03.02.2013

Sprache und Antigentechnik-Demagogie

Essay von Reinhard Szibor

Woher kommt die Angst vor der grünen Gentechnik? An der Technologie kann es nicht liegen. Diese ist unbedenklich. Den Gentechnikgegnern ist es durch Desinformation und bewusste Sprachirreführung gelungen, den öffentlichen Diskurs zu dominieren

Obwohl auf zehn Prozent der landwirtschaftlichen Fläche gentechnisch veränderte (gv) Pflanzen angebaut werden, ist bisher kein einziger seriös recherchierter Fall dokumentiert worden, in dem ein Mensch durch gentechnisch erzeugte Produkte oder den Konsum von Gv-Pflanzen Schaden genommen hätte. Trotzdem wird der Genuss solcher Lebensmittel in Mitteleuropa von einer großen Mehrheit der Bevölkerung vehement abgelehnt. An EHEC sind erst kürzlich in Deutschland 3.844 Menschen erkrankt, 53 Patienten sind gestorben und viele sind so schwer geschädigt, dass sie nur noch als Dialysepatienten überleben können oder auf eine Nierentransplantation warten. Ausgelöst wurde die Katastrophe durch Sprossen, die in einem sogenannten Bio-Betrieb produziert wurden [1]. Und auch bei der damals fieberhaften Ursachensuche wurden, gemessen an deren Marktanteil, EHEC-Erreger überdurchschnittlich häufig an sogenannten „Bio“-Gurken gefunden. Obwohl diese Früchte durch Glück keine Erkrankungen auslösten, waren sie doch sehr bedrohlich. Wie kann es sein, dass der „Bio“-Boom unvermindert anhält und „bio“ weiterhin als gesund und empfehlenswert gilt, auch wenn Ergebnisse in Bezug auf deren Inhaltsstoffe keine Gesundheitsvorteile im Vergleich zu konventionell hergestellten Lebensmitteln zeigen [2]? Wie kann man es erklären, dass Gv-Pflanzen, ja selbst Produkte von Tieren, die lediglich Gv-Soja oder Gv-Mais gefressen haben, in Deutschland und anderen EU-Ländern Ängste auslösen? Klar ist wohl, dass es hier nicht um rationale Abwägungen von Vorteilen und Risiken geht, sondern dass viele andere Dinge zusammen kommen. Grüne Gentechnik (GG) dient offenbar als Projektionsfläche für alle Ängste und allen Frust dieser Welt. Sie lässt sich gut für eine allgemeine Globalisierungs-, Kapitalismus- und USA-Kritik nutzen. Hinzu kommt, dass die Konferenz in Cartagena 2003 im Cartagena Protocol on Biosafety (CPB) die GG als Risikotechnologie eingestuft hat. Das steht wie in Stein gemeißelt. Als Demokrat kann man sich kaum dagegen wehren, wenn eine große Mehrheit etwas beschließt. Naturwissenschaftler waren allerdings kaum dabei, obwohl es hier um ein Thema ging, das naturwissenschaftlichen Sachverstand erfordert. Deshalb sehen diese das CPB auch als wertlos an. Aber das CPB ist mehr als nur wertlos. Es ist ein großes Unglück für die Menschheit, weil es der erfolgreiche Versuch eines Verbots der GG unter einem Decknamen ist [3].

„An die afrikanischen und fernöstlichen Hungergebiete, die dringend trockenresistente, schädlingsresistente und eiweiß- bzw. vitaminreichere Pflanzen brauchen, denken hier in Europa sowieso nur noch Außenseiter. Die gelten als ‚Gen-Lobby‘ und sind natürlich moralisch zu verurteilen.“

