22.08.2013
„Qualifikation statt Quote“
Interview mit Günter Buchholz
Warum Gleichstellung im Widerspruch zum Grundgesetz steht und Männer durch Aushebelung des Leistungsprinzips diskriminiert
NovoArgumente: Herr Professor Buchholz, sie sind Initiator der „Frankfurter Erklärung zur Gleichstellungspolitik“. Können Sie unseren Lesern erklären, worum es bei dieser Initiative geht?
Günter Buchholz: Die Gleichstellungspolitik ist nicht die Verwirklichung der Gleichberechtigung im Sinne des Artikel 3 des Grundgesetzes, sondern sie ist eine meines Erachtens verfassungswidrige Politik der Diskriminierung von Männern durch Privilegierung von Frauen. Sie ist deshalb tatsächlich das genaue Gegenteil von dem, was sie zu sein vorgibt. Die Öffentlichkeit wird darüber getäuscht, weil es um materielle Interessen geht, die von einer starken, parteiübergreifend organisierten Lobby-Gruppe durchgesetzt werden.
Ich verstehe die „Frankfurter Erklärung zur Gleichstellungspolitik“ als einen Beitrag zur Aufklärung über eine meines Erachtens schwerwiegende und verfassungswidrige gesellschaftliche Fehlentwicklung.
Die veröffentlichte Meinung hat diese Fehlentwicklung aus Unkenntnis oder aus ideologischer Fixierung oder durch feministische Einflussnahme bisher verstärkt und nicht oder nur marginal dazu beigetragen, dass sich ein Problembewusstsein und eine öffentliche Diskussion entwickeln können. Das ist es, was die Medien ändern sollten; sie können das.
Der Erklärung ist Artikel 3 des Grundgesetzes vorangestellt, der die Gleichberechtigung von Frau und Mann garantiert. Inwiefern verletzt die aktuelle Gleichstellungspolitik diesen Grundsatz?
Der Begriff der Gleichberechtigung wurde bereits 1949 ins Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland geschrieben. Er gehört zum unveränderlichen Kernbestand der Grundrechtsnormen. Art 3 GG lautet:
„(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“
Der Begriff der Gleichstellung taucht hier gar nicht auf, und er ist somit kein verfassungsrechtlicher Begriff. Wäre er aufgetaucht, dann wäre zu klären gewesen, welche abweichende Bedeutung er gegenüber dem Verfassungsbegriff der Gleichberechtigung gehabt hätte.
Das logische Dilemma dabei wäre folgendes gewesen: Gäbe es keinen begrifflichen Bedeutungsunterschied, dann wäre der Begriff der Gleichstellung redundant und überflüssig. Gäbe es aber einen solchen Bedeutungsunterschied doch, dann wäre der Begriff der Gleichstellung unzulässig, weil er im Widerspruch zum Begriff der Gleichberechtigung stünde, der für den Artikel 3 maßgeblich ist. Darin ist meines Erachtens der Grund dafür zu sehen, weshalb die Änderung des Artikel 3 von 1994 absichtsvoll so erfolgte, dass ein offener Verfassungsbruch – allerdings nur scheinbar! – vermieden wurde.
Art. 3 (2) Satz 2 wurde erst 1994 eingefügt. Er enthält zwei Gebote, nämlich
(a), „die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern“ zu fördern, und (b), „auf die Beseitigung bestehender Nachteile“ hinzuwirken.
Die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung zu fördern setzt voraus, dass es reale Sachverhalte gibt, die durch ungleiche Berechtigungen gekennzeichnet sind, zum Beispiel beim Zugang zu einem öffentlichen Amt oder Beruf. Diese ungleichen Zugangsberechtigungen wären gemäß Art 3 (2) Satz 2 durch staatliche Initiativen und Aktivitäten zu beseitigen.
Dieser Fall trifft meines Wissens heute nur im Hinblick auf das ausschließlich Männern vorbehaltene katholische Priesteramt und die fast durchwegs weiblichen Gleichstellungsbeauftragten, dem feministischen Äquivalent des Priesteramtes, und vielleicht auch auf den Beruf der Hebammen zu; bekanntlich ist jedoch für das Priesteramt nicht der Staat, sondern der Vatikan zuständig.
