07.06.2016

Die neue Flüchtlingshysterie

Von Novo-Redaktion

Beide Seiten in Debatte projizieren ihre Ängste und ihr Misstrauen auf die Flüchtlingsfrage. So ist keine vernünftige Debatte möglich

Selten wurde eine Debatte so hysterisch geführt wie jene über Flüchtlinge. Obschon jeden Tag Zeitungen, Nachrichtensendungen und unüberschaubare Twitter-Feeds damit gefüllt werden, sind die Standpunkte schnell umrissen. Die einen sehen das Land vor einer übermäßigen Belastung: ausgeplünderte Sozialkassen, ansteigende Ausländerkriminalität und schleichende Islamisierung. Man fühlt sich von einem politischen Establishment verraten und verkauft, das unser Land wegen Sentimentalitäten oder Gutmenschentum ins Chaos stürzen lässt. Die andere Seite sieht Deutschland den Flüchtlingen gegenüber in besonderer Verantwortung und erkennt im Grenzschutz unmenschliche Akte. Vor allem aber fürchtet man einen neuen Rechtsruck und betrachtet Menschen, die gegen die Flüchtlingspolitik sind, als eine Horde Wilder. Die Intensität und Unversöhnlichkeit der Debatte ist umso erstaunlicher, da die allermeisten Bundesbürger bislang noch nicht oder kaum in Kontakt mit Flüchtlingen gekommen und die Auswirkungen auf das tägliche Leben marginal sind. Dabei haben Befürworter und Gegner mehr gemein, als ihnen bewusst sein dürfte. Beide Seiten verbindet ein Misstrauen in die Demokratie und deren Potential, die Gesellschaft in eine positive Richtung zu entwickeln. Beide fürchten sich vor einer unberechenbaren Masse und fordern, diese zu kontrollieren. Die einen erkennen das Problem in „jungen arabischen Männern“, die anderen in „alten weißen Männern“. Und stets hören wir, der Status Quo sei die bestmögliche Welt – und jede Veränderung würde nur Verschlechterung bedeuten. Beide Lager projizieren ihre Ängste und negativen Erwartungen auf die Flüchtlingsfrage. Eine lösungsorientierte Debatte kann es so nicht geben.

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