Natürlich kann man auch demokratisch darüber abstimmen, welchen Wert die Erdbeschleunigung haben soll oder wie lang die Umlaufzeit der Erde um die Sonne ist. Aber welchen Sinn sollte das haben? Naturwissenschaftliche Wahrheit ist etwas anderes. Man misst und stellt Fakten auf ganz undemokratische Weise fest und vertritt diese, notfalls auch gegen Mehrheiten. Letzteres hat die eidgenössische Fachkommission für biologische Sicherheit (FFBS) durch Auswertung einer großen Datenfülle getan und mitgeteilt, dass GG keine Risikotechnologie ist und sich eine Verlängerung des Gentechnik-Moratoriums in der Schweiz aus Gründen der Biosicherheit nicht rechtfertigen lässt. [4] Aber natürlich soll es nach Ansicht des Nationalrats trotzdem bis Ende 2017 verlängert werden – demokratisch! Analog erklären sich auch die Verbote des kommerziellen Anbaus von Gv-Pflanzen in Deutschland. Demokratie ist eben eine gute Sache und wer daran zweifelt, ist selbst dann ein Schuft, wenn die Demokratie auf einem Feld stattfindet, auf dem sie nichts zu suchen hat und naturwissenschaftliche Fakten auf den Kopf stellt. So ein quasi-demokratischer Akt war auch im 19. Jahrhundert die Erklärung, wie das Kindbettfieber zustande kommt. Der Frauenarzt Ignaz Semmelweis hatte keine Chance gegen die Mehrheit, als er erkannte und erklärte, dass die Frauen in den Krankenhäusern aufgrund mangelnder Hygiene an Kindbettfieber starben. Hier kostete die Beibehaltung der vorherigen Mehrheitsmeinung tausende Frauen und Säuglinge das Leben, weil unter den Ärzten galt, dass Händewaschen und Desinfektionsmaßnahmen vor der Geburtshilfe nicht nötig wären.
Die Geschichte unausrottbarer Fehleinschätzungen ist lang, nur sind die meisten nicht so folgenschwer. Die Legende vom außergewöhnlich eisenhaltigen Spinat kam 1890 in die Welt, als der Physiologe Gustav von Bunge den Eisengehalt von 100 Gramm Spinat mit 35 Milligramm korrekt bestimmt hatte. Untersuchungsgut war allerdings getrockneter Spinat, der zehnmal so viel Eisen enthält wie die gleiche Menge frischer Blätter. Die Mär vom Gemüse, mit dem sich Mangelerscheinungen kurieren lassen, ging um den Globus und ist noch immer nicht ganz aus der Welt. Sie beruht darauf, dass unzulässigerweise Spinat-Konzentrat mit Frischware anderen Gemüses verglichen wurde. Obwohl schon seit den 30er Jahren ständig über den Irrtum aufgeklärt wird, hat es noch fünf bis sechs Generationen gebraucht, bis kaum noch Eltern ihre Kinder zum Essen des ach so gesunden Spinats zwingen.

„Der Anti-Gentechnik-Kampf wird ganz wesentlich auf dem Gebiet der bewussten Sprachirreführung geführt und bisher auch gewonnen.“