Im Teil (b), wonach der Staat „auf die Beseitigung bestehender Nachteile“ hinwirken müsse, „wird also normativ (!) ausgedrückt, dass empirisch (!) generelle Nachteile bestehen, ohne dass gesagt würde, welche das denn seien. Es ist jedoch logisch falsch, normativ etwas über empirische Gegebenheiten auszusagen. So etwas ist prinzipiell unmöglich, und es ist schlicht unsinnig. Außerdem ist es meines Erachtens auch nicht zulässig, Ermächtigungen an völlig unklare Sachverhalte zu knüpfen, also eine carte blanche Ermächtigung zu erteilen, denn weder ist bekannt, was ein ‚Nachteil‘ ist oder zumindest als ein solcher angesehen wird, noch, wer diese Nachteile feststellt, und auf welche Art und Weise das geschieht.“ [1]
„Auf gesetzlicher Ebene sind alle Normen, die statt einer Verwirklichung einer Gleichberechtigung im Hinblick auf gleiche Berechtigungen und Zugänge eine Gleichstellung im Ergebnis anstreben, nicht in Übereinstimmung mit dem Grundgesetz.“
Auf diese Frage gibt die gesellschaftliche Praxis die Antwort: Gleichstellungsmaßnahmen werden regelmäßig mit dem angeblich ausreichenden Hinweis auf die Unterrepräsentanz von Frauen gerechtfertigt. Die Unterrepräsentanz wird dabei wie selbstverständlich als eine Folge der Diskriminierung von Frauen angesehen, was allerdings empirisch, nämlich durch eine Studie von Fabian Ochsenfeld, widerlegt wurde. [2] Interessant ist hier auch die Darstellung von Michael Klein: „Ende einer Genderphantasie: die gläserne Decke in Scherben“. [3] Nicht nur, dass die obige These empirisch widerlegt ist, es gibt aus theoretischer Sicht sehr wohl andere Erklärungsansätze für die Unterrepräsentanz von Frauen in (lukrativen) beruflichen Funktionen, worauf beispielsweise die Forschungen von Catherine Hakim hinweisen. [4]
Sollte auf der logischen Ebene „jedoch gemeint sein, der Staat solle, falls und soweit empirisch konkret nachgewiesen, inhaltlich genau bestimmte und somit als solche überprüfbare Nachteile beseitigen, dann wäre das wenigstens logisch korrekt. Aber das steht so nicht im GG. Die Staatszielformulierung zur Gleichstellung ist daher m. E. selbstwidersprüchlich, falsch und unwirksam.“ [5]
Entgegen dieser Sichtweise ist auf der Ebene der einfachen Gesetzgebung eine Reihe von Gesetzen verabschiedet worden, vor allem das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), und daneben noch mehrere ähnliche Spezialgesetze, die explizit auf Gleichstellung abzielen und deren verfassungsrechtliche Legalität angeblich durch Art. 3 (2) Satz 2 gewährleistet sein soll. Ein Beispiel hierfür ist das Niedersächsische Landeshochschulgesetz (NHG) von 2002, auf das ich in dem Artikel „Autoritative Hochschul- und Gleichstellungspolitik“ eingegangen bin. [6]
Wenn aber die Verfassungsnorm eine Gleichstellungspolitik weder deckt noch decken kann, weil sie bei nicht rechtsbeugender Auslegung strikt an Gleichberechtigung orientiert ist und bleibt, dann sind auf der Ebene einfacher Gesetze alle Normen, die statt einer Verwirklichung einer Gleichberechtigung im Hinblick auf gleiche Berechtigungen und Zugänge (Verwirklichung der formalen Nicht-Exklusivität) eine Gleichstellung im Ergebnis (Verwirklichung eines politisch gewünschten und durchgesetzten Geschlechterproporzes im Hinblick auf attraktive Stellen und Positionen) anstreben, nicht in Übereinstimmung mit dem Grundgesetz. Das ist leicht daran zu erkennen, dass Gleichstellungspolitik immer Bevorzugung von Frauen durch Benachteiligung und Diskriminierung von Männern bedeutet. Und das steht offensichtlich im Widerspruch zum Text und Geist von Art 3 GG – und ebenso des Art 33 GG. [7]
Ihre Forderung lautet: Qualifikation statt Quote. Damit wollen Sie erreichen, dass das am besten qualifizierte Individuum die Anstellung erhält. Wie wollen sie das bewerkstelligen? Ist dies nicht ein wenig realitätsfremd? Spielen bei der Vergabe von Arbeitsstellen nicht immer auch leistungsfremde Kriterien eine Rolle? Quotenbefürworter würden argumentieren, dass männliche Chefs – die ja immer noch deutlich in der Mehrheit sind – eben einfach lieber Männer in Führungsetagen sehen wollen und Frauen daher strukturell diskriminiert sind. Was entgegnen Sie diesem Argument?
