28.09.2009

Wahl 2009 – Ende der politischen Lähmung?

Von Matthias Heitmann

Die gute Nachricht lautet: Die Ära der Großen Koalition des Stillstands ist beendet. Die schlechte Nachricht ist: Es ist fraglich, ob CDU und FDP sich zu klarem und entschlossenem Handeln durchringen werden.

Wenn es etwas Positives über den Ausgang der Bundestagswahl vom 27. September zu berichten gibt, dann wohl dies: Die Ära der Großen Koalition des Stillstands ist beendet. Künftig wird der Bundesregierung eine zumindest hinsichtlich der Sitzverteilung im Bundestag stärkere Opposition gegenüberstehen. Das kann der demokratischen Kultur im Land nur gut tun. Allein: Die Anzahl oppositioneller Köpfe garantiert noch nicht, dass diese auch tatsächlich eine schlagkräftige Opposition bilden werden.

Dass die Volksparteien weiter an Boden verloren haben, unterstreicht einmal mehr den sehr weit fortgeschrittenen Bedeutungsverlust der alten linken und rechten Ideologien. Auch wenn es vordergründig so scheint, als kehrten wir nun zu einer klaren Lagerbildung zurück (rechtsliberale Regierung gegen linke Opposition), kann von tatsächlichen Lagern kaum die Rede sein. Ganz offensichtlich verfing auch die einem längst untergegangenen Lagerdenken entsprungene Verteufelungskampagne der Grünen im Schulterschluss mit Umweltminister Sigmar Gabriel gegen die „schwarz-gelbe Atomkoalition“ nicht.

Eine Bildung echter politischer Lager wird es mangels profilierter politischer Perspektiven auch in der nächsten Legislaturperiode nicht geben – auch wenn so mancher sehnlichst die damit verbundene Übersichtlichkeit zurückwünscht. Stattdessen steht zu erwarten, dass sich die Oppositionsparteien primär sich selbst bekriegen werden. Allen voran die SPD, die fast 2 Millionen Wähler an die Nichtwähler verloren hat, wird um Profil ringen – weniger gegenüber Merkel als eher gegenüber den Grünen und der Linken. Die Abwahl der Großen Koalition und die historische Gewinne der FDP scheinen dafür zu sprechen, dass die Wähler des unschlüssigen, defensiven Lavierens zwischen sozialdemokratischen, grünen und promarktwirtschaftlichen Positionen überdrüssig sind und sich mehr Klarheit wünschen. Ob sich Union und FDP tatsächlich zu mehr Klarheit durchringen werden, ist jedoch fraglich. Vorstellbar ist, dass sich Merkels Defensivität gegenüber dem „Regierungspartner SPD“ nun auch gegenüber der „Oppositionspartei SPD“ und damit der Stillstand in Schwarz-Gelb fortsetzt.

Dennoch: Das Wahlergebnis bietet immerhin die wahlarithmetische Möglichkeit, klarere Konzepte und Profile zu entwickeln und somit den politischen Ideenwettbewerb zu beleben; zumindest sind koalitionsbedingte Entschuldigungen, solches nicht zu tun, nun nicht mehr vorhanden. Und das ist angesichts der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lage und der politischen Lähmung in jedem Fall ein Fortschritt.

Zu einer echten Belebung der Demokratie ist es jedoch noch ein weiter Weg, wie die historisch niedrige Wahlbeteiligung deutlich macht. Dass diese in der Berichterstattung am Wahlabend fast vollständig unter den Teppich gekehrt wurde, ist leider alles andere als ein Anzeichen dafür, dass man in Berlin künftig Klartext redet und die wirklichen Probleme anpackt.

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