Das Einmotten falsifizierter Gentechniklegenden dauert offenbar mindestens genauso lange, denn die Gentechnikgegner haben nicht nur die menschliche Denkträgheit, sondern auch noch anderes auf ihrer Seite. Sie wissen, dass Antipathie oder Sympathie für eine Sache nicht zuletzt durch die Sprache hervorgerufen werden können. Das Instrument Sprache wird schon lange auch von ganz demokratisch orientierten Interessengruppen eingesetzt. So haben zum Beispiel feministisch ausgerichtete Theologen eine „Bibel in gerechter Sprache“ vorgelegt, deren Ziel es ist, die vermeintliche Diskriminierung der Frau in der Bibel abzuschaffen. Sie berücksichtigt die Sonderwünsche der feministischen Theologie, der Befreiungstheologie, der historisch-kritischen Auslegung und des christlich-jüdischen Dialogs. Es ist hier nicht der Ort zu untersuchen, ob die „Bibel in gerechter Sprache“ ein „ungeheuer spannendes Projekt“ ist, wie Margot Käßmann [5] meint, oder ob die Meinung des Philologen und Literaturrezensenten Johan Schloemann [6] zutrifft, dass eine „gesinnungsterroristische Gerechtigkeitsbibel“ entstanden sei. Der Verweis auf die Bibelbearbeitung wurde nur gewählt, um zu zeigen, wie sehr die Strategie, die Sprachwandlung in den Dienst der Durchsetzung von Zielen zu stellen, heute von Interessengruppen jeglicher Art genutzt wird. Der Anti-Gentechnik-Kampf wird ganz wesentlich auf dem Gebiet der bewussten Sprachirreführung geführt und bisher auch gewonnen. Denn NGO-Campaigner haben genau gelernt, wie man mit Sprache in die Irre führt und das umkämpfte Sachgebiet mit den eigenen Begriffen dominiert. Möglicherweise wurde die Schrift von Victor Klemperer zur LTI (Lingua Tertii Imperii, die Sprache des Dritten Reichs [7], als Handlungsanleitung verwendet? Gedacht war sie allerdings vom Autor als Aufruf zur Wachsamkeit, Sprachterror rechtzeitig zu erkennen und zu bekämpfen. Dann hätte Klemperer sein Ziel nicht erreicht.

Naturwissenschaftler und Philosophen werden beim Nachdenken über die Struktur und Funktion von Genen oft von tiefer Ehrfurcht ergriffen. Demagogen der gentechnikkritischen Bewegung ist es gelungen, das Wort Gen, das ja die Basisstruktur allen Lebens bezeichnet, negativ zu besetzen, indem sie emotional nicht gewollte, aber in Wahrheit hochwertige landwirtschaftliche Produkte als „Genpflanzen“, „Gensaatgut“, „Genmilch“, „Genfleisch“, „Gen-Food“ usw. diffamieren und „genfreie“ Nahrung fordern. Wenn heute der überwiegende Teil der Bevölkerung solche Forderungen unterstützt, kann man das als den größten demagogischen Erfolg bezeichnen, der jemals nach dem 2. Weltkrieg erreicht wurde. Eine Interessengruppe hat auf der ganzen Linie gewonnen, zumindest auf absehbare Zeit, wenn es ihr gelingt, ihre Sichtweise in Begriffe zu kleiden, die Bestandteil der Umgangssprache werden und in das Vokabular von Medien wie Rundfunk und Fernsehen gelangen, die als objektiv gelten. Das trifft auf die im Folgenden genannten Beispiele zu. Greenpeace schaffte es pünktlich zu Ostern 2011 mit der Meldung „Ostereier sind gentechnisch verseucht“, in die Schlagzeilen zu kommen. Eine Seuche definiert Wikipedia in Übereinstimmung mit klassischen Lexika so: „Eine Seuche ist in der Epidemiologie des Menschen wie auch der Veterinärmedizin eine hochansteckende – evtl. zu Siechtum führende – Infektionskrankheit.“ Also müsste, um diese Meldung zu rechtfertigen, von diesen Eiern mindestens irgendeine Gefahr für den Konsumenten ausgehen. Gemeint waren Eier von Hühnern, die mit Gv-Soja gefüttert worden waren. Man kann Eier solcher Produktion mit keiner Methode der Welt von solchen unterscheiden, die aus Tierhaltungen mit anderer Fütterung stammen. Es gibt keine Messergebnisse, nach denen die beanstandeten Eier unerwünschte Inhaltsstoffe hätten und auch keine plausible Theorie, wieso Gesundheitsrisiken zu befürchten sein sollten. Trotzdem schaffte es die Meldung von den „gentechnisch verseuchten“ Eiern, oder auch kurz „Gen-Eiern“, in die Nachrichten wohl nahezu aller TV- und Hörfunknachrichten sowie Printmedien. Übrigens liegt der biologische Sinn von Eiern und Saatgut darin, Gene von einer Generation in die nächste zu transportieren und in diesem Sinne gibt es ausschließlich Geneier und Gensaatgut. Das Wort „Generation“ leitet sich davon ab. Die Gen-Verseuchungsunterstellung ist idiotisch und einigermaßen gebildeten Menschen fällt die gezielte Panikmache auf. Aber sie ist dennoch wirksam. Ähnlich, wenn auch etwas subtiler, ist es mit den Begriffen „Kontamination“ und „Verunreinigung“, die sich mit der erwähnten „Verseuchung“ abwechseln.