Das Prinzip der Bestenauslese ist gesellschaftlich ebenso wünschenswert und sinnvoll wie das Prinzip der Vermeidung von Korruption. Kann und soll man aber, nur weil Korruption faktisch stattfindet, schon das Prinzip aufgeben, und somit, nur weil man nicht realitätsfremd sein möchte, zu allgemeiner Korruption übergehen? Nein. Dasselbe gilt – entgegen feministischer Empfehlungen – für die Bestenauslese (und damit zugleich für das Leistungsprinzip). Wenn gegen dieses Prinzip verstoßen wird, kann dadurch nicht der Übergang zu irgendwelchen Willkür- oder Proporzentscheidungen gerechtfertigt werden. Aber genau das sind die Frauenquoten der Gleichstellungspolitik.
Ich zitiere hier eine Passage der Frankfurter Erklärung, die ich Dr. Alexander Ulfig verdanke: „Eine Alternative zur Gleichstellungspolitik wäre eine konsequente Politik der Qualifikation. Arbeitsstellen sollten nach individuellen Qualifikationen der Bewerber und nicht nach deren Gruppenzugehörigkeit vergeben werden. Das würde die gerechteste Praxis der Stellenvergabe gewährleisten und mit dem Grundgesetz kompatibel sein. Eine Arbeitsstelle sollte diejenige Person erhalten, die dafür am besten qualifiziert ist, und zwar unabhängig von ihrer Gruppenzugehörigkeit: Qualifikation statt Quote!“ [8]
„Durch proporzorientierte Personalauswahl kommen nicht wenige unterqualifizierte Personen in Ämter, denen sie nicht gewachsen sind und an denen sie dann scheitern, oder in denen sie fortlaufend Schlechtleistungen erbringen.“
Das Proporzprinzip ist im politischen Bereich, insbesondere in den politischen Parteien, weit verbreitet, weil es dazu dient, politische Ansprüche durch personalpolitische Zugeständnisse und Kompromisse abzudecken. Aber das hat mit dem gesellschaftlich sinnvollen Leistungsprinzip wenig oder nichts zu tun. Es spricht meines Erachtens viel dafür, dass der insgesamt beklagenswerte geistige Zustand der Parteien, der sogenannten politischen Klasse und des Niveaus der operativen Politik im Allgemeinen mit diesem schlechten Prinzip der proporzorientierten Personalauswahl etwas zu tun hat. Denn es kommen unter anderem dadurch vermutlich nicht wenige unterqualifizierte Personen in Ämter, denen sie nicht gewachsen sind und an denen sie dann scheitern, oder in denen sie fortlaufend Schlechtleistungen erbringen.
Unternehmen sind in unserer Gesellschaft Organisationen zur Erwirtschaftung von Gewinnen. Das Profitmotiv sorgt in der Tendenz recht zuverlässig dafür, dass genau diejenigen Personen gesucht, eingestellt und befördert werden, von denen erwartet wird, dass durch sie die Gewinnziele erreicht werden. Das schließt zwar Fehler nicht aus, aber diese können korrigiert werden. Die Quotenforderungen werden allerdings offensichtlich entgegen dieser betriebswirtschaftlichen Logik vorgetragen, und zugleich wird behauptet, das sei gut für die Unternehmen, die nur nicht selbst in der Lage wären, das für sich zu erkennen. Man redet eben, wie es jeweils gerade ins propagandistische Konzept zu passen scheint.
Inwiefern schadet die Gleichstellungspolitik Ihrer Meinung nach der Wirtschaft, den Männern und letztlich sogar den Frauen?
