22.01.2014
Welthunger: Brot für die Welt und Brösel für Afrika
Von Georg Keckl
Kirchliche Entwicklungsorganisationen setzen auf Importverbote für europäisches Fleisch und die Förderung von Kleinbauern in Afrika. Ein Irrweg, unter dem vor allem die Ärmsten leiden, argumentiert der Agraringenieur Georg Keckl. Der Kontinent muss sich vom „Norden“ emanzipieren
Ginge es nach „Brot für die Welt“, dann wären Störche, Mauersegler und andere Zugvögel wohl das einzige Geflügel, das sich auf den Weg von Europa nach Afrika machen darf; Afrikas Landwirtschaft würde auf die Öko-Schiene gesetzt, und die ländliche Entwicklung würde nach dem Motto „klein ist schön“ gesteuert. Ob sich arme Leute dort Geflügel zu Preisen in westlichen Biosupermärkten leisten können, ob schmale Bio-Erträge die Zahl der Hungernden verringern können, solche Fragen stellt sich das Entwicklungswerk der Evangelischen Kirche in Deutschland offenbar nicht.
Brot für die Welt auf sektiererischem Kurs
In einer Pressemitteilung von September 2013 freut sich Brot für die Welt, dass zwei seiner Projektpartner den „Alternativen Nobelpreis“ gewonnen haben. [1] Einer von ihnen ist der Schweizer Hans R. Herren von der Stiftung Biovision. [2] Er glaubt, dass ein „fundamentaler Kurswechsel in der globalen Agrarpolitik hin zu einer nachhaltigen ökologischen Landwirtschaft“ nötig ist, um im Jahr 2050 die dann erwarteten neun Milliarden Menschen ernähren zu können. Das Potenzial des Ökolandbaus könnte, so Herren, vor allem durch die Förderung der Kleinbauern ausgeschöpft werden. [3]
Herren ist Mitautor und Kovorsitzender des „Weltagrarberichtes“ 2008, der wegen seiner weitreichenden Ökologisierungsforderungen selbst der SPD zu weit geht. [4] Claudia Warning, Vorstand von Brot für die Welt, sieht dagegen mit den Visionen Herrens „die Ansätze der Projektarbeit von Brot für die Welt, die seit Jahrzehnten nachhaltige Anbaumethoden von Kleinbauern in Lateinamerika, Asien und Afrika unterstützt“, bestätigt.
Tatsächlich wurden vor allem in Asien und Lateinamerika große Fortschritte in der Hungerbekämpfung erzielt. Sie fielen allerdings umso höher aus, je weniger auf ökodogmatische Rezepte und die Konservierung von Strukturen gesetzt wurde.
„Es wurden große Fortschritte in der Hungerbekämpfung erzielt. Sie fielen allerdings umso höher aus, je weniger auf ökodogmatische Rezepte gesetzt wurde.“
Die These „Wir werden uns ökologisch ernähren oder gar nicht“ [5], ist für alle Bauern mehr Drohung als tägliche Selbstverständlichkeit. Das abschreckende Beispiel Indien wird nicht zur Kenntnis genommen. Dort wurde das Wachstum der landwirtschaftlichen Betriebe aktiv behindert mit dem Effekt, dass bei stark wachsender Bevölkerung die Betriebe immer wieder geteilt und damit kleiner wurden. Nun können sie, trotz „Grüner Revolution“, ihre Besitzer nicht mehr ernähren. [6]
Der Bischof und das liebe Vieh
Die grünen Ideen von Brot für die Welt werden offenbar von führenden Kirchenleuten gestützt. So kritisiert etwa der evangelische Landesbischof von Hannover in einer Pressemitteilung von Anfang September einerseits den heimischen Fleischverbrauch und andererseits Fleischexporte nach Afrika. [7] „Der Fleischverzehr in Deutschland hat sich seit den 1950er-Jahren mehr als verdoppelt und diese Entwicklung hat globale Folgen“, heißt es dort. Das ist allerdings eine sehr eigenwillige Interpretation der Statistik. Die Verdoppelung trifft nur zu, wenn man das Jahr 1950 als Basis nimmt: die Notzeit kurz nach dem Krieg, als das Land vollgestopft war mit Flüchtlingen, die – sofern Bauern - all ihr Vieh verloren hatten. Legt man den Durchschnitt jenes Jahrzehnts zugrunde, stieg die Fleischproduktion bis heute um weniger als 90 Prozent. Davon geht ein immer größerer Anteil in die neu entstandene Tiernahrungsindustrie. Der menschliche Verzehr ist daher seit den Fünfzigern lediglich um 62 Prozent gestiegen, gegenüber den „Wohlstandsjahren“ vor den beiden Weltkriegen sogar nur um ein gutes Drittel. Der Fleischverbrauch der Armen hatte in den Vorkriegsjahren jeweils zu dem der Reichen aufgeschlossen, wenn auch nicht im Hochpreis-Segment.
