19.09.2018

Umweltministerium führt Bundestag hinters Licht

Von Georg Keckl

Titelbild

Foto: m_baecher via Pixabay / CC0

Eine Regierungsantwort auf eine Bundestagsanfrage impliziert, dass in den letzten Jahrzehnten viele Wildbienenarten ausgestorben seien. Stimmt nicht, ist nur Stimmungsmache der Öko-Bürokratie.

Der Wolf ist wieder heimisch in Deutschland, vermehrt sich prächtig, breitet sich aus, sehr zum Kummer der Weidetierhalter. Kaum wieder heimisch geworden, landete der Wolf auch schon auf der vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) herausgegebenen „Roten Liste der vom Aussterben bedrohten Tiere“. Und zwar gleich in der höchsten Gefährdungsstufe, der „1“, definiert als „Vom Aussterben bedroht“. Auch wenn eine Art in der Roten Liste als „Vom Aussterben bedroht“ geführt wird, kann sie sich prächtig vermehren. Diese Einstufung hat nichts mit einer Zu- oder Abnahme der Tierzahlen zu tun, es ist eine Einschätzung der Gefährdungslage durch Biologen und Naturschützer.

Die Einstufungen erinnern etwas an die früheren Schadenseinstufungen in den Waldschadensberichten. Der Förster, der seine Wälder 1984 zu 100 Prozent als „deutlich geschädigt“ einstufte, bekam die höchste Aufmerksamkeit. Der Förster, der unter dem Durchschnitt schätzte, bekam Druck. Da nun die Wälder nicht wie vorhergesagt hinweggerafft wurden, änderte man die Definition 1988 von „deutlich geschädigt“ zum sachlicheren „deutliche Kronenverlichtung“, wobei es seit aller Ewigkeit Bäume mit dichteren und lichteren Kronen gibt, je nach Standort. Bei der Roten Liste wird der Öffentlichkeit aber immer noch weisgemacht, eine „Gefährdungsstufe“ sei gleichbedeutend mit einer schwindenden Anzahl. Der internationale Vergleich zeigt, dass diese Behauptung nicht haltbar ist.

Während die Gefährdungskategorien in der deutschen und internationalen Roten Liste (IUCN-Liste) ungefähr dieselben sind, gibt es bei den Einstufungskriterien, nach denen die Arten in die Gefährdungskategorien eingeordnet werden, zwischen der IUCN-Liste und den deutschen Roten Listen erhebliche Unterschiede. Die IUCN-Kriterien schreiben quantitative Werte vor, während für die Einstufungen in den deutschen Roten Listen diskutierbare Einschätzungen genügen. 1

So entfernt sich die deutsche Rote Liste immer mehr von der internationalen Roten Liste und wird zur Propagandaliste, weil sich Risikofaktoren nun an einem schwammigen „Vorsorgeprinzip“ zu orientieren haben, statt an statistischer Evidenz. 2

 „Ein Zuwachs in der Roten Liste bedeutet nicht, dass immer mehr Arten aussterben.“

Dieser Zusammenhang zeigt sich auch in der Debatte um das sogenannte „Bienensterben“. Dass gerade in den letzten Jahren sehr viele Bienenarten ausgestorben seien, schwingt als Subtext der aktuellen Insektenschutzkampagne mit. Die immer wieder zu lesende und hörende Zahl von 39 ausgestorbenen Wildbienenarten soll besondere Dringlichkeit suggerieren. Tatsächlich ist nur eine dieser 39 Arten innerhalb der letzten 40 Jahre ausgestorben – die „Dasypoda suripes (Christ, 1791)“ im Jahr 2001. Sie wurde 1791 erstmals beschrieben und 2001 letztmals in Deutschland gesichtet. Es gab sogar einen erfreulichen Artenzuwachs bei den Wildbienen seit 1980. Es wurden vier Wildbienenarten bei uns neu gesichtet und umgehend in die Rote Liste eingetragen. Ein Zuwachs in der Roten Liste bedeutet nicht, dass immer mehr Arten aussterben würden, wie das gern insinuiert wird.