Die Frage ist grundsätzlich falsch gestellt. Weder gibt es – ohne Differenzierungen – „die Wirtschaft“, zum Beispiel sind die Großunternehmen wirtschaftlich fast eine andere Welt als die Klein- und Mittelunternehmen (KMU), noch und erst recht nicht gibt es „die Männer“ und „die Frauen“ als homogene Gruppen, die sich als die beiden feindlichen Lager im „Geschlechterkampf“, der Farce des sozialen „Klassenkampfs“, gegenüberstehen. Diese schlechte Phantasie ist nichts als ein Ausdruck der „feministischen Dichotomie“ [9] und somit einer falschen Sichtweise auf die tatsächliche gesellschaftliche Strukturierung, nämlich die in soziale Klassen und Schichten. [10]
Die Gleichstellungspolitik schadet der Wirtschaft insgesamt, weil politisch in unternehmerische Auswahl- und Entscheidungsprozesse eingegriffen wird. Das kann sich in der Tendenz nur zum Nachteil der Unternehmen auswirken. Diese politischen Forderungen verfügen über keinerlei normative Basis, das heißt, es kann inhaltlich nicht begründet werden, weshalb eine Quote überhaupt geboten sein soll. Das zeigt sich auch daran, dass bei der Höhe der rein machtpolitisch durchgesetzten Frauenquote offene Willkür herrscht. Und Willkür ist immer ein Zeichen von Ungerechtigkeit. Die „Argumente“, die in diesem Zusammenhang vorgebracht werden, oft in Verbindung mit dem Begriff der Diversität [11], haben erstens offensichtlich einen reinen ad hoc-Charakter und zweitens können sie wissenschaftlich weder begründet noch empirisch belegt werden. Es handelt sich schlicht um Zweckpropaganda, die feministischen Karriereinteressen dient.
„Die Gleichstellungspolitik schadet vor allem den Männern, weil sie trotz intensiven beruflichen Engagements bei Beförderungen nicht nach dem Merkmal der Leistung, sondern nach dem Merkmal des Geschlechts übergangen und damit dauerhaft demotiviert werden.“
Die Gleichstellungspolitik schadet unmittelbar vor allem den Männern, weil sie trotz intensiven beruflichen Engagements bei Beförderungen nicht nach dem Merkmal der Leistung, sondern nach dem Merkmal des Geschlechts übergangen und damit dauerhaft demotiviert werden. Denken Sie etwa daran, wie die Frauenprivilegierung im Fall Daimler Widerstand verursacht hat. Erstaunlich ist daran nur, dass noch nicht viel mehr Fälle dieser Art bekannt geworden sind. Dabei wird die verfassungswidrige Diskriminierung von Männern seitens einer feministisch dominierten Politik nicht etwa nur billigend hingenommen, sondern die Diskriminierung wird vorsätzlich betrieben, während sie gleichzeitig verleugnet wird.
Die Gleichstellungspolitik diskriminiert ferner diejenigen Frauen, die ihre Positionen allein durch ihre eigene Qualifikation und Leistung erreicht haben, und die jetzt erleben müssen, dass andere Frauen durch Gleichstellungspolitik ohne Ansehen ihrer Leistung beruflich aufsteigen können und an ihnen vorbeiziehen. Gerade die Frauen, die sich unter dem Leistungsprinzip bewährt haben, sehen nun neben und über sich Frauen, die nur durch eine Frauenproporzpolitik ihre Stellung erreicht haben. Sie sehen sich von Leistungsfrauen zu Quotenfrauen abgewertet [12], was nur letzteren gleichgültig sein kann.
Sie schreiben, die heutige Gleichstellungspolitik diene letztlich nur dem Vorteil einer winzigen Minderheit von Frauen. Warum verfolgt die politische Elite dann mehr oder weniger parteiübergreifend so zielstrebig die Umsetzung dieses Konzepts und wieso sind Quoten in der Bevölkerung so populär?
Die sogenannte politische Klasse verfolgt die Umsetzung der Gleichstellungspolitik meines Erachtens aus mehreren Gründen. Erstens muss man berücksichtigen, wie stark sich diese Schicht politischer Funktionsträger vom Souverän separiert hat. [13]
Zweitens gibt es die wenig bekannte, praktisch mehr oder weniger geheime aber sehr wirkungsvolle Strategie des „feministischen Entrismus“. Diese sehr erfolgreiche und anscheinend gut koordinierte Unterwanderung hat dazu geführt, dass sich von der Linken über die Grünen, die SPD (Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen) [14] bis zur Union (Frauenunion) parteiübergreifend und unter Einschluss von Gewerkschaften, Kirchen, Parteistiftungen (z. B. Friedrich-Ebert-Stiftung, Gunda-Werner-Institut der Heinrich-Böll-Stiftung der Grünen) und Nicht-Regierungsorganisationen sowie mehreren besonderen Frauenlobby-Vereinen (wie z. B. ProQuote) ein teilweise aus Steuermitteln finanziertes feministisches Netzwerk gebildet hat. Dieses arbeitet und sorgt dafür, dass die Privilegierungsinteressen der Frauen in Gesetze überführt werden. Im Bundestag ist diese entristische Strategie nur im Falle der FDP misslungen, weshalb diese eben deshalb fortlaufend angegriffen wird.