Der Landesbischof kritisierte zugleich deutsche Fleischexporte nach Afrika als „offensichtlichen Missstand. Mit Dumpingpreisen werden dort die Märkte mit Geflügelteilen überschwemmt, die bei uns niemand mehr haben will“, ließ er verlauten.
Der Teller des Bischofs und der Teller des Volkes
Die Essgewohnheiten des gewöhnlichen Deutschen, des gewöhnlichen Europäers scheinen dem Landesbischof ebenso wenig vertraut zu sein wie den Mitarbeitern von Brot für die Welt. Denn auch dessen Referent für Agrarhandel und Fischerei, Francisco Marí, spricht von „genießbaren Abfällen“ [8], die Europa als Geflügelfleisch nach Afrika schicke. Und Landwirtschaftsreferent Stig Tanzmann [9] legt nach: „80 Prozent des Fleisches, was hier gegessen wird, ist Brustfleisch“. Damit machten die Hersteller ihren Gewinn. „Die Beine, die Flügel, und auch die Rückenstücke, die können so zu Dumpingpreisen verkauft werden, die haben eigentlich gar keinen Preis mehr, da geht es nur noch darum, die Entsorgungskosten zu sparen.“ [10] Diese absurde Interpretation wird von zahlreichen anderen NGOs geteilt.
Und hier die statistischen Fakten: 2012 verließen Deutschlands Geflügelschlachthöfe 1,43 Mio. Tonnen Geflügelfleisch [11], davon wurden 46.880 Tonnen, also ganze 3,3 Prozent der Schlachtmenge, nach Afrika exportiert. Europa produzierte 12 Mio. Tonnen Geflügelfleisch und exportierte davon 3,6 Prozent nach Afrika. Schon das spricht dagegen, dass wir in Europa nur noch die wenigen Edelteile vom Huhn essen und ein „riesiger“ Rest nach Afrika exportiert würde.
Tatsächlich sind nur ca. 40 Prozent des in Deutschland konsumierten Hähnchenfleisches Brustfleisch. Das sind etwa 10 Prozentpunkte mehr als der Brustfleischanteil von 30 Prozent, den ein kaltes Masthähnchen am Schlachthaken liefert. [12] Es gibt eine Tendenz, dass billigere Teile stärker ausgeführt werden, mehr kann man nicht sagen, wenn man sich die Warenströme anschaut. In Deutschland wird noch fast alles vom Huhn gegessen. Die Mehrzahl der Kunden kauft immer noch sehr preisbewusst ein. Brot für die Welt hat sich anscheinend nie reale Warenströme und Einkaufskörbe angeschaut.
Exporterfolge durch Dumping?
Stig Tanzmann und Francisco Marí halten seit Jahren Vorträge [13] mit dem Tenor: „Europäischer Hühnerfleisch-Abfall bringt Bauern in Afrika um die Existenz“. Sie haben erreicht, dass diese Botschaft fast Allgemeingut geworden ist.
In einem Vortrag, der als Video auf youtube vorliegt, verkündet Tanzmann: „Hier sieht man ganz eindeutig, dass Afrika 2010 schon einen Exportanteil von 23% am europäischen Geflügelfleisch hatte. Also das ist ein riesiger Markt, ein Markt der weiter wächst. ... Und wenn man ... sieht, dass Benin, ein Land mit 8,5 Mio. Einwohnern, schon 113.000 Tonnen Geflügelfleisch abnimmt, dann sieht man, was für eine Bedeutung dieser afrikanische Markt inzwischen hat – und worum es letzten Endes geht: da geht es darum, die Reste, die wir hier nicht essen, zu verwerten.“
Wenn Afrika 20 oder 30 Prozent der Geflügelfleischexporte der EU aufnimmt, heißt das nicht, dass das ein „riesiger Markt“ für die EU ist – siehe die oben genannten Exportzahlen. Es werden auch keineswegs nur „Reste“ geliefert! Der Eindruck mag entstehen, wenn man nur auf die Armenmärkte in Afrika schaut. Sicher liegt dort vor allem die billigere Ware, die Innereien, das Geflügelklein. In den Supermärkten des modernen Afrika landen dagegen die Hähnchenschenkel, die Hälften und die Putenflügel. Von den Geflügel-Lieferungen der EU in die beiden Hauptabnahmeländer Benin und Südafrika (2012: 267.000 Tonnen) sind zwei Drittel ganze, halbe oder geviertelte Hähnchen und Puten, Schenkel mit Rückenstücken und Filets.