„Der Begriff ‚Genmanipulation‘ wurde in diffamierender Absicht geprägt und ist so subtil, dass es kaum jemand merkt.“

Von Begriffen wie „Genverunreinigung“ ist es dann auch nicht mehr weit bis zu „Gendreck“, und somit sind auch die Benutzer und Rezipienten solcher Diffamierungen anfällig für eine offene oder klammheimliche Unterstützung terroristischer Aktionen wie die Feldzerstörungen, die im Jargon der „Gendreck-weg-Bewegung“ „freiwillige Feldbefreiung“ genannt werden. Dabei ist der demagogische Inhalt von „Befreiung“ durchschaubar, der Zusatz „freiwillig“ erschließt sich überhaupt nicht und wird auch nirgends erklärt. Zwar ist es richtig, dass bisher kein Wissenschaftler oder innovativer Landwirt zur Teilnahme am Vandalismus gezwungen wurde, aber das Wort „freiwillig“ enthält in Wahrheit keine Information, sondern nur Demagogie, die zur Imageverbesserung gedacht ist. Vorbild für die „Feldbefreier“ sind wohl Aktionen, wie es sie in der Zeit unmittelbar nach dem Bau der Berliner Mauer gegeben hat. Damals wurde von den DDR-Bürgern verlangt, „freiwillig“ auf den Empfang westdeutscher oder Westberliner Fernsehsendungen zu verzichten. Wo das nicht fruchtete, „befreiten“ Aktivisten der kommunistischen Jugendorganisation FDJ die Dächer von Antennen, die erkennbar auf Westempfang gerichtet waren.

„Kontamination“ und „Verunreinigung“ wurden in jüngerer Zeit besonders häufig für Honig verwendet, der aus Kanada stammte und der Pollen aus Gv-Raps enthielt. Der Pollenanteil im Honig liegt bei etwa 0,1 bis höchsten 0,5 Prozent und solch ein Honig mit Pollen von Gv-Kulturen wird auf dem gesamten amerikanischen Kontinent gut vertragen. Selbst die Beamten in Deutschland, die diese wertvolle und nach wissenschaftlicher Logik einwandfreie Speise aus dem Verkehr ziehen und die Vernichtung anordnen, sagen, dass von dieser Ware keinerlei Gefahren ausgehen. Aber der irreführenden Bezeichnung „Kontamination“ bedienen sich alle.

Noch etwas subtiler und höchst erfolgreich ist die demagogische Verwendung des Begriffs „genmanipuliert“. Das Wort „Manipulation“, war ursprünglich ein Begriff, der vor allem eine Bearbeitung mit den Händen (lat. Manus = Hand) beschreibt und in diesem Bedeutungszusammenhang wertneutral war.  Würde man diese Vokabel wertneutral benutzen, müsste man sie auf alle Kulturpflanzen anwenden, denn im wertneutralen Sinne ist jede Pflanzenzucht eine Manipulation. Der Begriff wird aber normalerweise nicht wertneutral verwendet, sondern etwa im Zusammenhang mit gefälschten Zahlen bei Wahlergebnissen und Statistiken oder bei Sabotageakten an technischen Einrichtungen wie Bremsen usw. Unter Meinungsmanipulation verstehen wir eine unlautere Beeinflussung einer Bevölkerung dahingehend, dass sich diese fortan für die Ziele der Demagogen einspannen lässt und u. U. sogar gegen die eigenen Interessen handelt. Der Begriff „Genmanipulation“ wurde in diffamierender Absicht geprägt und ist so subtil, dass es kaum jemand merkt. Er ist in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen und dominiert die Presse. Ich habe mehrfach in Gesprächen nach Vorträgen erlebt, dass selbst Diskutanten, die entschieden für die Nutzung der Grünen Gentechnik Stellung bezogen haben, von „gentechnisch manipulierten“ Pflanzen sprachen. Die Desorientierungsstrategie der NGOs wirkt also bis in die Reihen der GG-Unterstützer.

