestimmte „Massennährstoffe“, um aus dem Boden einen Dauer-Hochleistungsboden zu machen. Auf Kuhbetrieben fehlte typischerweise der Phosphor, auf Schweinebetrieben fehlte das Kalium, überall fehlten Kalk und Stickstoff.

Düngte man diese Nährstoffe abgestimmt auf Bodenart und Bewuchs zu, explodierte das Leben in den Böden und die Erträge stiegen. Schließlich fand man Mitte des vorigen Jahrhunderts heraus, dass man für gute Erträge keine Tierhaltung braucht. Den Mist können auch zerkleinerte und luftig in den Boden eingemischte Pflanzenreste ersetzen, von denen Bodentiere, Pilze, Bakterien etc. leben. Die Bodenlebewesen stützen außerdem die Physik und Chemie des Bodens. Ohne sie sacken die Böden zu schwer inkontinenten Klumpen zusammen, die weder Wasser noch Nährstoffe halten können und auch nicht locker durchwurzelbar sind.

Viehlose Bio-Betriebe haben nun das Problem, genug Bio-Gülle oder Bio-Pflanzenmaterial zur Fütterung der Bodentiere und zur Bewahrung der Nährstoffgehalte zu bekommen. Bio-Dünger der Düngerfabriken ist teuer und lahm in der Wirkung. Deshalb müssen Bio-Betriebe immer wieder Ruhejahre einlegen, in denen sie Futter für die Bodentiere anbauen und so die Nährstoffvorräte im Boden wieder auffüllen. Hohe Erträge in den Vorjahren werden dadurch relativiert.

Wird aus einer rohen Kartoffel eine „künstliche“, wenn man sie kocht?

Pflanzen nehmen die Nährstoffe als Anionen auf. Sie können nicht unterscheiden, ob die Anionen [5], wie zum Beispiel die Nährstoffe Kali, Phosphor, Stickstoff, Schwefel etc., aus der Bodenverwitterung, aus dem Humus, dem Wurmkot, vom Düngerstreuer oder aus dem Güllefass kommen.

„Kunstdünger“ ist von Ideologen zum Schlagwort gepuscht worden, dessen Nennung bei vielen das Nachdenken durch Vorurteile ersetzt. Dabei müssen auch Biobauern Pflanzennährstoffe wie Kali, Phosphor, Magnesium und Schwefel von außen zuführen. Allerdings ist ihnen nur die Verwendung der Rohformen erlaubt, nicht die der aufbereiteten Dünger, die die konventionellen Landwirte einsetzen. Der Unterschied zwischen beiden ist ungefähr wie der Unterschied im Nährwert zwischen rohen und gekochten Kartoffeln. Die gekochten sind wesentlich besser verdaulich. Es ist Verschwendung, im Bio-Landbau die Düngesalze nicht besser pflanzenverfügbar und bodenfreundlicher zu machen und die kostbaren Rohstoffe nicht effektiv zu nutzen.

Kalisalz (KCl) findet sich schichtweise in Steinsalzlagerstätten (Steinsalz ist unser Speise- und Viehsalz) als Ablagerung verdampfter Urmeere. Phosphat ist als versteinerter Vogelkot mit Vogelleichen an vorgeschichtlichen, trockenen Küsten zu finden. Die fischfressenden Vögel brüteten, rasteten und starben meterhoch im eigenen Mist, wie noch heute an den mit Vögeln dichtgedrängten, ätzend stinkenden Guano-Küsten. Stickstoffdünger, der eigentliche „Kunstdünger“, wird aus dem Luftstickstoff (N2) gewonnen, mit 78 Prozent Hauptbestandteil der Atemluft. Er wird mit hohem Energieaufwand in pflanzenverfügbare Stickstoffformen umgewandelt. Mineralischer Stickstoffdünger ist im Bio-Landbau nicht erlaubt, was kaum zu verstehen ist. Weder das Herstellungsverfahren noch das Produkt sind giftiger als die Steinsalzgewinnung. Ungefähr 40% des Stickstoffs, den die Menschen in den Industriestaaten in sich tragen – meist im Körpereiweiß eingebaut –, sind in den letzten 100 Jahren industriell aus der Luft gewonnen worden.3 Ohne diese Zusatz-Stickstoffquelle gäbe es die heutige Zahl von Menschen auf der Welt nicht.

Der industriell aufgeschlossene Luftstickstoff wird als Anion von der Wurzel aufgenommen, er ist zu 100 Prozent identisch mit dem Anion aus dem Mist oder dem Wurmkot. Für Erfindungen um das Haber-Bosch-Verfahren zur Stickstoffdüngergewinnung aus Luftstickstoff wurden drei Nobelpreise vergeben. Stickstoff ist in der Natur knapp. Es gibt Bakterien, die den Trick mit dem Luftstickstoff auch beherrschen, aber sie bringen nicht die nötigen Mengen. Die Stickstoffversorgung der Pflanzen ist das größte Dünge-Problem der Bio-Betriebe, es ist die Daube in der Liebig’schen Minimumtonne3, die den Bio-Ertrag meist begrenzt. Man muss an Bio glauben wie man an Globuli glaubt, rational verstehen kann man die Ablehnung von Dünge-Stickstoff bei Bio nicht.

