18.01.2024

Alternative für unzufriedene Wähler

Von Sabine Beppler-Spahl

Titelbild

Foto: Sven Teschke via WikiCommons / CC BY-SA 3.0

Mit Sahra Wagenknechts BSW ist endlich eine linke Partei entstanden, die gegen „Cancel Culture“, Identitätspolitik und die Herrschaft der Eliten kämpft.

Für Sahra Wagenknecht hätte es keinen besseren Zeitpunkt für ihre Pressekonferenz geben können. Als sie letzte Woche das „Bündnis Sahra Wagenknecht – Vernunft und Gerechtigkeit" (BSW) vorstellte, rollten überall die Traktoren durch die Straßen der Republik.

Wagenknecht griff die Proteste auf und stellte sich hinter die rebellierenden Bauern. Die Landwirte würden zu Recht nicht einsehen, dass sie für die Unfähigkeit der Ampel, einen soliden Haushalt aufzustellen, bezahlen sollten. Die Menschen erlebten eine Regierung, die keinen Plan habe, außer ihnen das ohnehin knapper gewordene Geld aus der Tasche zu ziehen. Bundeskanzler Olaf Scholz wirke sprachlos, auch wenn er lange Reden halte und der Opposition warf sie vor, die Politik der Ampel in großen Teilen mitgetragen zu haben.

Vielversprechend ist der Start des BSW in jedem Fall und schon jetzt wirkt er sich auf die Parteienlandschaft aus, denn er beschleunigt den Niedergang der Linkspartei. Ihr Austritt aus der Linken war nur folgerichtig. Jahrelang hatte sie gegen das Abdriften der Partei in die Bedeutungslosigkeit gekämpft.

Gelegentlich ist Sahra Wagenknecht als die neue Rosa Luxemburg bezeichnet worden und sie verfügt tatsächlich über ein beachtliches populistisches Talent.  Während der Corona-Krise war sie eine der wenigen bekannten Stimmen, die mutig und konsequent die autoritäre Lockdownpolitik der Regierung kritisierte. Sie ist auch eine der wenigen Politiker, die immer wieder die Verachtung der Eliten für die einfachen Leute anprangert. Ihre Kritik richtet sich gegen die „Lifestyle-Linken“ und deren Identitätspolitik. Ihr 2021 erschienenes Buch, „Die Selbstgerechten“,  war monatelang ein Bestseller.

Wagenknecht ist auch eine langjährige Kritikerin der technokratischen Politik Brüssels, obwohl sie nie explizit für einen Austritt aus der EU eingetreten ist. Im Jahr 2016 wurde sie körperlich angegriffen, als ein Aktivist ihr auf einem Parteitag der Linken eine Torte ins Gesicht warf – wohl in Reaktion auf ihre Kritik an der laxen Einwanderungspolitik Angela Merkels.

„Das BSW kann nur dann erfolgreich sein, wenn es ihm gelingt, die Wähler und Unterstützer anderer populistischer Parteien zu gewinnen."

Die erste echte Bewährungsprobe für das BSW wird die EU-Wahl im Juni sein. Im September finden dann die drei wichtigen Landtagswahlen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen statt. In allen drei Bundesländern führt die AfD in den Umfragen. Wie die AfD macht sich Wagenknecht die tiefe Unzufriedenheit der Bevölkerung mit der etablierten Politik zunutze, insbesondere mit der Ampelregierung. Als sie 2022 sagte, Deutschland habe die „dümmste Regierung in Europa", traf sie bei vielen Menschen einen Nerv. Umfragen ergeben, dass ihre Partei zwischen 4 und 17 Prozent der Stimmen gewinnen könnte.

Eine der wichtigsten Fragen, die sich viele Kommentatoren stellen, ist, ob das BSW ein nützliches Instrument zur Schwächung der AfD sein könnte, indem sie die populistische Opposition spaltet. Wagenknecht und ihr Team legen großen Wert darauf, sich von der AfD abzugrenzen. Deswegen wird die neue Partei niemanden aufnehmen, der direkt von der AfD oder einer anderen „dubiosen Partei" hinüberwechseln will. Doch auch wenn der Wunsch, sich von der AfD abzugrenzen, verständlich ist, könnte diese Politik eine Fehlkalkulation sein. Schließlich wird die BSW nur dann erfolgreich sein, wenn es ihm gelingt, die Wähler und Unterstützer anderer populistischer Parteien zu gewinnen – vor allem wenn sie, wie ihre Gründer sagen, eine Volkspartei werden möchte. 

Ob die neue Partei erfolgreich sein wird, hängt von ihrer politischen Botschaft und ihrem Programm ab. Ein erstes Manifest – ein Programmentwurf – wurde Anfang des Monats veröffentlicht. Es ist ziemlich weit gefasst. Die Partei will mehr Investitionen in öffentliche Dienstleistungen und Infrastruktur, mehr Abgaben für die Reichen und höhere Sozialausgaben, mehr öffentliche Investitionen in Industrie und Wirtschaft, keine weiteren Militärbündnisse unter Führung der USA, Friedensgespräche mit Russland, weniger Einwanderung – und ein Ende der Bevormundung der Bürger sowie der „Cancel Culture“.

„Das politische Programm ist zwar populär, aber auch ein wenig inkohärent."

Es ist leicht nachvollziehbar, dass ein Großteil dieses Programms bei den Wählern Anklang finden könnte. Einen Wahlerfolg garantiert das nicht. Ein Problem ist, dass der Personenkult um Wagenknecht – nicht zuletzt durch die Benennung des BSW nach ihr selbst – die Partei als eine „One-Woman-Show“ erscheinen lässt.

Das politische Programm ist zwar populär, aber auch ein wenig inkohärent. Es konzentriert sich stark auf die Umverteilung, erwähnt aber nicht das Wirtschaftswachstum. Es setzt sich für mehr Sozialausgaben ein, verschweigt aber, dass der deutsche Sozialstaat ein untragbares Ausmaß erreicht hat – und in den letzten Jahrzehnten massiv zugenommen hat. Es kritisiert die verfehlte Energiepolitik, erwähnt aber nicht die Kernenergie. Stattdessen will Wagenknecht die Gaspipelines aus Russland wieder öffnen.

Vor allem aber ist die außenpolitische Vision des BSW eine Mischung aus Wunschdenken und Nostalgie nach der Zeit des Kalten Krieges. Der BSW will die Beziehungen zwischen Ost und West wiederbeleben und stellt sich „in die Tradition von Willy Brandt und Michail Gorbatschow". Doch die geopolitischen Spannungen von heute sind ganz anders als die des Kalten Krieges. Und Wagenknechts Träume vom Frieden mit Russland lassen völlig außer Acht, wie wichtig der Kampf der Ukraine für nationale Souveränität und Freiheit ist.

Doch auch wenn das BSW um die ideologische Richtung ringt, ist seine Gründung zu begrüßen. Verärgerten Wählern bietet sich ein weiteres Ventil für ihre Wut. Endlich gibt es eine linke Partei, die gegen „Cancel Culture“, Identitätspolitik und die Herrschaft der Eliten kämpfen möchte – das ist selten genug bei der europäischen Linken.

jetzt nicht

Novo ist kostenlos. Unsere Arbeit kostet jedoch nicht nur Zeit, sondern auch Geld. Unterstützen Sie uns jetzt dauerhaft als Förderer oder mit einer Spende!