„Meinungsbildungskonzerne, wie Greenpeace und ‚Friends of the Earth‘ vernebeln mit einer Umdeutung von ursprünglichen Wertbegriffen die öffentliche Wahrnehmung.“

In die Kategorie der schwerer erkennbaren Demagogie gehört auch der Begriff „Superunkräuter“. Eine weitverbreitete Anwendung der Gentechnik ist ja das Verfahren, eine Kulturpflanze wie z. B. Soja oder die Zuckerrübe via Gentransfer gegen das Totalherbizid Glyphosat resistent zu machen, um beim anschließenden Anbau Unkräuter ohne großen Arbeitsaufwand selektiv aus dem Feld eliminieren zu können. Obwohl dies jedoch nur ein Anwendungsgebiet der GG unter vielen anderen ist, steht für die Antigentechnikbewegung diese Anbauform im Mittelpunkt ihrer Angriffe. Es liegt in der Natur der Sache, dass vereinzelt auch Unkräuter spontan gegen das Herbizid resistent werden können und diese sich im Zuge eines Selektionsprozesses auf Feldern mit entsprechenden Gv-Kulturen ausbreiten können. Das ist ein Ärgernis für Farmer, die solche Kulturen anbauen, aber eben nur für sie. Gentechnikgegner belegen diese Unkräuter mit dem Begriff „Superunkräuter“ und suggerieren damit, dass solche Pflanzen nicht mehr zu bekämpfen wären und sich diese nun unkontrolliert überall ausbreiten und selbst den sogenannten „Biologischen Landbau“, die Naturschutzgebiete und überhaupt die ganze Welt bedrohen. Dabei gefährden diese sogenannten Superunkräuter nur die Wirtschaftlichkeit des Anbaus glyphosatresistenter Kulturen und treten auf allen anderen Flächen als ganz normale Unkräuter auf, die, wie gewohnt, mit konventionellen Methoden zu bekämpfen sind.

Die Demagogie ist auch dort besonders erfolgreich, wo Menschen mit sprachlichen Mitteln in Gut und Böse eingeteilt werden. Menschen, die sich gegen Gentechnik einsetzen, bezeichnen sich selbst als „Umweltschützer“ und wenn sie damit ihr Geld verdienen, gelten sie als „Gentechnik-Experten“. Wenn sie in krimineller Weise Felder zerstören, sind sie „Umweltaktivisten“. Das wird von nahezu allen Medien nicht hinterfragt und so übernommen. Welche Entwicklungen sie verhindern und welche Mittel sie einsetzen, spielt keine Rolle. Aktivisten, die die cisgene BASF-Kartoffel „Fortuna“ verhindern wollen, sind per definitionem Umweltschützer, auch wenn die „Fortuna“ dazu führen würde, dass die wirklich bodenvergiftende Ausbringung von Kupferspritzmitteln in der sogenannten Biolandwirtschaft gestoppt würde. Ja, selbst dann wenn Kriminelle Diesel oder Heizöl auf ein Versuchsfeld versprühen, um einen Freisetzungsversuch zu sabotieren und somit eine landwirtschaftliche Fläche dauerhaft ruinieren und das Grundwasser vergiften, bleiben die Akteure immer noch „Umweltschützer“. Die Politiker der meisten Parteien schweigen oder beziehen Position für die Straftäter, denn wer kann es sich schon leisten, seinem eigenen Ruf dadurch zu schaden, dass er sich gegen „Umweltschützer“ positioniert, insbesondere dann, wenn diese auch noch „Experten“ sind? Was sind eigentlich Experten? Nach landläufiger Meinung wohl Menschen, die langjährig auf einem Gebiet arbeiten und sich einen großen Kenntnisschatz zu einem Wissensgebiet angeeignet haben. Sie besitzen sowohl einen großen Überblick über das Gesamtgebiet ihres Faches und haben auf ihrem persönlichen Spezialgebiet beachtliche wissenschaftliche Ergebnisse erbracht. Auf dem Gebiet der Gentechnik wären hier als eine kleine Auswahl die Namen der Nobelpreisträger Paul Arber, Ingo Potrykus, Inge Broer und Hans Jörg Jacobsen zu nennen. Das aber sind in der Sprache der Gentechnikgegner immer „Gen-Lobbyisten“, niemals Experten.

