25.11.2008

Super-Spanner

Von Michael Bross

Alle Welt hofft neuerdings wieder auf den Staat und dass er es richten wird. Konjunkturprogramme, Bankenbürgschaften, eine Weltfinanzordnung gar – es wird viel darüber geredet, wie der Staat uns alle retten soll. Einer aber palavert nicht, sondern handelt und bringt den Staat tatkräftig voran: Wolfgang Schäuble, der Bundesinnenminister. Aus seinem Hause stammt der Entwurf für das BKA-Gesetz, der derzeit die Gemüter erhitzt.

Mit diesem Gesetz würde das Bundeskriminalamt zu einer Super-Überwachungs-Behörde aufgewertet, die überall nach Terroristen suchen darf. Weil das ja keine gemeinen Verbrecher sind, die man mit normalen Mitteln in den Griff bekommen könnte? Jedenfalls soll das BKA demnächst – wie das große Vorbild FBI – Telefone abhören, Wohnungen verwanzen, Computer ausspähen. Und das alles so ziemlich ohne wirklich gut funktionierende Aufsicht. Nichts soll mehr im Verborgenen wuchern, alles muss ans Licht gebracht und von den Schlapphüten einer peinlichen Begutachtung unterzogen werden dürfen.

Elektronische Tagebücher auf privaten Computern sollen tabu sein, hat der Herr Minister versprochen. Aber um von Amts wegen festzustellen, dass eine Datei auf einer Festplatte zum Kernbereich der privaten Lebensführung zählt, muss das Amt ja erst mal lesen, was drin steht. Und dann ist eben nicht mehr privat, welche seufzenden Gedanken eine Dreizehnjährige beim Anblick von Brad Pitt (oder für wen Teenager auch immer gerade schwärmen mögen) ihrem Poesie-Album aus Bits und Bytes anvertraut hat.

Zwar ist vorgesehen, dass geschulte Beamte unter Aufsicht des behördeneigenen Datenschützers das Material sichten und dann entscheiden, ob es offiziell (– und was ist mit inoffiziell oder informell?) verwendet werden darf. Aber mal schnell die Urlaubsfotos durchklicken – vielleicht sind ja terroristische statt touristischer Ziele dabei? Oder das Tagebuch screenen? Was denkt denn der Verdächtige über das BKA oder den Minister? Es kann doch nie schaden, möglichst viel über seine bürgerlichen Untertanen (oder waren es untertänige Bürger?) zu wissen. Das wussten schon immer und praktizieren auch heute alle geheimen Staatspolizeien der Welt.

Bei einer Veranstaltung des Journalistenverbandes sagte ein Mitarbeiter des Hessischen Datenschutzbeauftragten vor kurzem, dass alle Bürger die Demokratie mit Zähnen und Klauen verteidigen müssten, wenn der Datenschutz und damit die Privatsphäre erhalten bleiben sollen. Schon mit den bisher vorhandenen und zulässigen technischen Mitteln sei der Staat in der Lage, alle Bewohner dieses (unseres?) Landes vollständig und umfassend zu durchleuchten. Big Brother watches already! Da fragt man sich, wozu brauchen Herr Schäuble und das BKA noch mehr?

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