„Auch die billigen Geflügelteile sind alles andere als Abfall. Sie bringen wenigstens ein kleines bisschen Fleisch in die Suppe der Armen, die sich anderes nicht leisten können.“
Auch die billigen Geflügelteile sind alles andere als Abfall. Sie bringen wenigstens ein kleines bisschen Fleisch in die Suppe der Armen, die sich anderes nicht leisten können. Wer diese Teile als „Abfälle“ bezeichnet, hält ein Plädoyer für die Lebensmittelverschwendung. Paradoxerweise sind es oft die gleichen Leute, die das Wegwerfen von Nahrung moralisch verdammen.
Brot für die Welt fördert Korruption und Gesundheitsgefahren
Zurück nach Benin. Brot für die Welt schreibt: „Bei 133 Millionen Kilo importierten Billigfleischteilen aus der EU fühlen sich die Kleinbauernverbände in Benin von der Bundesregierung auf den Arm genommen. Wer soll in Tierhaltung investieren, wenn das billige EU-Hühnerfleisch inzwischen das lokale Rindfleisch oder selbst die Fischer vom Markt verdrängt?“ Was Brot für die Welt nicht berichtet oder nicht weiß: Die Exporte in das kleine Benin sind so hoch, weil 90 bis 95 Prozent davon in die benachbarte, reiche Millionenmetropole Lagos in Nigeria geschmuggelt werden. [14] Für die 9 Mio. Einwohner von Benin verbleiben rund 9 Millionen Kilogramm, das ist ein Kilo EU-Fleisch pro Einwohner. Davon sollen Landwirtschaft und Fischfang zusammenbrechen?
Die Öl-Metropole Lagos hat mehr Einwohner als ganz Benin. Nigeria ist der Aufforderung von Brot für die Welt gefolgt und hat die Geflügelfleisch-Importe fast stranguliert. Dadurch wurden für die Filialen von Kentucky Fried Chicken (KFC) in Lagos die Hühnchen so knapp, dass sie in ihrer Not Fisch-Burger verkauften. [15] KFC sucht dringend einheimische Produzenten in ganz Afrika [16], aber Brot für die Welt und andere NGOs finden große Hühnerställe für die Versorgung der neuen Mittelschicht in den Städten nicht gut. So blühen Schmuggel und Schwarzmarkt. Schmuggel und Schwarzmarkt sind ein Übel. Korruption wird gefördert und die Gesundheit armer Käufer durch Kriminelle gefährdet. [17]
Das Dogma: Importfleisch schafft Hunger
Nächste Station Kamerun. Stig Tanzmann berichtet über dortige Brot für die Welt-Projekte zur Förderung kleinbäuerlicher Geflügelproduktion. Nach erfolgreichem Start waren sie angeblich durch Billigimporte ins Trudeln geraten – bis Brot für die Welt eingriff. „In Kamerun konnten wir zusammen mit einer sehr starken Bürgerbewegung die Importe stoppen, was ein sehr großer Erfolg war damals und auch heute noch immer ist, weil sich jetzt die Geflügelproduktion erholen konnte und weiter expandiert und es mehrere hunderttausend Arbeitsplätze sind, die da erhalten blieben und sich multiplizieren.“
2005 hat Kamerun die Importzölle auf Geflügel stark erhöht. Alle Statistiken sagen, dass dadurch die Geflügelfleisch-Einfuhren aus der EU praktisch zum Erliegen gekommen sind. Trotz hoher Importe war noch 2004 die Geflügel-Inlandsproduktion stark angestiegen. Seit 2007 stagniert sie allerdings. Denn die Kleinproduzenten verdienen jetzt gut, ihr Absatz ist geschützt.