Den Begriff „Experte“ definieren und verleihen sich die Gentechnikgegner selbst: Wörtliches Zitat aus dem Lebenslauf von Jan van Aken: „Nach Abschluss des Studiums begann van Aken seine Tätigkeit als Experte für Gentechnik bei der Umweltschutzorganisation Greenpeace International, die er bis 2009 ausübte.“ [8] Aber van Aken ist noch eine Positivvariante. Er hat immerhin ein abgeschlossenes Biologiestudium hinter sich. Für andere war zur Erreichung des Gentechnik-Expertenstatus überhaupt keine naturwissenschaftliche Ausbildung nötig. Stephanie Töwe-Rimkeit [9] von Greenpeace qualifiziert schon ein Abschluss an der Filmschule und eine „Leidenschaft für schwülstige Gedichte“ zur Führung der Bezeichnung „Gentechnik-Expertin“.

Meinungsbildungskonzerne wie Greenpeace und „Friends of the Earth“ vernebeln mit einer derartigen Umdeutung von Wertbegriffen die öffentliche Wahrnehmung. Der Skandal ist aber, dass die Presse jeglicher Couleur Vokabeln wie „Verseuchung“, „Gen-Kontamination“, „Experten“, „Umweltschützer“, „Superunkräuter“ und „Gen-Food“ nicht hinterfragt und einfach übernimmt. Journalistisch beliebt sind v. a. Begriffe, die im Kopf der Rezipienten negative Assoziationen und Bilder erzeugen, wie das Wort „Frankenstein-Food“. Bilder spielen im Kampf gegen Technologien ohnehin eine wichtige Rolle, besonders wenn sie in der Lage sind, Angst zu schüren. Im Kampf gegen Gentechnik ist eine naturwissenschaftliche Ausbildung, wie oben erwähnt, nicht erforderlich, aber eine Schulung, wie man den Kampf asymmetrisch ausrichtet, scheint unverzichtbar zu sein. Asymmetrischer Kampf ist bekannt aus der Terroristenszene. Terroristen müssen sich an keine ethischen Grundsätze einer demokratischen Gesellschaft halten, können Bomben dann und dahin legen, wo sie am wirksamsten sind. Die Gegenseite ist bei deren Bekämpfung an Gesetze und ethische Kodizes gebunden und damit stark eingeschränkt. Sie darf im Zusammenhang mit Terrorismusbekämpfung Bürgerechte nicht beschneiden und ist zur Offenlegung sämtlicher Maßnahmen verpflichtet. Wenn auf Seiten der Gentechnikgegner ein Propagandist, der noch dazu einen Professorentitel trägt und sich mit der Aura des Wissenschaftlichen umgeben kann, Bilder von Ratten mit großen Tumoren publiziert [10] und wahrheitswidrig behauptet, diese seien durch Fütterung mit „Gen-Mais“ verursacht, geht das durch die Presse und verängstigt die Menschen. Wissenschaftler, die zeigen wollen, dass die Meldung auf einem wissenschaftlich unzulässigen Versuchsdesign und Statistikfehlern beruht und es in Wahrheit keinen Hinweis auf einen Zusammenhang zwischen dem Gv-Mais und den Tumoren gibt, haben keine Chance. Sie müssten ja erklären, wie ein ordentliches Versuchsdesign aussieht. Auch mit der Vermittlung von Grundwissen im Fach Statistik werden sie kein Gehör finden. Es ist aussichtslos. Wissenschaftler sind nach ihrem Kodex verpflichtet, ihre Behauptungen zu beweisen. Aber es kann mehrere Jahre dauern, um eine Falschbehauptung, die in wenigen Stunden aufgestellt wird, mit einer wissenschaftlichen Untersuchung zu widerlegen. Und wenn der Gegenbeweis tatsächlich erbracht ist, findet er keine Beachtung.

