01.01.2009

Tigerschutz durch Tigerzucht!

Analyse von Kirk Leech

Tierschützer scheinen es eher in Kauf zu nehmen, das Leben armer Menschen in Indien einzuschränken, als eine Lösung zu finden, die Mensch und Tier zugute kommt.

Der Tiger ist zu einer Art Lieblingstier der Tierschützer geworden. Er steht auf einer Stufe mit Eisbären und Walen. Nicht ohne Grund, denn nur wenige Tiere verkörpern die Erhabenheit der Natur so eindrucksvoll wie die gestreifte Raubkatze. Demnach wäre die Nachricht, dass die Tigerpopulation im Jim Corbett National Park im indischen Uttaranchal so schnell wächst, dass die Behörden eine Ausweitung des Parks beschlossen haben, eine gute Nachricht.1 Doch „Vorsicht, Tiger!“ ist alles andere als eine gute Nachricht. Die Ausdehnung des Parks bedeutet, den Grund und Boden der ortsansässigen Menschen, die ohnehin schon unter der Einrichtung des Parks zu leiden haben, weiter zu verkleinern. Zudem funktioniert der konventionelle Tierschutz nicht; die Anzahl der Tiger in Indien ist noch immer rückläufig. Der Park tut nichts anderes, als diesen Rückgang zu verwalten. Wenn uns diese „charismatischen Kreaturen“ wirklich so am Herzen liegen, werden radikalere Ideen gebraucht. Wir sollten nicht die Ortsansässigen den Preis für unsere Tigerliebe bezahlen lassen.

Mehr als drei Millionen Menschen (auch „Ureinwohner“ oder Adivasi genannt) leben innerhalb der 500 Nationalparks, Reservate und Schutzgebiete Indiens, Schätzungen zufolge allein rund 300.000 in den 28 Tigerreservaten.2 Wie ich bei meinen Recherchen zum Schicksal der 40.000 indigenen Einwohner des Shoolpaneshwar-Schutzgebietes in Gujarat erfuhr, werden diese Menschen in dem Schutzgebiet, das ausschließlich auf Tiere und nicht auf Menschen ausgerichtet ist, wie Gefängnisinsassen regelrecht eingesperrt.3 Indiens Tierschutzgesetze gehören zu den striktesten der Welt. Da verwundert es kaum, dass westliche Umweltschützer oft davon träumen, auch anderswo solche Gesetze zu haben. Die Polizei des Forest Departments, unter deren Kontrolle die Schutzgebiete und Reservate stehen, ist bewaffnet und durch die Tierschutzgesetze mit dem Recht ausgestattet, drakonische Maßnahmen in den geschützten Gebieten durchzusetzen. Die indigene Bevölkerung darf nicht jagen, darf das Schutzgebiet nicht mit Waffen betreten, kein Feuer ohne Genehmigung entzünden. Sie darf Tiere weder verletzen noch erschrecken, nicht wildern, Bäume beschädigen, Bergbau betreiben, im Wald ernten, fischen, Fallen aufstellen oder Land roden, um Ackerbau zu betreiben. Die Menschen am Rand des Jim-Corbett-Parks, die man schon jetzt von ihrem Land fernhält, werden jetzt von einer erneuten Erweiterung des Parks bedroht. Sie werden dabei nicht nur weiteres Land verlieren, sondern auch zusätzliche Angriffe auf ihr Vieh, das schon jetzt regelmäßig von Tigern und Leoparden getötet wird, hinnehmen müssen. Eine Touristenattraktion zu schaffen, kann den Verlust von Land und Lebensunterhalt nicht wettmachen.