Bionachfrage höher als das Angebot - und keiner fragt: Warum?

O-Ton ZDF: „Jedoch steigt die Nachfrage nach Bioprodukten, und die können gegenwärtig nicht allein von deutschen Äckern kommen. Deshalb beschaffen sich die Supermärkte auch eigentlich heimische Bio-Produkte im Ausland.“

Wohl steigt die Nachfrage nach Bio-Produkten. Aber mit dem Einzug von Bio in Supermärkte und Discounter sind die Preise gesunken bzw. der Abstand zu konventionellen Lebensmitteln geschwunden. Die Bio-Milch von EDEKA ist z.B. heute billiger als die Markenmilch. EDEKA hat auch den Bio-Kaffee schon billiger als den Markenkaffee verkauft – vor 10 Jahren unvorstellbar.

Würden die deutschen Biobauern so gut verdienen, wie die Botschaft von der steigenden Nachfrage vermuten lässt und wie ihnen teilweise weisgemacht wird, würden viele Landwirte auf Bio umstellen, so wie sie auf Biogas umgestellt haben. Aber die höheren Bio-Preise und Bio-Subventionen gleichen die geringeren Bioerträge nicht aus, darum stockt die Umstellung. Außerdem ist die Bioerzeugung in Deutschland extrem reguliert, gegängelt und mit großem Papierkrieg verbunden. Während jedoch die Bauern mit Bio-Produktion nicht genug verdienen, sind deutsche Bio-Lebensmittel gleichzeitig teuer für die Verbraucher, und darum beschaffen sich die Supermärkte Bio-Produkte aus dem Ausland.

Kann die Welt mit Bio ernährt werden?

O-Ton ZDF: „Fleisch in Bio-Qualität für alle zu produzieren, da wird es ganz schwierig. Biolandwirtschaft im Allgemeinen, meint Bio-Bauer Cäsar, könnte die Welt ernähren, aber dafür müssten wir unsere Essgewohnheiten umstellen.“ Dazu Hilmar Cäsar: „Wenn wir weiterhin so viel Fleisch essen wollen, dann können wir nicht umstellen auf Bio. Weil wir gar nicht so viele Futtermittel, so viel Getreide als Futter und für das Essen erzeugen können.“

Bio ist Teil eines großen Umerziehungsprojektes, nicht nur beim Fleisch. Das zeigt diese ehrliche Textpassage. Das erste was sich arme Menschen zu allen Zeiten überall auf der Welt gegönnt haben, wenn es ihnen etwas besser ging, war ein Stück Fleisch! Nun nehmen wir mal an, die Menschen ändern sich nicht, die Umerziehung will nicht gelingen, aber eine angegrünte Elite drängt immer weiter auf Bio. Was passiert dann?

Der großbürgerliche Bio-Bauer aus Turin hat auf seinem Gutsbetrieb die Bio-Idee konsequent umgesetzt. Die Wärme, der Strom und bald auch der Sprit für die Traktoren kommen Kreislauf-nachhaltig von seinen Feldern. Und fast die gesamte Nährstoff-Abfuhr vom Feld bleibt auf dem Gut. Nur die durch Fotosynthese gewonnene Pflanzenenergie verlässt den Hof als Strom, Prozesswärme oder Sprit. Der gesamte Rest der Pflanzen, alle Anionen, stehen für die Düngung wieder zur Verfügung. Nur wenige Nährstoffe verlassen als Lebensmittel den Hof. Die kann auf guten Böden die Zersetzung des Ausgangsgesteines nachliefern oder eine minimale Zudüngung.

Die Sache hat nur einen Haken: Wer kann sich den teuren Strom und Sprit leisten, wenn die Subventionen wegfallen, und wie groß ist der Kreis derer, für die Bio-Lebensmittel bezahlbar sind? Der Strom-, Treibstoff- und Wärmebedarf des westlichen Großbürgers ist zudem so groß, dass nur ein kleiner Teil der Felder für die Lebensmittelproduktion übrig bliebe, wollte man Bio-Sprit und Ökostrom großflächig erzeugen. Der Ökologe Norman Meyers von der Universität Oxford schätzt, dass bei dem heutigen, westlichen Lebensstandard die Erde nur 1 Milliarde Menschen nachhaltig tragen könnte [6]. Es müssten also 6 Milliarden verhungern für das reine Ökogewissen der einen Milliarde. Die moralischen Konflikte werden zum Nachdenken führen, wenn das Stadium der Theorie verlassen wird. Es ist nicht vorstellbar, dass der CO2-Reduzierung weitere Menschenopfer gebracht werden ohne die Schreibtischtäter zu bestrafen. Interessant ist, dass bei der aktuellen Diskussion über das Wegwerfen von Lebensmitteln niemand auf die Idee kommt, dass der Verzicht auf Erträge bei der Bio-Landwirtschaft auch eine Form des Wegwerfens sein kann.

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