„Der gesamte Komplex der Desinformation zeigt Wirkung. In Deutschland und Europa wagt es kaum eine Regierung oder Partei, sich zur Entwicklung und Nutzung der GG zu bekennen und in fast allen EU-Ländern gibt es mehr oder weniger eindeutige Verbote.“

Als im Jahre 2008 eine Wiener Arbeitsgruppe die Nachricht herausgab, Gv-Mais hätte die Fortpflanzungsfähigkeit von Versuchstieren eingeschränkt, war Greenpeace mit einer Angstkampagne sofort zur Stelle: „Man stelle sich vor, dass Paare ihren Kinderwunsch begraben müssen, weil sie durch den Verzehr gentechnisch veränderter Lebensmittel unfruchtbar wurden“, warnte Marianne Künzle, selbsternannte „Gentechnik-Expertin“ von Greenpeace. „Zudem stellt sich die Frage, ob der Hersteller der Maissorte, der Gentech-Konzern Monsanto, von der Gefahr wusste und wie es in der EU bereits zu einer Zulassung kommen konnte“, so Künzle. In diesem Falle wurde die Unhaltbarkeit der Studie allerdings sofort durch andere Wissenschaftler aufgedeckt, weil die Protokolle zugänglich waren und schon ein einfaches Nachrechnen mit dem Taschenrechner genügte. Die Autoren zogen die Studie zurück, aber wer meinte, auch Greenpeace müsste seine Aussage revidieren, wartete vergebens. Es gibt zwar einen Greenpeace-Verhaltenskodex, worin das Versprechen „Greenpeace richtet sich nach dem deutschen Pressekodex“ formuliert ist. Der ist aber Makulatur, denn danach wäre der Widerruf einer Falschaussage Pflicht. Das erfolgt niemals.

Der gesamte Komplex der Desinformation zeigt Wirkung. In Deutschland und Europa wagt es kaum eine Regierung oder Partei, sich zur Entwicklung und Nutzung der GG zu bekennen, und in fast allen EU-Ländern gibt es mehr oder weniger eindeutige Verbote. Währenddessen steigt in den Ländern, in denen Bauern Wahlfreiheit haben, die Anbaurate um ca. 8 Prozent jährlich, und dies, obwohl die meisten der eigentlich bahnbrechenden Entwicklungen erst in den nächsten Jahren Marktreife bzw. Anbauzulassungen erhalten werden. In Europa und besonders in Deutschland findet ein Paradigmenwechsel statt. Hieß es noch vor Kurzem in den Wahlprogrammen aller Parteien in unterschiedlichen Nuancierungen, dass die Förderung von Forschung und Entwicklung die Voraussetzung für eine erfolgreiche Wirtschaftsentwicklung, Wohlstand und die Bewahrung der Umwelt sei, gilt heute, dass Forschung auf den Gebieten mit den höchsten Innovationspotentialen nicht gewollt ist, und dass diese sich auch nicht lohne, weil die Ergebnisse ohnehin nicht umgesetzt werden sollen oder dürfen. Im Januar 2013 galt in Niedersachsen das Vorhaben linker Parteien, das Ausbildungsprogramm „HannoverGen“ zu zerschlagen, als Wahlkampftrumpf. Die Initiative „HannoverGen“ bietet unter Leitung der Hochschule Hannover Gymnasiasten die Möglichkeit, in speziellen Schülerlabors experimentelles Arbeiten im Fach Genetik zu erlernen und sich somit naturwissenschaftlich zu bilden. Bei der Distanzierung von solchen Programmen durch die Mehrheit der Parteien haben wir es mit einer gezielten Zerstörung des bisherigen Wertesystems zu tun, in dem der allseitig gebildete Mensch das erklärte Ziel aller Bildungseinrichtungen war. Die folgerichtige Abwanderung von Wissenschaftlern und Forschungsabteilungen aus Deutschland ist heute nicht mehr nur eine Befürchtung, sondern traurige Realität.