„Jedem Mann und jeder Frau stehen grundsätzlich jegliche Bildungs-, Berufs- und Entwicklungsmöglichkeiten offen. Diese Freiheit in solcher oder anderer Weise zu nutzen, ist jedem Mann und jeder Frau selbst überlassen.“
Drittens spielen Effekte der feministischen Sprachpolitik eine zentrale Rolle. Es wird suggeriert, dass Gleichstellung die Verwirklichung von Gleichberechtigung bedeute. Tatsächlich ist Gleichstellung jedoch das genaue Gegenteil von Gleichberechtigung:
Männer und Frauen sind in unserem Land nicht gleichgestellt, sondern gleichberechtigt, und dies tatsächlich. Jedem Mann und jeder Frau stehen grundsätzlich jegliche Bildungs-, Berufs- und Entwicklungsmöglichkeiten offen. Diese Freiheit in solcher oder anderer Weise zu nutzen, ist jedem Mann und jeder Frau selbst überlassen.
Gleichstellungspolitik ignoriert diesen Umstand und hat eine weitgehende Gleichverteilung der Geschlechter in attraktiven und privilegierten Positionen zum Ziel. Gleichstellungspolitik ist damit unweigerlich eine privilegierende Quotenpolitik. Wer für Gleichberechtigung einsteht, muss sich gegen privilegierende Quoten aussprechen. Und wer sich gegen privilegierende Quoten stellt, muss auch gegen Gleichstellungspolitik Position beziehen.“ [15]
Wer der oben erläuterten Täuschung erliegt, und das sind nicht wenige Menschen, der wird, ohne es selbst zu bemerken, guten Glaubens der feministischen Interessenpolitik auf den Leim gehen. Trotz aller Propaganda ist jedoch die Mehrheit der Bevölkerung nicht auf diese Falschbehauptungen hereingefallen, wie die beiden im Folgenden zitierten Umfragen zeigen:
„Nach einer FOCUS-Umfrage lehnt die Mehrheit der Deutschen eine gesetzliche Frauenquote ab. 52 Prozent sagen Nein, gegenüber 44 Prozent, die eine Einführung befürworten würden. Selbst unter den Frauen überwiegen mit 50 Prozent die Gegnerinnen, gegenüber 47 Prozent weiblichen Deutschen, die für eine Quote sind.“ [16]
In einer repräsentativen N24/Emnid-Umfrage ergab sich, dass es bei den Wählerinnen und Wählern keine Mehrheit für eine starre gesetzliche Quote gibt. Demnach fordern nur 24 Prozent der Befragten eine gesetzlich vorgeschriebene Frauenquote, 45 Prozent hingegen favorisieren eine von den Unternehmen festgelegte flexible Quote. Immerhin 29 Prozent der Deutschen sind sogar generell gegen eine Quotierung.
Bei den Frauen ist die Zustimmung zu einer gesetzlich festgelegten Quote etwas größer als bei den Männern: 28 Prozent der Frauen sind für eine gesetzliche Quote, aber nur 19 Prozent der Männer. Die flexible Quote ist bei Frauen (46 Prozent) und Männern (44 Prozent) gleichermaßen der Favorit. Allerdings lehnen mehr Männer ganz generell eine Frauenquote ab: 35 Prozent der Männer sind gegen eine Quotierung, aber nur 24 Prozent der Frauen. [17]
Sie bezeichnen sich selbst als Linken. Nun gelten für Viele Gleichstellungs- undQuotenpolitik als typisch „linke“ Positionen. Ist das nicht eigentlich ein Widerspruch?
