06.11.2008

US-Wahlen: Yes, we can – but what?

Von Matthias Heitmann

„Es muss ein Ruck durch unser Land gehen!“ – so lautete 1997 die fast schon beschwörende Forderung des damaligen Bundespräsidenten Roman Herzog. Die Reaktionen in aller Welt auf den Wahlsieg von Barack Obama bei den US-Präsidentschaftswahlen zeigen, wie sehr sich die Menschen nach einem solchen „Ruck“ sehnen.

Einige deutsche Kommentatoren verglichen den Wahlerfolg des Demokraten gar mit dem Fall der Berliner Mauer. So verständlich die Hoffnungen auch sind, die in den kommenden US-Präsidenten gesetzt werden, so fraglich ist, ob sie auch begründet sind.

Die Wahl eines Afro-Amerikaners zum Präsidenten der USA ist zweifellos ein historisches Ereignis. Auch die Begeisterung und die Hinwendung zur Politik, die Obama im Vorfeld der Wahl zu entfachen vermochte und die sich letztlich in einer für amerikanische Verhältnisse sensationellen Wahlbeteiligung niederschlug, ist bemerkenswert. Vergleicht man die Siegesrede Obamas mit dem, was man ansonsten von Politikern in den letzten Jahren zu hören gewohnt war, so wird vor allen Dingen eines deutlich: Obama versteht es, dem Wunsch der Menschen nach positiven Zukunftsvisionen und nach Überwindung alter Politikstile zu entsprechen.

Natürlich, so könnte man einwenden, war die Wahl für die republikanische Partei eigentlich nicht zu gewinnen. Zu schwer lastet das Erbe George W. Bushs auf der „Grand Old Party“, zu groß ist der Verdruss angesichts der US-amerikanischen Politik im Irak und zu groß sind die Ängste in Bezug auf die Finanzkrise, als dass es dem republikanischen Kandidaten John McCain hätte gelingen können, sich erfolgreich von der Politik der letzten acht Jahre zu distanzieren und als Personifizierung des „Neubeginns“ zu positionieren. Andererseits zeigt die Deutlichkeit des Wahlsiegs von Obama, dass die amerikanischen Wähler nicht einfach nur die Republikaner abgewählt haben – ihre Wahl ist eindeutig zukunftsorientiert, sie ist Ausdruck einer grundlegenden Ablehnung der zynischen Politik von gestern und zugleich ein Auftrag an den neuen Präsidenten, einen wirklichen Neubeginn zu wagen.

Für grundlegende Veränderungen bedarf es neben der öffentlichen Unterstützung auch eines profilierten Programms und neuer Ideen. Bei allem Enthusiasmus, den Obama auszustrahlen imstande ist – wenig deutet darauf hin, dass wirklich neue Ideen und Impulse von der Obama-Regierung ausgehen werden, die über Stilfragen hinausgehen. Innenpolitisch steht Obama vor enormen Herausforderungen; diese zu benennen, ist lediglich eine Vorbedingung, jedoch keineswegs Bestandteil eines Regierungsprogramms. Außenpolitisch ist ebenfalls nicht mit einem Neuanfang zu rechnen: Obama wird den bereits unter Bush vorbereiteten Truppenabzug aus dem Irak umsetzen und den Krieg gegen den Terror in Afghanistan intensivieren. Der im Obama-Camp vorherrschende Stolz, im „nettesten“ Republikaner Colin Powell einen prominenten Unterstützer gefunden zu haben, zeugt eher vom Streben nach Konsens und Kontinuität als von einem tatsächlichen Politikwechsel.

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