Das unmittelbar bevorstehende Aussterben des Tigers ist eines der wichtigsten Schlagworte des Tierschutzes. 1995 behauptete die International Union for Conservation of Nature (IUCN), dass Tiger in freier Wildbahn bis 1999 praktisch ausgestorben sein würden, „wenn nicht Indien und andere Staaten der Region Wilderern und illegalen Händlern den offenen Krieg erklären würden“.4 Das Überleben des Tigers ist zum Gegenstand zahlloser Tierschutzkampagnen, öffentlicher Aufrufe und militarisierter Anti-Wilderer-Aktionen gemacht worden. Diese sind in der Tat derart martialisch, dass selbst der kuschelige WWF den folgenden Slogan in einer Recruitment-Kampagne benutzte: „Er zerstört seinen eigenen Regenwald. Schicken Sie eine Armee oder einen Anthropologen, um ihn zu stoppen?“ Darüber hinaus stehen Tiger durch das Washingtoner Artenschutzabkommen (CITES), das ein völliges Verbot der Jagd auf Tiger und des Handels mit Tigerteilen beinhaltet, unter dem Schutz internationalen Rechts.5 Und dennoch trägt die rigide Politik Indiens, die Tiere in Reservaten zu isolieren, menschliches Handeln einzuschränken und weitere Verbote für Jagd und Handel zu fordern, keine Früchte: Vielmehr ist ein markanter Rückgang der in Wildnis lebenden Tiger auf mittlerweile weniger als 1400 Exemplare zu verzeichnen.6 Ob für Nahrung, Mode oder Medizin, die Nachfrage nach Tigern und einzelnen ihrer Körperteile ist kontinuierlich gestiegen.

Indien sollte den Ansatz Chinas aufgreifen. Die Zahl der Tiger in freier Wildbahn ist auch in China gesunken, aber die Anzahl der Tiger, die in Gefangenschaft, in einer der 14 registrierten Tigerfarmen, gezüchtet wurden, hat zugenommen.7 Es gibt mehr als 5000 in Gefangenschaft lebende Tiger in China. Zurzeit werden Pläne vorangebracht, nach denen das genetische Profil aller gehaltenen Tiger aufgezeichnet wird, sodass die Anzahl reiner Unterarten dokumentiert und vermehrt werden kann. Das wird die Zucht einiger seltener Unterarten wie des Bengalischen und des Sibirischen Tigers unterstützen. Die Kosten solcher Zentren sind sehr hoch, wobei das bereits seit 14 Jahren bestehende Verbot des Inlands- und Auslandshandels mit Tigern, wie es von CITES durchgesetzt wird, nicht gerade weiterhilft. Würden die Tiger jedoch für den Markt gezüchtet, ihrer einzelnen Körperteile wegen, wie auch für den Verkauf an Zoos und Zirkusse, könnten diese Betriebe sich selbst tragen.8 In der Folge würde dies auch den illegalen Handel mit Körperteilen von Tigern unterbinden, weil ein kontinuierliches Marktangebot zur Verfügung stünde.

Die Tigerpfanne und der Tigerblutwein stehen wohl nicht auf jedermanns Speisekarte. Die meisten Menschen wüssten auch wenig mit einem Tigerpenis anzufangen. Die Chinesen jedoch nutzen bereits einen Teil des Gewinns dieser Farmen, um neue Tigerreservate in der ungewohnten Umgebung Südafrikas einzurichten, und sie planen das Gleiche für ein designiertes Reservat in China. Möglicherweise wird dieser freie Markt den Tiger aus William Blakes Imagination zerstören. Das erhabene Raubtier, der brutale Killer geht in Zirkussen und Zoos verloren. Dennoch sollten Programme, die eine kommerzielle Zucht von Tigern in Gefangenschaft vorsehen, ernst genommen werden. Solange die Armen auf der Grundlage von Subsistenzwirtschaft von der Hand in den Mund leben, sollte die Priorität sein, Land für Menschen auszuweisen – und nicht für Tiger! Einstweilen müssen wir andere Wege finden, diese erhabenen Kreaturen zu erhalten.

Wir täten besser daran, uns neu auf unsere Humanität zu besinnen. Wenn wir so erpicht darauf sind, Tiger zu retten, dann schlage ich Farmen für Tiger vor und nicht Gefängnisse für die indigene Bevölkerung.

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