Meisterhaft beherrschen diese Irreführung der Öffentlichkeit die Ministerialen in den Umweltministerien, beim Umweltbundesamt und beim Bundesamt für Naturschutz (BfN). Hier ging man sogar so weit, den Bundestag hinter die Fichte zu führen, um ihre Dauerkampagne von den „wegen der modernen Landwirtschaft aussterbenden Wildbienenarten“ nicht durch echte Zahlen und Definitionen zu stören. Die Bundestagsfraktion der Grünen fragten die Bundesregierung (Drucksache 18/7492):

„Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Situation von Bestäuber-Insekten, vor allem von Wildbienen und Schmetterlingen in Deutschland seit den 1980er Jahren entwickelt?“ und „Wie viele heimische Wildbienen- und Schmetterlingsarten sind seit den 1980er Jahren ausgestorben?“

„Auf der ‚Beweislage‘ kann man schlecht behaupten, die moderne Landwirtschaft dezimiere die Wildbienenarten.“

Darauf antwortete die Bundesregierung, federführend das Umweltministerium, gestützt auf Informationen des BfN: „Es gibt rund 560 Wildbienen-Arten in Deutschland, die in den Roten Listen (2012) bewertet wurden, davon sind 39 Arten ausgestorben oder verschollen. Aus den Artengruppen der Tagfalter, der Nachtfaltergruppen Spanner, Eulenspinner, Sichelflügler und Spinnerartige Falter, die einen großen Anteil der Bestäuber-Arten stellen, sind 19 Arten seit 1980 ausgestorben oder verschollen.“

Die erste der 39 ausgestorbenen Wildbienenarten ist vor genau 200 Jahren, im Jahr 1818, ausgestorben, die „Nomada mauritanica Lepeletier 1841“. Vier weitere sind ebenfalls schon vor 1900 ausgestorben, 28 zwischen 1900 und 1960, fünf zwischen 1961 und 1974 und die letzte 2001. Auf dieser „Beweislage“ kann man schlecht behaupten, die moderne Landwirtschaft dezimiere die Wildbienenarten, darum wurde dem Bundestag vorgemacht, die 39 Arten wären erst seit 1980 ausgestorben. Dass man genau wusste, wann die einzelnen Arten ausgestorben sind, zeigt der nächste Satz in dem Bundestagsdokument: „Aus den Artengruppen der Tagfalter, der Nachtfaltergruppen Spanner, Eulenspinner, Sichelflügler und Spinnerartige Falter, die einen großen Anteil der Bestäuber-Arten stellen, sind 19 Arten seit 1980 ausgestorben oder verschollen.“ Hier konnte man nach Aussterbejahren differenzieren und hat nicht alle 61 Eulenfalter, Tagfalter, Spinner, Spanner und Zünslerfalter, die seit 1881 ausgestorben sind, aufgeführt.

Abbildung 1: Die 39 ausgestorbenen Wildbienenarten mit Aussterbejahr, Quelle: Rote Liste beim BfN

Als kleine juristische Hintertür ließ man in dem Satz „Es gibt rund 560 Wildbienen-Arten in Deutschland, die in den Roten Listen (2012) bewertet wurden, davon sind 39 Arten ausgestorben oder verschollen“ das „seit 1980“ weg, was sich aber schon aus der Frage ergibt. Alle Leser dieses Bundestagsdokumentes müssen schließen, dass 39 Wildbienenarten seit 1980 ausgestorben sind, dies mit der „modernen Landwirtschaft“ in Verbindung bringen, dabei wird nicht eine Zahl genannt, die einen Rückgang irgendeiner Art quantitativ beziffert, es wird nur Stimmung gemacht.

„Ein großer Posten an ausgestorbenen Arten macht sich gut, wenn man eine Öko-Mission zur Weltrettung verfolgt.“

Von der im Jahr 1818 ausgestorben, die „Nomada mauritanica Lepeletier 1841“ existiert in Deutschland nur ein weibliches Exemplar in einer entomologischen Sammlung, gefangen und präpariert 1818. Man konnte sie zunächst nicht einordnen. Der Franzose Amédée Louis Michel Le Peletier, Comte de Saint-Fargeau, beschrieb 1841 eine im Zentralmassiv, in Nordafrika und in Ungarn vorkommende Wildbienenart. So konnte diese unbekannte deutsche Einzelbiene nachträglich auch einer Art zugeordnet werden. Einige Insektenkundler waren nun der Meinung, dass diese Art vor 1818 zur Bienenfauna im Rheingraben gehörte und trugen sie deshalb als „ausgestorben“ in die Rote Liste der in Deutschland heimischen oder einmal heimisch gewesenen Arten ein.

Ein großer Posten an ausgestorbenen Arten macht sich gut, wenn man eine Öko-Mission zur Weltrettung verfolgt. Viele Arten waren schon ausgestorben, bevor 1977 die erste Rote Liste der Tiere und Pflanzen der Bundesrepublik als Sammelwerk publiziert wurde. All das hätte zu einer seriösen Information des Bundestages und der Öffentlichkeit gehört, aber die Umweltbürokratie versteht sich offensichtlich mehr als Campaigner denn als Behörde, liefert Emotionen statt Informationen und die Medien spielen zu oft mit.

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