07.06.2016

Meinungsfreiheit für wen?

Von Novo-Redaktion

Redefreiheit gilt entweder für jeden oder sie gilt für keinen. Kaum jemand verteidigt heute noch dieses Prinzip

In den vergangenen Monaten war viel von Meinungsfreiheit die Rede. Der Satiriker Jan Böhmermann verlas ein beleidigendes Gedicht über den türkischen Regierungschef Erdogan. Erdogan klagte deswegen und die Bundesregierung erlaubte die Ermittlungen. Dies wurde als Eingriff in die Meinungsfreiheit kritisiert. Die Solidaritätsadressen an Böhmermann waren umfassend. Sogar Springer-Verlag-Chef Matthias Döpfner unterstützte ihn und wurde inzwischen auch von Erdogan verklagt. Zurecht wurde betont, dass man als Satiriker einen fremden Regierungschef als „Ziegenficker“ bezeichnen dürfen muss. Wenige Wochen später wurde der Gründer der rechtspopulistischen Pegida-Bewegung, Lutz Bachmann, von einem Gericht verurteilt, weil er auf seinem Facebook-Account Flüchtlinge verunglimpft hatte. Zwar muss man sich mit ihm nicht solidarisch erklären, aber sollte man ihm nicht das gleiche Recht auf Meinungsfreiheit zugestehen? Beide hatten Ausländer beleidigt. Der eine wird dafür als Märtyrer gefeiert, die Verurteilung des anderen stellt kaum jemand in Frage. Meinungsfreiheit ist aber nicht teilbar. Es ist ein Recht, kein Privileg. Meinungsfreiheit ist nicht nur für die Guten da, sondern für alle. Dass Meinungen heute nicht gleich sind, zeigt die Schieflage in der Debatte um die Meinungsfreiheit. Offenbar traut man dem Publikum nicht zu, selbst zwischen gut und schlecht unterscheiden zu können. Stattdessen will man es mit den richtigen Botschaften beschallen und es vor den falschen beschützen. Damit allerdings wird Meinungsfreiheit zur Farce. Sie umfasst nicht nur die Freiheit zu sagen, was man möchte, sondern auch selbst zu entscheiden, was man hören will. Nur wer alle Meinungen hören darf, kann sich eine eigene Meinung bilden.

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