Natürlich fragt man sich, wie lange das wohl noch so weitergeht. Die Erfahrung zeigt, dass solche Entwicklungen ihr Ende finden, wenn die Schäden für jedermann erkennbar zu besichtigen sind. Dann kommt auch die Umkehr der Demagogen, die dann plötzlich sogar Sündenböcke für die von ihnen zu verantwortenden Fehlentwicklungen finden und auch früher liebgewonnene Begriffe meiden. Nachdem eines der größten menschengemachten Artensterben durch die Vermaisung unserer landwirtschaftlichen Flächen und das Abbrennen von Brasiliens Urwäldern zum Zwecke des Zuckerrohranbau stattfand, verwenden die Grünen Begriffe wie „Biosprit“ und „Biokraftstoffe“ nicht mehr, sondern höchstens, um sich von deren Förderung, die sie selbst eingeleitet haben, loszusagen. Während mit Jürgen Trittins Energieeinspeisungsgesetz das größte Artenausrottungsprogramm in Gang gesetzt wurde und Bärbel Höhn noch 2007 die Zukunftsparole „Bioenergien sind Bio“ [11] herausgab, sehen sich neuerdings alle Grünen in Übereinstimmung mit Winfried Kretschmann, der jetzt richtigerweise formuliert: „Der sogenannte Biosprit ist keineswegs öko“. In grünen Wahlprogrammen wird das Wort Biosprit gemieden, es findet Eingang höchstens im Zusammenhang mit Absetzungsbewegungen und Schuldzuweisungen für andere. Bärbel Höhn ist keineswegs geläutert, sondern hat nur die Arbeit mit Bildern verfeinert, um die Menschheit mit ihrer neu designten Traumwelt einzulullen: „Die Zukunft der Bioenergie heißt Blumenwiesen statt Mais“, sagt sie nun [12]. Auch der gute alte Kampfbegriff „Jobkiller“ [13], mit dem die Grünen und ihre assoziierten NGOs einst vorübergehend Teile der Mikroelektronikproduktion und moderne Arbeitsplätze aus Deutschland vertrieben hatten, kommt keinem Grünen mehr über die Lippen. Man hat eben viel gelernt, vor allem dann, wenn es darum geht, mit Bildern zu arbeiten und Sprache gezielt zur Demagogie einzusetzen. Ansonsten vollziehen sich die Lernprozesse langsam. Der Agrogentechnik wird man sich wohl erst dann aufgeschlossen zuwenden, wenn sie die Welt-Agrarfläche vielleicht bis zu 20 Prozent beherrscht, nicht wie jetzt zu 10 Prozent. Vielleicht wird man dann, so wie man jetzt den Gebrauch ineffizienter Glühbirnen verbietet, auch jegliche Formen ineffektiver Landwirtschaft untersagen wollen, um den tropischen Regenwald, der ja auch uns nützt, vor Abholzung zu retten. An die afrikanischen und fernöstlichen Hungergebiete, die dringend trockenresistente, schädlingsresistente und eiweiß- bzw. vitaminreichere Pflanzen brauchen, denken hier in Europa sowieso nur noch Außenseiter. Die gelten als „Gen-Lobby“ und sind natürlich moralisch zu verurteilen.

jetzt nicht

Novo ist kostenlos. Unsere Arbeit kostet jedoch nicht nur Zeit, sondern auch Geld. Unterstützen Sie uns jetzt dauerhaft als Förderer oder mit einer Spende!