Die Gleichstellungspolitik nimmt die Diskriminierung von Männern nicht nur billigend in Kauf, sondern strebt diese sogar bewusst an. Das ist ein Verdrängungswettbewerb, der aber mit nicht-wettbewerblichen Mitteln ausgetragen wird. Unabhängig davon, was sich die Parteimitglieder der Linken, der Grünen oder der SPD subjektiv einbilden mögen, handelt es sich hier objektiv nicht um eine linke Politik, weil eine linke Politik, die ihrem Anspruch an sich selbst gerecht wird, Emanzipation und Nicht-Diskriminierung anstrebt, und zwar für alle Menschen. Jegliche Männerdiskriminierung ist damit unvereinbar. Linke Politik ist aber eine Politik der Beseitigung von Diskriminierung und gerade nicht eine Politik der Privilegierung, die außerdem zugleich eine Politik der Diskriminierung ist.
„Linke Politik ist eine Politik der Beseitigung von Diskriminierung und gerade nicht eine Politik der Privilegierung, die außerdem zugleich eine Politik der Diskriminierung ist.“
Daher handelt sich bei der Gleichstellungspolitik, die unter der Überschrift „Gender Mainstreaming“ seit Mitte der 1990er-Jahre „top down“ und immer intensiver umgesetzt wird, objektiv um eine rechte Politik. Nicht zufällig wird sie von Frauen des rechten politischen Spektrums besonders forciert (z. B. Ursula von der Leyen/CDU).
Eine objektiv rechte Politik wird nicht dadurch zu einer linken Politik, dass sie von Mitte-Links-Parteien betrieben oder mitgetragen wird. Man muss den Irrtum erkennen, der darin besteht, diese Politik für eine linke, emanzipatorische und unterstützenswerte Politik zu halten. Reflektiert werden müsste auch, ob die Integration der zweiten und der dritten Frauenbewegung (ab 1995) in die Programmatik und Politik der „linken“ Parteien nicht schlicht ein Ausdruck eines prinzipiell bedenklichen Linkspopulismus ist.
Die Politik der genannten Mitte-Links-Parteien sollte sich zukünftig besser ernsthaft mit den Problemen der Lohnabhängigen befassen. Deren Probleme sind hauptsächlich ökonomisch, sozial, ethnisch und kulturell bedingt, und diesen Aspekten sollte sich die politische Linke endlich wieder zuwenden!
Wie waren die bisherigen Reaktionen auf die Frankfurter Erklärung? Was erhoffen Sie sich davon?
Es gibt bisher über 700 Mitzeichner, eine Besprechung in der Wirtschaftswoche, ein Interview in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung und TV-Anfragen von Illner und Will, Anfragen von ProQuote und last but not least von der Leibniz Gemeinschaft. Auffällig ist, dass in Leitmedien wie etwa in Der Spiegel, der Zeit, der Süddeutschen Zeitung und der Frankfurter Rundschau zwar zahlreiche Pro-Quote – Artikel erscheinen, aber fast keine Kritik daran, und das, obwohl – oder weil – es mittlerweile eine gut begründete und publizierte Kritik gibt. Anscheinend wird versucht, diese durch bewusste Ignoranz totzuschweigen. Das ist es, wogegen ich mich wende: Ich denke, es sollte eine offene, eine öffentliche und eine kontroverse Debatte zu diesem Thema geführt werden. Die Medien sollten hierzu beitragen, und nicht dazu, das zu verhindern.
Ich prüfe solche Anfragen im Hinblick darauf, ob ich dort voraussichtlich eine faire Chance erhalte, meine inhaltlichen Begründungen und meine Schlussfolgerungen vor einem Publikum darzustellen, das zumindest teilweise als nicht befangen einzuschätzen ist. Anderenfalls sage ich nicht zu.
„Männerdiskriminierung ist weder gerecht noch rechtens, und sie wirkt sich durch die verfassungswidrige Aushebelung der Bestenauslese gesellschaftlich schädlich aus.“
Ich verstehe die „Frankfurter Erklärung zur Gleichstellungspolitik“ als einen Beitrag zur Aufklärung über eine meines Erachtens verfassungswidrige gesellschaftliche Fehlentwicklung. Männerdiskriminierung ist weder gerecht noch rechtens, und sie wirkt sich durch die verfassungswidrige Aushebelung der Bestenauslese – wie sie bisher zum Beispiel in amtlichen Berufungsverfahren an Hochschulen angestrebt wurde – gesellschaftlich schädlich aus. Diese Wirkungen realisieren sich – ähnlich wie bei der Korruption – schleichend und sind meist kaum direkt sichtbar, werden sich aber umso stärker bemerkbar machen, je länger nicht gegengesteuert wird.