Die Realität: Importverbot schafft Hunger
Der „Erfolg“ der Brot für die Welt-Kampagne: Das völlig überteuerte heimische Fleisch können sich viele Kameruner nicht leisten. Den Ärmsten der Armen haben die kirchlichen Entwicklungshelfer den Brotkorb sehr hoch gehängt. Dazu der Partner von Brot für die Welt in Kamerun, Bernard Njonga, Chef einer NGO mit Vertretungsanspruch auch für die Landwirte: „Dass den Armen erschwingliche Proteinquellen fehlen, ist kein Grund, andere Arme, nämlich die Produzenten, noch ärmer zu machen. Das importierte Fleisch ernährt vielleicht 10 Arme, macht aber 20 oder 30 andere noch ärmer.“ [18] Diese abstruse Argumentation ergänzt Brot für die Welt auf makabre Weise: „Eine wachsame Bevölkerung meldet illegale Einfuhren, die sofort von der Polizei verbrannt werden.“ Ob es moralisch vertretbar ist, Lebensmittel zu verbrennen, und ob die „wachsame Bevölkerung“ oder die Marktkonkurrenz Meldung erstattet, kümmert Brot für die Welt ebenso wenig wie die Frage, wie ein Laie erkennen soll, ob ein Hühnchen illegal oder legal ins Land kam.
„Das völlig überteuerte heimische Fleisch können sich viele Kameruner nicht leisten. Den Ärmsten der Armen haben die kirchlichen Entwicklungshelfer den Brotkorb sehr hoch gehängt.“
Sollen Hungernde Bio-Preise zahlen?
Die Kleinbauern in Kamerun haben nun ihren durch Denunziation geschützten Markt. Sie können für ihre mageren Tiere verlangen was sie wollen, sie müssen sich nicht anstrengen, besser zu werden. Dass 10 Arme 30 Bauern ernähren, wie Bernard Njonga meint, ist schönste Lobby- Argumentation.
Spannender ist eine andere Rechnung: Im Jahr 2003 wurden in Kamerun 37,5 Mio. Hühner geschlachtet. Wenn das 100.000 Arbeitsplätze in Kamerun sichert, wie Brot für die Welt behauptet, dann erzeugt eine Arbeitskraft im Jahr 375 Hähnchen. In Deutschland kann man mit 300.000 Hähnchen pro Arbeitsplatz und Jahr rechnen. Wenn die Armen in Kamerun Bauern ernähren müssen, die von nur 375 Hähnchen pro Jahr leben wollen, müssen viele arme Kinder hungrig und fehlversorgt lernen, weil ihre Eltern die Mondpreise nicht zahlen können.
Die „Landwirtschaftsexperten“ bei Brot für die Welt übertreiben in ihren Berechnungen des angeblichen Nutzens ihrer Aktion noch mehr als die kamerunischen Bauern-Funktionäre: „Für die Produktion einer Tonne Hühnerfleisch sind fünf Arbeitsplätze nötig. Bei einer Importmenge von 24.000 Tonnen Hühnerfleisch, wie im Jahr 2004, gingen so 120.000 Arbeitsplätze verloren“ [19], verkünden sie. Dazu eine Überschlagsrechnung: 24.000 Tonnen Hühnerfleisch entsprechen 24 Mio. Hühnern. Wenn daran 120.000 Arbeitsplätze hängen, dann braucht es sogar nur noch 200 Hähnchen, um einen Arbeitsplatz zu finanzieren. Was haben der Bauer, der Schlachter und Rupfer, der Korbflechter, die Marktfrau eigentlich den ganzen Tag zu tun, bei den paar Tieren? Die Preise für Kamerun-Hühner sind höher als die Preise für Bio-Hühner in Deutschland. Zu teuer für Arme. Glauben die Leute von Brot für die Welt jeden Lobbyisten-Unsinn, solange er von Kleinbauern-Seite kommt?
