01.01.2009

Der Aufstieg Chinas und das Ende des Plaza-Abkommens

Kommentar von Julian Namé

Der eilig organisierte „Not-Weltwirtschaftsgipfel“ im November 2008 in Washington stellte einen dramatischen Einschnitt in der gegenwärtig ablaufenden Finanz- und Wirtschaftskrise dar. Er markiert das Ende einer Ära, die mit dem Plaza-Abkommen von 1985 ihren Anfang nahm.

Das Plaza-Abkommen war eine geheime Übereinkunft, die die Finanzminister der damals als G5 bezeichneten führenden Wirtschaftsnationen (USA, Japan, Westdeutschland, Großbritannien und Frankreich) am 22. September 1985 im Plaza Hotel in New York getroffen hatten. Sie verfolgten das Ziel, so in die Devisenmärkte einzugreifen, dass der US-Dollar gegenüber dem Yen und der D-Mark abgewertet würde. Es ist wichtig festzuhalten, dass dies zu einer Zeit geschah, als alle Finanz- und Wirtschaftssysteme der Welt fest in das Gefüge des Kalten Krieges eingebettet waren. Dieses Gefüge basierte auf der herausragenden Macht der USA und der zentralen Rolle des US-Dollars auf dem Weltmarkt.

Dennoch hatten sich die USA 1983 erstmals seit 1917 wieder zur größten Schuldnernation der Welt gewandelt. Unter der Regierung Reagan begann das Haushalts- und Zahlungsbilanzdefizit auszuufern. Seitdem hat sich dieses inzwischen typische Merkmal der USA weiter verschärft und reflektiert ihren relativen Niedergang. Das Plaza-Abkommen war ein Versuch, diesen Niedergang zu steuern. Dieses Arrangement hatte mehr als zwei Jahrzehnte Bestand. Wir sind mittlerweile so an diesen gesteuerten Niedergang des US-Dollars und der US-Wirtschaft gewöhnt, dass wir nur, wenn dieser nicht geräuschlos abläuft, bemerken, wie gefährlich diese Situation werden könnte (wie etwa während der Asienkrise 1997 und nach dem Platzen der New-Economy-Blase 2001). Wie konnte der Niedergang des US-Dollars über einen so langen Zeitraum gelenkt werden? Das war nur möglich wegen der – vor allem während der 90er-Jahre – reibungslos funktionierenden internationalen Kooperation zwischen den Industrienationen, sowohl auf formeller als auch auf informeller Ebene. Das Ende des Kalten Krieges beeinflusste vor allem in den 90er-Jahren die Form und den Charakter dieser Kooperation. Einerseits schwächte das Ende der Systemkonfrontation die Opposition gegen den freien Markt wie auch nationalistische Bewegungen in der Dritten Welt. Andererseits wurde die relative wirtschaftliche Schwäche der USA offensichtlich. Daher waren einige auch sehr schnell dabei, den Niedergang der USA als dominante Weltmacht einzuläuten.

Es muss jedoch ein weiterer Schlüsselfaktor berücksichtigt werden, der gleichzeitig mit dem Zwillingsdefizit der USA in den 90er-Jahren entstand und sehr eng mit dem Prozess des Dollarmanagements verbunden ist: die schnelle Integration der chinesischen Wirtschaft in den Weltmarkt. Das Diagramm unten zeigt die wachsende relative wirtschaftliche Bedeutung Chinas und die relative Schwäche der amerikanischen Wirtschaft seit den 90er-Jahren. Diese zunehmende Divergenz hat Befürchtungen über die Entkopplung der Weltwirtschaft zwischen dem boomenden Osten und dem ermatteten Westen aufkommen lassen. Die Tatsache, dass China inzwischen 2000 Milliarden US-Dollar an Devisenreserven aufgebaut hat und seit dem Jahr 2000 zum größten Käufer von US-Staatsanleihen aufgestiegen ist, scheint diese Vorahnung zu bestätigen. Dennoch ist diese Einschätzung sehr einseitig, denn noch immer macht das US-Bruttoinlandsprodukt (BIP) – trotz seines relativen Niedergangs – 25 Prozent der Weltwirtschaft aus, das BIP Chinas hingegen nur 6 Prozent. Trotzdem ist die relative Dynamik der chinesischen Wirtschaft im Vergleich zur US-Wirtschaft sehr bemerkenswert.

Die schnelle Integration der chinesischen Wirtschaft in den Weltmarkt zeigt sich am eindrucksvollsten auf der Ebene der Arbeiterschaft. Zwischen 1990 und 2005 hat sich die weltweite Arbeiterschaft praktisch verdoppelt – von etwa 1,5 Milliarden Arbeiter auf nahezu 3 Milliarden.1 Fast die Hälfte dieser Arbeitskräfte (1,47 Milliarden) sind Chinesen. Die Integration der chinesischen Arbeiter in den kapitalistischen Arbeitsmarkt seit den frühen 90er-Jahren hat zu einer neuen internationalen Arbeitsteilung geführt, die es der Weltwirtschaft erlaubt, profitabler zu arbeiten. Dies hat sich auch auf die amerikanische Wirtschaft ausgewirkt. Die gegenwärtige Krise stellt in zweifacher Hinsicht ein Problem dar: Es geht um die Frage, wie sowohl der Niedergang der US-Wirtschaft als auch gleichzeitig die schnelle Integration der boomenden chinesischen Wirtschaft in den Weltmarkt gewährleistet werden kann. Diesen fundamentalen Wandel im Verhältnis zwischen den USA und China auszuhandeln, ist eine sehr komplexe Angelegenheit, die weit über den Rahmen des Plaza-Abkommens hinausgeht. Dieses zweiseitige Problem direkt anzugehen, impliziert die Aushöhlung des Plaza-Abkommens. Das wird in der gegenwärtigen Diskussion über die Rolle Chinas im Internationalen Währungsfonds (IWF) deutlich, die, da die Europäer den Verlust ihrer Privilegien befürchten, in einer Sackgasse steckt. Ein neuer institutioneller Rahmen wäre erforderlich, um mit den vielen neuen und unerwarteten Themen- und Fragestellungen, die unweigerlich zwischen den USA und China aufkommen werden, angemessen umgehen zu können. Darüber hinaus sind die Institutionen und Foren, die eine vermittelnde Rolle zwischen diesen beiden Ländern spielen könnten, noch immer stark unterentwickelt, was die Dinge zusätzlich erschwert. Während beispielsweise die formellen und informellen Verbindungen zwischen den USA und Japan recht eng sind, sind die zwischen den USA und China noch immer sehr spärlich. Hinzu kommt, dass die gegenwärtigen wirtschaftlichen und politischen Führer zur Panik neigen – ein perfektes Szenario für grobe Fehltritte. Und das, obwohl beide Länder guten Willens sind, in vielen wesentlichen Fragen zu kooperieren.

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