Gorillas in die Pfanne
Der Fleischverbrauch der armen Bevölkerung in Kamerun ging von 15,5 kg/Kopf im Jahr 2004 – dem Jahr vor dem Importverbot – auf 12,7 kg im Jahr 2009 zurück. Nach aktuellen Zahlen ist die Versorgung inzwischen noch schlechter geworden. Das billigste Fleisch ist nun wieder das „Buschfleisch“. Der World Wildlife Fund schätzt den Verbrauch von Buschfleisch in Kamerun auf immerhin 3,18 kg/Person und Jahr [20], in Gabun auf 18,05 kg/Person und Jahr. Kamerun hat 21 Mio. Einwohner, Gabun nur 1,6 Mio. In Kamerun gibt es im Süden noch relativ viel Regenwald, im Norden Savannen. Nun wird vom Gorilla bis zum Vogel alles abgeschossen, was billiges Fleisch verspricht. [21]
Brot für die Welt nimmt also nicht nur die Unterernährung von Armen in Kauf, seine Aktionen provozieren auch Wilderei und reduzieren die Artenvielfalt zugunsten von ein paar Bauern, die meinen, ihre veraltete Produktionsweise müsste vor der neuen Zeit geschützt werden. In Kamerun wachsen Soja und Mais ganz hervorragend, man könnte eine rationelle Hähnchenmast wie in Brasilien aufbauen, günstiges, gutes Fleisch für alle erzeugen. Aber das ist bei Brot für die Welt ideologisch nicht erwünscht, weder in Afrika noch anderswo.
Brot für die Welt behindert die Entwicklung Afrikas
Afrika wird wegen des noch starken Bevölkerungswachstums, aber auch wegen seiner wachsenden Mittelschicht bald wesentlich mehr Fleisch konsumieren als bisher. Die Weltbank schätzt diese neue afrikanische Mittelschicht schon auf ein Drittel der Bevölkerung. [22] Afrika wird chic, hat immer mehr gut ausgebildete Menschen. Dazu wird es irgendwann eine andere Landwirtschaft brauchen, eine Landwirtschaft, deren Techniken und Strukturen aktuellen Herausforderungen genügen.
Noch ist die Bedeutung der Kleinstbauern für die Grundversorgung des heutigen Afrika extrem groß. Sie müssen gefördert werden, aber vor allem, um sie im Zuge der allgemeinen Wohlstandsentwicklung aus diesem Armuts-Status heraus zu bringen. Das wurde historisch auch bei uns vollzogen. Diesen Wandel kann man nicht aufhalten.
„Noch ist die Bedeutung der Kleinstbauern für die Grundversorgung des heutigen Afrika extrem groß. Sie müssen gefördert werden, aber vor allem, um sie im Zuge der allgemeinen Wohlstandsentwicklung aus diesem Armuts-Status heraus zu bringen.“
Nach Ansicht der Weltbank sollte Afrika sein Augenmerk stärker als bisher auf die „kommerzielle“ Landwirtschaft legen. „Ohne eine Beteiligung agrarindustrieller Organisations- und Produktionsformen unter Beteiligung kleiner, mittelständischer und multinationaler Unternehmen ließen sich die regionalen Entwicklungsziele nicht erreichen.“ [23] Agrarindustrielle Produktionsformen sind für viele NGOs und die Entwicklungswerke der beiden großen Kirchen so etwas wie Teufelswerk. Für sie liegt das Heil ausschließlich im Kleinbauernwesen.
Stimmen für eine moderne Landwirtschaft in Afrika schaffen es eher selten in die Öffentlichkeit. [24] Die Verherrlichung unrentabler Strukturen funktioniert aber nur, weil man Organisationen wie der Weltbank, Wissenschaftlern, Unternehmen, dem Währungsfonds und fortschrittlichen Regierungen automatisch unterstellt, blinde Kapitalisten und Ausbeuter zu sein. Ohne die „Kapitalisten“ wird es aber nichts werden mit einem modernen Afrika, mit Afrika als Teil des „Weltdorfes“. Diesen Weg hat eine der Kapitalismusfreundlichkeit eher unverdächtige Regierung wie die sozialdemokratische in Brasilien so erfolgreich beschritten, dass den NGOs dort ihre Feindbilder abhandenkommen.
Es ist nicht gut für Afrika, wenn Entwicklungsorganisationen ihre Traumbilder von Landwirtschaft mehr schätzen als die Menschen. Die Afrikaner sollen selbst entscheiden, was gut für sie ist. Wenn manche Länder Importverbote wollen, mögen sie sie einführen. Wenn andere nach vorne in eine moderne Landwirtschaft wollen, soll auch das deren Entscheidung sein. Afrika darf kein Ersatzschlachtfeld für europäische Ideologien werden. Es diente dem Fortschritt, wenn sich Afrika so weit vom „Norden“ emanzipieren würde wie Südamerika oder Asien.